Der Frühling kommt nur zögernd. Manche suchen deshalb Licht und Wärme im Solarium. In St. Gallen locken Studios Kunden mit Geräten, die nicht nur bräunen, sondern auch die Gesundheit fördern sollen. Diese Strategie birgt Risiken.
ST.GALLEN. In Australien sind Solarien verboten. In Frankreich tritt 2017 ein Verbot in Kraft. Im Gegensatz dazu hat Andy Allenspach für sein Sonnenstudio Sun World in St. Gallen kürzlich neue Geräte gekauft. Er wirbt mit «den allermodernsten Solarien der Schweiz». Allenspach betreibt acht Studios, sechs davon in der Ostschweiz. Wie viele Solarien es in St. Gallen gibt, dazu hat der Gewerbeverband der Stadt keine Informationen. Einerseits verfügen mehrere Fitnessstudios über Solarien, andererseits gibt es in St. Gallen weitere Sonnenstudios wie das von Andy Allenspach an der Bahnhofstrasse 5.
Vom Eingangsbereich führen Türen in die fünf Kabinen mit je einer Sonnenbank. Personal gibt es nicht. Im Vorraum wird auf Tafeln erklärt, welcher Hauttyp wie lange ins Solarium darf. Wer Hauttyp eins hat, also sehr helle und empfindliche Haut, dem wird von einem Besuch abgeraten. Für alle anderen bestehe keine Gefahr, wenn sie maximal einmal pro Woche für zehn bis 15 Minuten ins Solarium gingen, sagt Allenspach. Vor 30 Jahren sei das vielleicht noch anders gewesen. Heute kämen auch Ärzte in sein Studio. «Solarien helfen gegen Winterdepression und Vitamin-D-Mangel», sagt der Studiobetreiber.
Der Dermatologe und Venerologe Daniel Zuder aus St. Gallen sieht das anders. Um die Winterdepression zu behandeln, seien Solarien ungeeignet, sagt er. Als Ursache für diese Art der Depression gilt die geringe Intensität des Sonnenlichts in den Wintermonaten. Dagegen helfe die Aufnahme von Licht über die Netzhaut im Auge, sagt der Dermatologe. Das Licht der Sonnenbank sei für das Auge indes schädlich. Zuder empfiehlt deshalb eine Lichttherapie mit speziellen Geräten.
Zur Auswirkung von Solarien auf den Vitamin-D-Mangel laufen derzeit medizinische Studien. «Einige Ärzte behaupten, für eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D im Winter wäre ein zweiwöchentlicher Besuch im Solarium notwendig», sagt Zuder. Er findet hingegen die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten viel unproblematischer. «Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es gibt nur Solarien mit mehr oder weniger schädlichen Effekten für die menschliche Körperhülle.»
Auch die Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie warnt vor Solarien: Die Strahlen führten zu einer raschen Hautalterung und Faltenbildung und mit der Zeit zu Hautkrebs. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schreibt auf seinen Internetseiten, wer ein Bräunungsgerät benutze, müsse sich über diese negativen Folgen im klaren sein.
Gemäss einer Studie des BAG aus dem Jahr 2010 zur Solariumnutzung in der Schweiz haben 38 Prozent der Einwohner schon einmal ein Solarium besucht. Und acht Prozent nutzten Solarien aktiv – primär aus ästhetischen Gründen.
Der Wunsch nach Bräune hat Tradition. Der Historiker Niklaus Ingold hat ein Buch geschrieben mit dem Titel «Lichtduschen. Geschichte einer Gesundheitstechnik, 1890–1975». «Ultraviolett-Bestrahlungs-Apparate gehören wie Kochplatten und Bügeleisen zu den ersten elektrischen Konsumgütern», sagt Ingold. Den ersten kommerziell erfolgreichen Ultraviolett-Strahler entwickelte die Quarzlampen-Gesellschaft Hanau um das Jahr 1910 – mit Medizinern. Die Speziallampe hiess «Künstliche Höhensonne». «Eine Anspielung an die Sonnenkuren in Schweizer Gebirgssanatorien», sagt Ingold. Die medizinischen Lichtbehandlungen machten den gebräunten Teint zu einem Merkmal gesunden Aussehens.
Diese Entwicklung begünstigte nach dem Ersten Weltkrieg den Aufstieg der Sonnenbräune zum begehrten Schönheitsmerkmal in westlichen Gesellschaften. «Und das Bräunen der Haut wurde zu einem lukrativen Geschäftsfeld», sagt Ingold. 1975 entstand schliesslich die erste elektrische Sonnenbank. Bis heute werden die Modelle stetig weiterentwickelt.