Vier ehemalige Schüler des Gymnasiums Friedberg haben beim St.Galler Globusstreit eine Schlüsselrolle gespielt.
Eigentlich ist der Globusstreit Schnee von gestern. Vor zehn Jahren schenkten die Zürcher den St.Gallern eine Replik, die heute in der Stiftsbibliothek zu bewundern ist. Das verblichene, über 400-jährige Original steht im Zürcher Landesmuseum. Doch nun hat Historiker und Geograf Jost Schmid eine Dissertation über den weltberühmten Himmelsglobus veröffentlicht. Er erinnert damit an den Kulturgüterstreit, der Historiker, Politiker und Juristen vor über zehn Jahren in Atem hielt. Vier ehemalige Schüler des Gymnasiums Friedberg waren massgeblich daran beteiligt – als Gegenspieler: Karl Schmuki, Beat Husi, Luzius Mader und Marco Ronzani. «Eigentlich müsste der Himmelsglobus in unserer Mensa stehen», begrüsste Rektor Lukas Krejci die vier Herren am Dienstagabend zum Podium am Gymnasium.
Ein Blick zurück: 1712 plündern Zürcher im Toggenburger Krieg die St.Galler Stiftsbibliothek. Sie erbeuten kostbare Handschriften und den mannshohen Himmelsglobus, der ursprünglich aus Norddeutschland stammt. Zwischen Kissen verpackt verfrachten sie ihn in die Zwinglistadt.
300 Jahre später schreibt Karl Schmuki, ehemals stellvertretender Stiftsbibliothekar, einen Leserbrief, in dem er den Diebstahl thematisiert. Alte Wunden brechen auf: Nach 300 Jahren fordert der Kanton St.Gallen den Globus zurück. Das sei längst verjährt, wehren sich die Zürcher. Die St.Galler wollen wenn nötig bis vor Bundesgericht kämpfen. Die neue Bundesverfassung besagt jedoch, dass Streitigkeiten zwischen Kantonen nach Möglichkeit durch Vermittlung beigelegt werden sollen.
«Ein Streit von 1712 bis 2006 – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen», sagt Anwalt Marco Ronzani, der als Vermittler beigezogen wurde. «Um was geht es eigentlich?», fragte der Mediator. Dabei schälte sich heraus, dass sich die St.Galler um ein Stück Identität betrogen fühlten. Um einen Teil der eigenen Geschichte. «Auch ein Walliser Wein gehört in einen Walliser Keller», lautete ihr Leitspruch. Die Zürcher bangten hingegen um ihre Bestände. «Wenn wir die Schleusen aufmachen, gibt es eine Flut von Klagen», sagten sie. Will heissen: Wenn sie den Globus hergeben, erheben auch andere Anspruch auf Kulturgüter. «Das wäre ein Präjudiz auf internationaler Ebene gewesen», sagt Ronzani.
Drei Jahre rangen die Politiker um einen Kompromiss, in den auch die St.Galler Regierungsrätin Kathrin Hilber involviert war. Mitarbeiter von Bundesrat Pascal Couchepin berieten beide Seiten. «Die lange Dauer trug uns Kritik ein», erinnert sich Luzius Mader, Vizedirektor des Bundesamts für Justiz. Der Bund sei zu passiv, hiess es. Durch die langwierigen, komplexen Verhandlungen hätten die Beteiligten jedoch Vertrauen zueinander fassen können. «Zentral war: Man musste sich von der Eigentumsfrage lösen.» Erst so sei der Weg frei geworden für eine «sinnvolle Lösung».
Am Ende durften die Zürcher das Original behalten. Sie liessen aber eine exakte Kopie für die St.Galler herstellen – eine Idee von Couchepin und dem Zürcher Regierungsrat Markus Notter. Besiegelt wurde diese Lösung am 27.April 2006 bei einer Kappeler Milchsuppe.
Manche Ostschweizer haben bis heute den Eindruck, man habe sie über den Tisch gezogen. Mediator Ronzani spricht hingegen von einer «sensationellen, salomonischen Lösung» eines explosiven Konflikts.
Beat Husi, ehemaliger Staatsschreiber des Zürcher Regierungsrats, stellt fest, dass der Streit die St.Galler mehr bewegt habe. Wenn er die zehn wichtigsten Geschäfte seiner Zeit nennen müsste, gehörte der Globusstreit nicht dazu. Husi vermutet, dass der Globus vielleicht nach St.Gallen zurückgekehrt wäre, wenn Moritz Leuenberger 1995 nicht in den Bundesrat gewählt worden wäre. Für ihn rückte Markus Notter in den Regierungsrat nach – «ein sehr guter Jurist, der hart um den Globus kämpfte».
Zum Schluss erwähnen die ehemaligen Friedbergler noch einen Vertrag von 2006. Im Zug des Raubs wurden nebst dem Globus wertvolle St.Galler Handschriften gestohlen. Diese erhält die Stiftsbibliothek leihweise 38 Jahre lang, wie Couchepin damals beschloss. Im Jahr 2044 könnte der Streit also erneut vom Zaun brechen. «Karl Schmuki soll dann bitte keinen Leserbrief mehr schreiben», bemerkt Beat Husi.