«Handy aus!»-Aufforderungen, Zwischenrufe und viel Misstrauen: Wie ein Infoanlass zu 5G in St.Gallen beinahe aus dem Ruder lief

An einer Infoveranstaltung zu den Risiken und Chancen der neusten Mobilfunkgeneration machten 5G-Gegner Stimmung.

Christina Weder
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5G-Antennen sind ein hoch kontroverses Thema – das zeigte sich auch bei einer Diskussion in der Stadt St.Gallen. (Bild: Keystone)

5G-Antennen sind ein hoch kontroverses Thema – das zeigte sich auch bei einer Diskussion in der Stadt St.Gallen. (Bild: Keystone)

Das Publikum strömte am Montagabend geradezu ins Centrum St.Mangen. Die städtische Dienststelle Umwelt und Energie hatte zur Informationsveranstaltung über Chancen und Risiken von 5G geladen. Ziel des Abends war gemäss Stadtrat Peter Jans, die Bedenken gegenüber der fünften Generation des Mobilfunks ernstzunehmen und zu einer Versachlichung beizutragen – ein schwieriges Unterfangen, wie sich bald herausstellen sollte.

Die Stimmung im Saal war von Beginn an emotional aufgeladen. Über hundert Interessierte waren gekommen. Die Gegner und Skeptiker der neusten Mobilfunkstandards waren klar in der Mehrheit. Sie hielten sich mit ihrem Unbehagen gegenüber der neuen Mobilfunkgeneration nicht zurück. Vor dem Eingang drückten zwei Aktivisten den Besucherinnen und Besuchern einen Flyer mit der Aufschrift «Stop 5G! Wir werden aktiv!» in die Hand.

Aufforderung ans Publikum: Bitte Handy ausschalten!

Kaum hatte die Veranstaltung begonnen, meldete sich eine Frau zu Wort und forderte das Publikum auf, doch bitte aus Rücksichtnahme auf ihre elektromagnetische Hypersensibilität die Handys auszuschalten. Sie trug ein Strahlenschutzkostüm mit Gesichtsschutz, Kapuze und Umhang. Auch andere Besucher äusserten lautstark ihre Bedenken, der neuste Mobilfunkstandard könne aufgrund der Strahlung zu gesundheitlichen Beschwerden führen. Man wisse noch zu wenig über die Auswirkungen.

Stadtrat Peter Jans versprach, die Bedenken ernstzunehmen. Selten habe ein Technologiesprung derart kontroverse Diskussionen ausgelöst. Der Stadtrat selber sehe die neue Technologie als Chance. Denn in den vergangenen Jahren seien in der Stadt viele Arbeitsplätze im IT-Bereich entstanden.

Eine der ersten 5G-Mobilfunkantennen in der Stadt steht auf dem Dach des «Sankt Leopard». (Bild: Ralph Ribi)

Eine der ersten 5G-Mobilfunkantennen in der Stadt steht auf dem Dach des «Sankt Leopard». (Bild: Ralph Ribi)

5G erlaube eine vielfach gesteigerte Datenübertragungsrate und eine massiv verkürzte Latenzzeit. Mit anderen Worten: Die neue Mobilfunkgeneration ermöglicht eine Reaktion in Echtzeit und ist damit die Voraussetzung für das «Internet der Dinge».

«Der Stadtrat will die neue Technologie nicht verhindern und den Anschluss nicht verpassen», sagte Jans klar. Gleichzeitig sei er aber auch bemüht, der Gesundheitsvorsorge Rechnung zu tragen und die Bevölkerung vor der Strahlenbelastung zu schützen.

Jans plädierte dafür, die Anlagengrenzwerte nicht zu erhöhen, wie dies die Mobilfunkanbieter fordern. Zudem gebe die Stadt einem strahlungsarmen Netz mit vielen kleinen Antennen den Vorzug. Auf grosse Antennen wolle man möglichst verzichten.

Andreas Küng. (Bild: Benjamin Manser)

Andreas Küng. (Bild: Benjamin Manser)

Andreas Küng, Verantwortlicher für nicht-ionisierende Strahlung bei der Stadt, bekräftigte diese Absicht: Nun sei es wichtig, dass die Stadt die Zusammenarbeit mit den Mobilfunkbetreibern intensiviere. Denn diese würden nicht aus eigenem Antrieb kleine Antennen aufstellen.

Christian Grasser. (Bild: Benjamin Manser)

Christian Grasser. (Bild: Benjamin Manser)

Christian Grasser vom Schweizerischen Verband der Telekommunikation Asut führte aus, warum es einen Ausbau des Netzes brauche. 98 Prozent der Schweizer Bevölkerung seien im Besitz eines Handys oder Smartphones.

Die Datenmenge verdopple sich alle 18 Monate. «Die Antennen sind am Limit», sagte Grasser, «deshalb brauchen wir zusätzliche.» Wenn die Grenzwerte nicht erhöht würden, seien noch mehr Antennen nötig. 5G sei nicht nur leistungsfähiger, sondern bringe auch eine geringere Strahlung pro Datenpaket.

Messung des Experten: Nur eine geringe Strahlung im Saal

Aus dem Publikum gab es während der ganzen Veranstaltung Zwischenrufe und Applaus für kritische Wortmeldungen. Auch Martin Röösli, Elektrosmogexperte und Umweltbiologe, sah sich mit Misstrauen konfrontiert, als er sich in seinem Referat der Frage widmete, wie stark wir bestrahlt werden.

Martin Röösli. (Bild: Benjamin Manser)

Martin Röösli. (Bild: Benjamin Manser)

Röösli zog ein Messgerät hervor und stellte fest: «Die Strahlung in diesem Saal ist sehr gering.» Die Antwort aus dem Publikum kam prompt. Bauökonom Hans­ueli Stettler sass dort und hielt ein eigenes wild blinkendes Gerät in die Höhe, um den Gegenbeweis zu erbringen.

Röösli liess sich davon nicht aus der Fassung bringen. Nicht die Sendeanlage sei der grösste Strahlenverursacher, sondern das eigene Handy, sagte er. Dieses strahle umso mehr, je schlechter die Verbindung sei. Aus diesem Grund em­p­fiehlt er, auf eine gute Verbindung zu achten – egal ob 4G oder 5G.

Ob der Handy-Gebrauch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt, stellte der Experte in Frage. In seinen Studien konnte er bis jetzt keinen eindeutigen Hinweis auf ein erhöhtes Krebs- oder Tumorrisiko feststellen. Auch die von Kritikern ins Feld geführte Hypersensibilität, unter der fünf Prozent der Bevölkerung leiden, lasse sich nicht bestätigen.

Die Diskussion unter der Leitung von David Gadze, Ressortleiter Stadt beim «St.Galler Tagblatt», verlief nicht minder hitzig. Hansueli Stettler von der IG Mobilfunk mit Mass bekräftigte seine Überzeugung, dass Strahlung krank mache. Seine Ausführungen gipfelten in einem persönlichen Angriff auf Röös­li, dessen Glaubwürdigkeit er in Frage stellte. Der Support aus dem Publikum war ihm gewiss.

Yvonne Gilli. (Bild: Benjamin Manser)

Yvonne Gilli. (Bild: Benjamin Manser)

Das ging so weit, dass Yvonne Gilli, Ärztin und ehemalige Nationalrätin der Grünen, schliesslich das Publikum ermahnte, doch bitte keinen Sündenbock zu suchen. In ihrem Votum forderte sie mehr Forschung und mehr Information – das beginne schon beim Kauf eines Handys. Zum Schluss blieb Stadtrat Peter Jans nichts anderes übrig, als folgendes Fazit zu ziehen: «Das Thema bleibt kontrovers.»

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