ST.GALLEN HISTORISCH: Als auf der Kreuzbleiche noch Soldaten ausgebildet wurden
Alte Fotografien und Ansichtskarten sind zum einen wertvolle Belege für Historiker. Zum anderen stossen Bilder, die die Stadt in der guten und teils auch nicht so guten alten Zeit zeigen, bei heutigen Städterinnen und Städtern aus nostalgischen Gründen auf viel Interesse. Diese Sammlung stellt alten Fotos die passende heutige Ansicht gegenüber. Sie wird regelmässig um neue Bilder ergänzt.
Reto Voneschen
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Die Kaserne auf der Kreuzbleiche - um 1900
Die Stadtkaserne auf der Kreuzbleiche
Die Kaserne St.Gallen auf der Kreuzbleiche um 1900. Noch fehlt links daneben die Militärkantine. (Bild: Sammlung Reto Voneschen)
Davon, dass die Kreuzbleiche einst ein Waffenplatz war, zeugen heute noch die Reithalle und die Militärkantine. Dazwischen standen bis Oktober 1980 weitere Militärbauten. Sie mussten damals aber der Stadtautobahn weichen. Begonnen hatte die militärische Geschichte der Kreuzbleiche 1876 bis 1878 mit dem Bau der Kaserne an dem Ort, wo sich heute die Skateranlage befindet.
Der ehemalige Standort der Kaserne St.Gallen am Nordrand der Kreuzbleiche heute. (Bild: Reto Voneschen - 25. März 2019)
Die ersten Rekruten bezogen das nigelnagelneue Gebäude am 30. August 1879. 1885 entstand östlich der Kaserne ein Zeughausmagazin aus rotem Backstein. 1889 wurde östlich davon die heute noch existierende Reithalle mit ihren Stallungen erstellt. 1901/02 wurde mit dem Bau der Militärkantine der Ausbau des militärischen Gebäudekomplexes abgeschlossen. Militärische Ausbildungsanlagen befanden sich auf der Kreuzbleiche, «im scharfen Schuss» geübt wurde im Breitfeld und im Sittertobel.
Das letzte Stündlein der St.Galler Stadtkaserne schlug im Herbst 1980. Ab dem 20. Oktober wurden Kaserne und Zeughausmagazin innert weniger Tage dem Erdboden gleich gemacht. Das Spektakel zog viele Schaulustige an. Als Ersatz für die Kaserne auf der Kreuzbleiche wurde schliesslich in den 1990er-Jahren die Kaserne Neuchlen-Anschwilen gebaut. Vorausgegangen waren lange Diskussionen der Armee mit den Standortgemeinden und politischer Widerstand.
St.Leonhard-Strasse mit Hauptpost - um 1914
Die neue Hauptpost
Die St.Galler Hauptpost entstand 1911 bis 1915 als Ersatz für einen Vorgängerbau, der auf dem Kornhausplatz stand. Geplant wurde sie gemeinsam mit dem neuen Hauptbahnhof. Der Neubau ersetzte auf sumpfigem Baugrund eine spätklassizistische Häuserzeile mit grosszügigen Gartenanlagen. Im Hintergrund ist der Turm der Kirche St.Leonhard zu sehen. Links, dort wo heute der Neumarkt steht, fällt die grosszügige Ausstatung der Vorgärten mit Bäumen auf. (Bild: Sammlung Reto Voneschen)
Die gleiche Stelle an der St.Leonhard-Strasse heute. (Bild: Reto Voneschen - 25. März 2019)
Bahnhofplatz und Gutenbergstrasse - nach 1908
Die Haltestelle für Trogener- und Gaiserbahn mitten auf dem Bahnhofplatz
Bahnhofplatz und Gutenbergstrasse (rechts) nach 1908. Das doppelstöckige geschindelte Häuschen war der «Bahnhof» für die Trogener- und die Gaiserbahn. Hinter dem Baustellenkarren sind Gleise und eine Drehscheibe für die Lokomotiven Letzterer zu erkennen. (Bild: Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen)
Die gleiche Stelle auf dem Bahnhofplatz heute. Das Hotel Metropol (Eröffnung 1953) hat das alte Hotel Bahnhof abgelöst. Und die Züge von Trogener- und Gaiserbahn halten seit 1914 beim Gaiserbahnhof. (Bild: Reto Voneschen - 25. März 2019)
Bahnhof St.Gallen - um 1909
Der erste St.Galler Hauptbahnhof: Langlebig und schliesslich durchs neue Rathaus ersetzt
Der St.Galler Bahnhof auf einer Ansichtskarte, die am 13. Mai 1909 nach La Sarraz in der Waadt gelaufen ist. Links ist der erste St.Galler Hauptbahnhof, in der Bildmitte hinter der Trogenerbahn und einem städtischen Tram das Bahnhofpärklein und rechts eine Ecke des Hotel Walhalla. (Bild: Sammlung Reto Voneschen)
Die gleiche Stelle auf dem heutigen Bahnhofplatz. Dort, wo einst der erst St.Galler Hauptbahnhof stand, erhebt sich heute das Rathaus. (Bild: Reto Voneschen - 12. März 2019)
Die Eisenbahn, die für die weitere Entwicklung St.Gallens zur Textilmetropole zentral war, erreichte die Gallusstadt am 24. März 1856. An jenem Ostermontag hielt der erste Zug von Winterthur und Wil her gemäss dem Büchlein «St.Gallen wie es nicht mehr steht» vor dem erst im Rohbau vollendeten Bahnhof. Die Pläne fürs Stationsgebäude hatte der Verwaltungsrat der St.Gallisch-Appenzellischen Eisenbahngesellschaft am 27. Dezember 1853 genehmigt.
1911 bis 1913 wurde westlich des alten Bahnhofs das neue Bahnhofsgebäude erstellt; es fiel der boomenden Textilmetropole würdig ziemlich monumental aus und wird heute von Fachleuten auch als bauliche Antwort der reformierten Textilstadt auf die katholische Kathedrale interpretiert. Das alte Aufnahmegebäude wurde 1912/13 umgebaut und diente dem Bahndienst, bis es 1972 abgebrochen wurde. An seiner Stelle entstand von 1972 bis 1977 das neue Rathaus der Stadt St.Gallen.
Der Markt mit Blick zum «Hecht» und zum Theater - vor 1907
Gemüse und Blumen aus der Region
Blick vom Marktplatz zum Bohl mit dem Hotel Hecht (links im Hintergrund) und dem alten Stadttheater. Typisch für das Strassenbild jener Zeit sind die Pferdefuhrwerke, das Tram und die Litfasssäule auf dem Bohl. Ebenfalls auffällig ist der dichte Baumbestand auf dem Marktplatz. Und natürlich fehlen die Autos vollständig. (Bild: Sammlung Reto Voneschen)
Die gleiche Situation heute. Das Hotel Hecht ist teilweise durch die Anfang der 1950er-Jahre erstellte Marktrondelle verdeckt. Das alte Stadttheater ist durch den Markt am Bohl ersetzt. Das Haus rechts an der Marktgasse ist ebenfalls neueren Datums; auf der alten Ansichtskarte oben ist der Vorgängerbau durch Bäume verdeckt. (Bild: Reto Voneschen - 27. März 2019)
Der Bohl - Mitte der 1970er-Jahre
Als die St.Galler Stadtbusse noch grün waren
Der Bohl Mitte der 1970er-Jahre. Das alte Stadttheater zwischen dem Hotel Hecht und dem Schuhaus Bata fehlt bereits; es wurde 1972 abgebrochen. Die Bushaltestelle war, wie die Fahrtrichtung des grünen VBSG-Busses mit Anhänger zeigt, noch anders organisiert. Beachtenswert sind auch die Geranien am Balkon des Hotel Hecht. (Bild: Sammlung Reto Voneschen)
Der Bohl heute. Das Gebäude des Hotel Hecht existiert zwar noch, ist aber durch Restaurants und Büros belegt. Dort, wo einst das Schuhhaus Bata residierte befindet sich heute der Hühnchen-Schnellimbiss eines Grossverteilers und die Bank Wegelin gehört heute der Bank Vontobel. Und auch der Busverkehr hat massiv zugenommen. (Bild: Reto Voneschen - 25. März 2019)
Der Bohl - Ende der 1950er-Jahre
Bohl mit freiem Blick auf Brühtor und Kantipark
Ein Kuriosum: Auf dem Bild aus den 1950er-Jahren fehlt das Waaghaus. Links ist der «Notenstein» (Bank Wegelin), rechts das 1959 abgebrochene Café Weisshaar zu erkennen. Dazwischen fehlt das Waaghaus. (Bild: Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen)
Das Waaghaus heute: Es steht als baulicher Zeuge für die alte Stadtrepublik St.Gallen immer noch an seinem Platz. Seine heutige innere Einteilung mit Parlaments- und Ausstellungssaal im ersten Stock erhielt es während der Renovation Anfang der 1960er-Jahre. (Bild: Reto Voneschen - 25. März 2019)
In den 1950er- und 1960er-Jahren bis in die 1970er-Jahren hinein ging die Stadt St.Gallen mit ihrem baulichen Erbe ziemlich rabiat um. Damals gerieten auch wertvolle Jugendstilbauten ins Visier der Modernisierer; etliche wurden abgebrochen oder massiv verändert. Der Drang zur Erneuerung machte - gerade in Zusammenhang mit dem wachsenden Autoverkehr - auch vor historischer Bausubstanz nicht halt.
So kam es auch zum Streit über den Abbruch des Waaghauses am Bohl, das 1584/85 entstanden war. Als Abschluss einer Diskussion, die bis in die Jahre des Zweiten Weltkriegs zurückging, wurde am 28. September 1958 über das Schicksal des Gebäudes abgestimmt. Mit einem sehr knappen Mehr von nur 301 Stimmen (6147 Nein zu 6448 Ja) wurde der Renovation des Waaghauses zugestimmt.
Eingeweiht wurde der sanierte Bau am 21. September 1963 mit einer Festsitzung des Stadtparlaments und einem abendlichen Volksfest. Daran erinnert das obenstehende Bild des Fotohauses Zumbühl. Die Fotomontage erinnert an den von Befürwortern und Gegnern einer Waaghaus-Renovation heftig und engagiert geführten Abstimmungskampf.
Brühltor - vor 1960
Vom Café Weisshaar zur Post Brühltor
Das Café Weisshaar war näher ans Waaghaus gebaut als es heute die Post Brühltor ist. Darum hat's vor der Post Platz für einen kleinen Baum. (Bilder: Stadtarchiv der OG St.Gallen/Reto Voneschen)
(vre) Eine Schönheit ist der Neubau Brühlgasse 1, in dem die Post Brühltor untergebracht ist, nicht wirklich. Allerdings wurde auch das hier zuvor stehende Haus in dieser Hinsicht kritisiert, etwa von Stadtarchivar Alfred Schmid, der 1935 schrieb: «Auch in ästhetischer Beziehung kann es uns nicht besonders entflammen.» Im alten Haus wurde bis 1959 die Speisewirtschaft Weisshaar, die auch Café Weisshaar hiess, geführt. Es war wohl nach seiner ersten Wirtin so benannt: 1880 wurde das Lokal von Bertha Weisshaar-Reisch geführt. Sie war die Witwe von Fritz Weisshaar, der noch 1875 im Stein am Bohl eine «Nürnberger-Bierwirthschaft» mit Café betrieben hatte.
Der Bohl vom Brühltor her - vor 1907
Sängerhüsli, Tram und Stadttheater
Der Bohl auf einer stark bearbeiteten Aufnahme vor 1907 vom Brühltor her gesehen. Links mit dem Gartenaufbau auf dem Flachdach ist das Sängerhüsli zu erkennen. Dass hier ein Häuschen in den Platz ragte, ist bis 1596 zurück dokumentiert. Rechts neben dem Tram steht das alte Stadttheater, dahinter das Hotel Hecht mit einer grossen Fahne auf dem Türmchen. (Bild: Sammlung Reto Voneschen)
Die gleiche Situation heute: Das Sängerhüsli wurde 1930 in Zusammenhang mit dem Bau der EPA (heute Coop-City) abgebrochen. Das alte Stadttheater musste 1971 weichen, wobei der Ersatzbau, der «Markt am Bohl», dann noch rund zwanzig Jahre auf sich warten liess. (Bild: Reto Voneschen - 25. März 2019)
Brühltor-Durchgang - vor 1959
Auch ein schöner Rücken kann entzücken
Die Hinterseite der Häuser Brühlgasse 1 bis 9 (Nummerierung von rechts nach links). Das Strässchen von hier zum Bohl hiess damals Kaufhausweg, weil das Waaghaus damals Kaufhaus hiess, weil es - neben einer Poststelle und einem Polizeiposten - so eine Einrichtung beherbergte. (Bild: Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen)
Die Rückseite der Post Brühltor heute. Oben im Haus sind Büros der Sozialen Dienste der Stadt St.Gallen untergebracht. (Bild: Reto Voneschen - 13. März 2019)
Hinterhöfe und die Rückseite von Häuserzeilen haben ihren ganz speziellen Charme. Allerdings werden sie oft nicht für Wert befunden, fotografiert und so der Nachwelt überliefert zu werden. Umso interessanter ist das Bild des Fotohauses Zumbühl, das die Rückseite der Häuser Brühlgasse 1 bis 9 (von rechts nach links) zwischen Bohl und Brühltor-Durchgang zeigt. Im Haus Brühlgasse 1 rechts war bis 1959 das Café Weisshaar untergebracht. Beim Häuschen in der Bildmitte dürfte es sich um eine WC-Anlage handeln.
Schibenertor - 1897
Der «Kreml»: Von der Lotterbude zum Hotel St.Gallerhof und dann zum Kino
(Bild: Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen)
(Bild: Reto Voneschen - 13. März 2019)
(vre) Das Schibenertor um 1897 auf einem Bild des renommierten St.Galler Fotohauses Zumbühl. Links ist die reich bemalte Tramhaltestelle Schibenertor zu sehen, rechts steht ennet dem Verkehrsknoten das Haus Unterer Graben 1, dahinter ist das Ecktürmchen des 1882 erstellten, heute noch existierenden Hauses Unterer Graben 5 knapp zu erkennen.
Das alte Haus Unterer Graben 1 gehörte zu einer Häuserzeile, die westlich am Stadtgraben vor der Stadtmauer entstanden war. Ende des 19. Jahrhunderts waren die kleinen Häuser verlottert und wurden nacheinander abgebrochen. Das Haus Unterer Graben 5 entstand 1882, das neue Haus Unterer Graben 1 1899 als Hotel St.Gallerhof. Es wurde als solches bis 1910 betrieben. 1913 bis vermutlich 1925 befanden sich im Haus die Union-Licht-Spiele, ein Kino. Der Ziegelbau wurde im Volksmund wegen seiner Zwiebeltürmchen auch «Kreml» genannt.