Rückkehr der Zirkus-Veteranen

Am Samstag treffen sich am «Pic-o-Pello»-Fest die Artisten des gleichnamigen Gassenzirkus von 1975. Sie schauen mit Zeitdokumenten zurück auf die originelle Bürgeraktion, welche sich damals gegen die Abbruchpläne der Stadt richtete.

Ralf Streule
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1975 im «Circus Pic-o-Pello»: Direktor Heinz Müller moderiert eine Zirkusnummer. (Archivbild: Regina Kühne)

1975 im «Circus Pic-o-Pello»: Direktor Heinz Müller moderiert eine Zirkusnummer. (Archivbild: Regina Kühne)

«Kraftmensch Erich» trägt einen getigerten Lendenschurz. Auf dem schwarzweissen Bild schickt er sich an, eine Kette zu sprengen, die um seinen Oberkörper gelegt ist. Daneben ein Feuerspucker, ein Seiltänzer, ein Esel-Dompteur, ein Veloartist. Und eine Seite weiter vorne ein bekannter Name: Michael Hüppi, heutiger Präsident des FC St. Gallen, spielte in der «Pic-o-Pello»-Band Trompete.

Verein ruft Zirkus in Erinnerung

Der Blick in das Programmheft des «Circus Pic-o-Pello» lässt erahnen, welches Spektakel 1975 auf dem Platz vor dem Restaurant Splügen geboten wurde. Dass die Erinnerungen an den originellen Gassenzirkus nicht verblassen, haben alteingesessene St. Galler vor einigen Jahren den Verein «Pic-o-Pello» gegründet. Für das diesjährige «Pic-o-Pello»-Fest vom Samstag plant der Vorstand ein eigentliches Zirkus-Revival.

Die Vorstandsmitglieder Walter Eggenberger, Heinz Studer und Sam Owadia, Wirt im Restaurant Splügen, haben dafür den damaligen Zirkusdirektor Heinz Müller kontaktiert. Dieser hat sich auf die Suche nach den Zirkus-Veteranen gemacht. «Rund 70 Personen habe ich angeschrieben», sagt Müller. Neben dem Treffen stehe der gemeinsame Blick zurück im Zentrum.

Auf einer Grossleinwand werden alte Bilder, Zeitungsausschnitte und wenn möglich ein rund viertelstündiger Bericht des Schweizer Fernsehens gezeigt. Die Dokumente rufen in Erinnerung, dass der Zirkus weit über die Stadtgrenzen als politische Bürgeraktion hohe Wellen geworfen hatte.

Bürger wehren sich artistisch

Denn das Quartier war zu dieser Zeit in Gefahr: Die Behörden hatten in den Jahren zuvor mehrere Liegenschaften im Quartier gekauft, langfristiges Ziel war der Abbruch der Häuser und der Bau einer Schnellstrasse.

Als ein erstes Haus an der Wallstrasse abgebrochen wurde, entstand neben dem Restaurant Splügen ein Platz. Der damals von einer internationalen Tournée zurückgekehrte Richard Hirzel alias Clown Pic schmiedete den Plan, genau diesen Platz zu bespielen. Und zwar nicht alleine, sondern mit interessierten St. Gallerinnen und St. Gallern, die sich fürs Quartier einsetzen wollten.

So wurde der Platz im Sommer 1975 für einen Monat lang zur Manege, die Häuser rundherum zur Kulisse des «Circus Pic-o-Pello». Die Aktion wurde weitherum als eigentliche Kulturrevolution wahrgenommen. Sie half schliesslich auch mit, die städtischen Pläne abzuwenden. Die Schnellstrasse wurde nie gebaut, die Häuser rund um den Platz stehen noch heute. Vor fünf Jahren wurde der Ort zudem offiziell zum «Pic-o-Pello»-Platz.

Mit «Pello», ohne «Pic»

Wenn sich am Samstag die ehemaligen Dompteure und Clowns treffen, werden sie sich diese Geschichte erzählen. Leider werde einer der Hauptfiguren nicht anwesend sein, sagt Müller. «Pic weilt in Südfrankreich.» Dafür komme der Aargauer Clown «Pello», der zweite Namensgeber des Zirkus. Und sonst? «Lassen wir uns überraschen», sagt Müller. Auch er wisse nicht genau, wer alles vorbeischauen werde.

2010 auf dem Pic-o-Pello-Platz: Der damalige «Pic-o-Pello»-Zirkusdirektor Heinz Müller, flankiert von Walter Eggenberger (links) und Splügen-Wirt Sam Owadia, beides Mitglieder des Vereins «Pic-o-Pello». (Bild: Hanspeter Schiess)

2010 auf dem Pic-o-Pello-Platz: Der damalige «Pic-o-Pello»-Zirkusdirektor Heinz Müller, flankiert von Walter Eggenberger (links) und Splügen-Wirt Sam Owadia, beides Mitglieder des Vereins «Pic-o-Pello». (Bild: Hanspeter Schiess)