In der Verkehrspolitik vertreten die Kandidierenden für den vakanten Stadtratssitz häufig unterschiedliche Positionen. Das zeigte sich am Podium des VCS. Diskutiert wurden auch schräge Ideen.
Die Verkehrspolitik ist seit Jahren ein Dauerbrenner in der Stadt St. Gallen. Und bei kaum einem anderen Thema gehen die Meinungen so stark auseinander. Vor dem zweiten Wahlgang für den vakanten Stadtratssitz vom 26. November lud die St. Galler Ortsgruppe des Verkehrsclubs der Schweiz (VCS) am Montagabend in den Katharinensaal zu einer Diskussion über Verkehr und Mobilität mit den drei Kandidaten Sonja Lüthi (Grünliberale), Boris Tschirky (CVP) und Roland Uhler (Schweizer Demokraten). Vor knapp 30 Besucherinnen und Besuchern stellten sie sich den Fragen von «Tagblatt»-Stadtredaktor Luca Ghiselli. Und schon bald zeigte sich, dass auch sie in vielen Fragen sehr gegensätzliche Positionen vertreten.
So sprach sich Sonja Lüthi für einen Ausbau der Busverbindungen insbesondere zu Randzeiten und in Randgebieten aus, während Tschirky gegen einen generelle Ausweitung des ÖV-Angebots, sondern für «punktuelle Verbesserungen» plädierte. Diskutiert wurde auch die Frage, ob Stadt und Kanton mit dem Entscheid, das Tram vorerst nicht wieder einzuführen, eine Chance für die Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs vergeben hätten. Lüthi bedauerte diesen Entscheid, zumal es auch Tramlösungen ohne Schienen gebe. Roland Uhler meinte hingegen, dass ein Tram nicht die geeignete Lösung sei, da es strassengebunden wäre und deshalb im Verkehr «ersticken» würde. Er brachte eine andere Idee ins Spiel: Wenn man schon so viel Geld in den ÖV investiere, müsse man weg von der Strasse. Es gebe zwei Lösungen: Eine U-Bahn, die jedoch «sackteuer» wäre, oder eine Hochbahn. Tschirky gab jedoch zu bedenken, dass diese rein aus städtebaulicher Sicht kaum realisierbar wäre – «auch wenn es für Touristen interessant sein könnte, auf Höhe der Kathedrale zu schweben».
Auch bei der Förderung des Langsamverkehrs waren sich die Kandidierenden nicht immer einig. Sonja Lüthi forderte etwa, eine zusätzliche Stelle in der Verwaltung für die Umsetzung der Massnahmen aus dem 2. Agglomerationsprogramm zu schaffen. Der geringe Veloanteil am städtischen Gesamtverkehr sei auch darauf zurückzuführen, dass es zu wenige und zu unsichere Velowege gebe und die Stadt zu wenig dagegen mache, weil die personellen Ressourcen fehlten. Boris Tschirky kritisierte hingegen den «Bürokratismus», der die Umsetzung einfachster Massnahmen um mehrere Monate verzögere. Er sei aber nicht dagegen, eine weitere Stelle zu schaffen, wenn der Bedarf dafür ausgewiesen sei. Roland Uhler wehrte sich dagegen: «Je mehr man den Verwaltungsapparat aufbläst, desto weniger kommt dabei raus.»
Zur Sprache kamen in der Folge auch der Autoverkehr und raumplanerische Aspekte, etwa autofreie Siedlungen. Während Tschirky und Lüthi diese befürworteten, wendete Uhler ein, die Leute würden dann einfach in der Nachbarschaft parkieren. Apropos parkieren: Tschirky antwortete auf eine Frage von VCS-Co-Präsidentin Doris Königer, die oberirdischen Parkplätze an der Bahnhofstrasse brauche es aus seiner Sicht nicht – sie könnten ersatzlos aufgehoben werden.
Uhler äusserte derweil sein Dilemma zur Mobilitäts-Initiative: «Ich bin gegen sie, aber ob man will oder nicht, muss man Ja sagen.» Inzwischen seien so viele Geschäfte an der Peripherie, dass einem keine andere Wahl bleibe, als das Auto zu nehmen.
David Gadze