Die Kandidatinnen und Kandidaten für die Stadtratswahlen sind gesetzt. Neun Personen kämpfen im Herbst um fünf Sitze. Für Wahlbeobachter Bruno Eberle haben die Parteien schlecht gearbeitet: Die neuen Kandidaten seien zu wenig bekannt.
Gefragt nach einer generellen Einschätzung des Kandidatenfelds für die Stadtratswahlen, spricht Bruno Eberle klare Worte: «Die Arbeit der Parteien ist enttäuschend.» Für den St. Galler Politexperten und ehemaligen Stadtparlamentarier haben es vor allem die CVP und die SP versäumt, ihre Kandidaturen von langer Hand zu planen. «Eine Vorbereitung oder ein langfristiger Aufbau der Kandidierenden ist nicht zu erkennen», sagt Eberle. Früher hätten die Parteien bessere Arbeit geleistet und ihre Kandidaten über mehrere Jahre hinweg aufgebaut.
«Die CVP etwa hätte Patrizia Adam-Allenspach vor zwei Jahren zur Fraktionspräsidentin machen müssen», führt Eberle aus. Ausserdem hätte die Partei ihre Kandidatin in den lokalen Medien stärker positionieren sollen. «Die Stadtratswahlen sind Personenwahlen. Deshalb müssen die Kandidaten bei den Wählern bekannt sein.» Aus diesem Grund schmunzelt Eberle auch über das Zweierticket der SP, «die mit einer PFG-Frau und einem ehemaligen LdU-Politiker aus Gossau antritt». Eberles Erklärung für die «Verlegenheitskandidaten»: Der Rücktritt von Elisabeth Beéry ist für die SP überraschend gekommen, der Erfolg bei den Ständerats- und den kantonalen Wahlen im letzten Herbst hat die Personaldecke der Partei zudem geschmälert.
Experte Eberle fragt sich ausserdem, ob sich die SP mit ihrem Zweierticket tatsächlich einen Gefallen macht. «Mit der Doppelkandidatur verliert die SP wohl Stimmen aus dem bürgerlichen Lager.» Einen Sitz würden die Bürgerlichen der Linken zugestehen, zwei hingegen nicht. «Rechtskonservative Wähler werden aus Furcht vor einem linken Doppelmandat gar keinen SP-Kandidaten wählen.» Stattdessen unterstützten bürgerliche Wähler die «eigenen» Kandidatinnen und Kandidaten.
Für die beiden bürgerlichen Parteien CVP und FDP stehen laut Eberle die Chancen ohnehin gut, ihre Kandidaten in den Stadtrat zu bringen. «Sie werden es nicht öffentlich aussprechen, aber die Parteien dürften sich wohl wie bei der Ersatzwahl 2006 gegenseitig unterstützen.» Dass die bisherigen Scheitlin, Brunner (beide FDP) und Cozzio (CVP) wiedergewählt werden, ist für Eberle so gut wie sicher. Und funktioniere das CVP-FDP-Päckli, dann werde wahrscheinlich auch Patrizia Adam-Allenspach gewählt.
Liegt Eberle richtig, dann sind vier Stadträte bereits gesetzt. «Für den fünften Sitz rechne ich mit einem zweiten Wahlgang.» In diesem Fall werde es wohl einen Kampf zwischen SP und SVP geben. Wie vom Zweierticket der SP ist Bruno Eberle auch von SVP-Kandidat Markus Straub nicht überzeugt. «Er ist zwar ein guter Typ und kein SVP-Scharfmacher.» Seine bisherigen Versuche, in ein Exekutivamt gewählt zu werden, seien jedoch alle gescheitert. «Es ist fraglich, ob Straub das Rüstzeug für ein solches Amt hat.» Der Kampf um den fünften Sitz werde für eine der beiden Parteien im Desaster enden. «Entweder fliegt die SP aus dem Stadtrat. Oder die SVP als stärkste kantonale Partei schafft es wieder nicht in die Regierung der Hauptstadt.»
Zu den beiden «wilden» Kandidaten, dem parteilosen Markus Buschor und Christian Hostettler, der für die neu gegründete Unabhängige Volkspartei antritt, sagt Eberle: «Sie haben nicht den Hauch einer Chance.» Zwar würden wohl beide einige Sympathiestimmen holen, trotzdem seien der Mitte-Links-Kandidat Buschor und der rechtskonservative Hostettler für die entsprechenden Parteien keine Gefahr.