Eine Diskussion über das städtische Mobilitätskonzept 2040 förderte die alten verkehrspolitischen Gräben zutage. Einig war man sich, dass die Verkehrsprobleme gelöst werden müssen. Beim Wie gingen die Meinungen auseinander.
Mit dem Mobilitätskonzept 2040 will die Stadt ihre Verkehrszukunft aufgleisen (Tagblatt vom 31. Oktober 2015 und vom 5. November 2015). Doch welchen Wert hat das Papier samt dem knapp 30seitigen Katalog von Zielen und Massnahmen? Ist es geeignet, die Verkehrsprobleme auf lange Sicht zu lösen? Solche und andere Fragen diskutierten verschiedene Teilnehmer am «PoliTisch» der städtischen FDP am Montagabend im Hofkeller.
Gerade in Grundsatzfragen waren sich die beiden Lager selten einig. Und bald öffneten sich die alten verkehrspolitischen Gräben: Auf der einen Seite die Gegner jeglicher Einschränkungen für Autofahrer, auf der anderen die Befürworter solcher Massnahmen. So sagte Marcel Aebischer, Präsident der TCS-Regionalgruppe St. Gallen und Umgebung, der Autoverkehr werde vernachlässigt. Und FDP-Stadtparlamentarier Roger Dornier wiederholte den Vorwurf, das Mobilitätskonzept sei nicht visionär. Es gehe kaum auf mögliche Verkehrsformen der Zukunft wie etwa autonomes Fahren ein und berücksichtige die Entwicklung der Stadt zu wenig.
Stadtrat Peter Jans widersprach dieser Kritik. Der Zweck des Konzepts sei in erster Linie, Ziele zu formulieren, die realistisch und umsetzbar seien. Für den Zeithorizont von rund 25 Jahren sei der Massnahmenkatalog «sehr ehrgeizig». Es gehe auch nicht darum, den Autoverkehr zu reduzieren, sondern zu stabilisieren.
Dornier erwiderte, dass gerade von einem auf so lange Zeit ausgelegten Konzept mehr zu erwarten sei. Denn bereits in 10 bis 15 Jahren werde es eine «radikale Veränderung unserer Mobilität» geben, die sich auch auf die Strasseninfrastruktur auswirken werde. Man müsse auch über die Verlegung einzelner Verkehrsteilnehmer in den Untergrund nachdenken, gerade im Stadtzentrum. So schlug Dornier eine Unterführung für Autos beim Fussgängerstreifen am Oberen Graben zwischen der Multergasse und der Vadianstrasse vor.
Doris Königer, SP-Stadtparlamentarierin und Co-Präsidentin der VCS-Sektion St. Gallen-Appenzell, wies darauf hin, dass Rampen für die unterirdische Verkehrsführung viel Platz brauchten und den ganzen innerstädtischen Strassenraum beeinträchtigen würden.
Gegenstand der Diskussion war auch die Finanzierbarkeit solcher «visionärer» Projekte. Roger Dornier sprach von einem «Denkverbot»: Man sage von vornherein, ein Projekt sei nicht finanzierbar, und ersticke so eine Diskussion darüber im Keim. «Es geht doch gerade darum, das Unmögliche zu denken.»
Peter Jans entgegnete, dass schon das derzeitige Investitionsvolumen der Stadt von jährlich rund 60 Millionen nicht ausreiche, um sämtliche anstehenden Projekte zu verwirklichen. «Da müssen wir gar nicht über Projekte wie neue Tunnel unter der Stadt nachdenken, die kaum bezahlbar wären.» Deshalb sei die Verlagerung vom Auto auf andere Verkehrsmittel wie Bus oder Velo anzustreben.
Ein weiteres Thema der Diskussion war die Frage, ob eine Plafonierung des Autoverkehrs auf dem heutigen Niveau realistisch sei. Marcel Aebischer sagte, es sei ihm nicht klar, wie man mit den vorgesehenen Massnahmen einen Paradigmenwechsel herbeiführen könne. «Jene, die mit dem Bus oder mit dem Velo zur Arbeit fahren wollen, tun das bereits.»
Doris Königer nannte hingegen Arbeitsmodelle wie Homeoffice oder raumplanerische Massnahmen wie Verdichtung («Stadt der kurzen Wege») als Möglichkeit, das Verkehrswachstum zu bremsen. Und Daniel Rüttimann, Stadtparlamentarier der Grünliberalen, forderte eine bessere Infrastruktur für den Velo- und Langsamverkehr.
Eine radikale Veränderung werde es nicht geben, sagte Peter Jans. Vielmehr gehe es darum, an den verschiedenen Schrauben im Verkehrssystem zu drehen und so die gewünschte Wirkung zu erzielen. «Auch wenn das wenig visionär ist.»