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Avenir Suisse hat in einer neuen Studie die Resultate von 20 Jahren Schweizer Stadtpolitik untersucht. Unter den zehn grössten Schweizer Städten landet St.Gallen auf Platz fünf. Interessanter als dieser Schlussrang sind allerdings die Detailresultate.
Im Städteranking von Avenir Suisse ist die Stadt St.Gallen nicht nur Mittelmass. Bei einigen der 47 untersuchten Indikatoren brilliert sie sogar: so etwa bei der Länge der Baubewilligungsverfahren. Solche dauern in St.Gallen durchschnittlich 98 Tage, was mit Abstand die kürzestes Frist ist, die eine der zehn grössten Schweizer Städte bieten kann.
Ebenfalls gute Noten gibt’s im Avenir-Suisse-Ranking fürs Personal. Die Angestellten der St.Galler Stadtverwaltung sind selten krank – im Schnitt während 6,5 Tagen pro Jahr. In St.Gallen gehen die städtischen Angestellten so spät in Pension wie in keiner anderen grossen Schweizer Stadt (im Schnitt mit 64 Jahren). Und die vor einigen Jahren ausgegliederte Pensionskasse der städtischen Angestellten ist mit einer Deckung von 104,5 Prozent sehr solide aufgestellt.
Schlecht schneidet St.Gallen (zusammen mit Luzern) in einer Steuerfrage ab: Die beiden Städte hätten 2010 bis 2016 ständig Rechnungsüberschüsse erwirtschaftet. Das scheine auf den ersten Blick erfreulich, heisst es in der Avenir-Suisse-Städtestudie. Das sei aber vor allem ein Hinweis darauf, dass diese Städte von ihrer Bevölkerung zu hohe Steuern verlangten:
«Eine Senkung der Steuern wäre angezeigt.»
Im Fall von St.Gallen merkt das Städteranking zudem an, dass «im Vergleich zu anderen Städten die Verwaltungskosten relativ stark angestiegen sind». Hier bestehe allenfalls Handlungsbedarf.
Diese Feststellungen des Rankings dürften jene Parteien freuen, die derzeit in der Stadt St.Gallen für eine Senkung des Steuerfusses im Budget 2019 werben. Sie zeigen aber auch, wieso man bei der Interpretation solcher Rankings vorsichtig sein sollte. Man sollte ihre Resultate nie als absolute und einzige Wahrheit ansehen, sondern eher als Denkanstösse.
Die Rankings basieren immer auf Aspekten, hinter deren Auswahl und Gewichtung auch eine politische Grundhaltung steht. Avenir Suisse ist in dieser Hinsicht bei der Studie «20 Jahre Stadtpolitik» transparent. Der Thinktank ist liberalen und marktwirtschaftlichen Prinzipien verpflichtet. Das Städtemonitoring orientiert sich am Konzept der «Liberalen Smart City».
Fürs Ranking untersucht wurde die Entwicklung von 47 Indikatoren in acht Bereichen in den vergangenen 20 Jahren. In der Studie von Avenir Suisse rangiert jede der zehn grössten Schweizer Städte mindestens bei einem Indikator an der Spitze und mindestens bei einem anderen am Schluss. Im einen oder anderen Bereich habe jede der Städte für die Zukunft noch «signifikantes Verbesserungspotenzial», schliessen die Verfasser der Studie daraus.
Top ist St.Gallen in der Sozial- und Integrationspolitik. Bei der Integration von Flüchtlingen und Stellensuchenden leistet die Stadt gute Arbeit. Positiv ins Gewicht fiel beim Avenir-Suisse-Ranking auch der Rückgang der Sozialhilfequote von 2007 bis 2016, der unter anderem auf die konsequente Bekämpfung von Missbräuchen zurückgeführt wird.
Aufs Podest, nämlich auf den dritten Platz, schafft es St.Gallen bei der Wirtschaftsfreundlichkeit. Obwohl die Stadt als Unternehmensstandort mässig beliebt sei, entwickelten sich Arbeitsplätze und Steuerkraft ordentlich, heisst es im Ranking. Wesentlich für die Platzierung ist das rasche Baubewilligungsverfahren.
Auf dem vierten Platz landet St.Gallen im Bereich Städtebau und Wohnungsmarkt. Letzterer funktioniere sehr effizient, das Angebot weite sich immer noch moderat aus. Die vergleichsweise langen Wege zum Lebensmittelladen, zum Restaurant, zur Volksschule, zur Arztpraxis oder zum Altersheim waren ausschlaggebend dafür, dass es keine bessere Rangierung gab.
Überraschend schlecht schneidet St.Gallen bei Kultur und Freizeit ab. Dies liegt vor allem am Verzicht auf die systematische Erhebung des Kostendeckungsgrades bei unterstützten Institutionen. Und, linke Kulturpolitiker wie Etrit Hasler wird’s freuen, Avenir Suisse bemängelt, dass die Mittel für die freie Kulturförderung bescheiden sind; zu viel Geld ist an die etablierten Häuser gebunden.
Nur auf Platz sieben landet St.Gallen im Bereich Verwaltung. Zwar wird die Motivation der Angestellten gelobt, stark negativ ins Gewicht fallen aber die Entwicklung der Verwaltungskosten und der tiefe Auslagerungsgrad der städtischen Betriebe. Letzteres ist nicht zuletzt durch ein wuchtiges Nein des Stimmvolks vor ein paar Jahren zur Ausgliederung der VBSG bedingt.
«20 Jahre Schweizer Stadtpolitik»
Die komplette 196-seitige Studie ist
im Internet abrufbar unter www.avenir-suisse.ch.