Sie hat für die Primarschule Wittenbach gelebt: Die Schulpräsidentin vor ihrem letzten grossen Auftritt

Zwölf Jahre lang leitete Ruth Keller die Primarschulgemeinde Wittenbach. Heute Abend führt sie ihre letzte Versammlung.

David Grob
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Ruth Keller blickt zurück. Auf zwölf Jahre als Schulpräsidentin und 21 Jahre im Schulrat. (Bild: Lisa Jenny)

Ruth Keller blickt zurück. Auf zwölf Jahre als Schulpräsidentin und 21 Jahre im Schulrat. (Bild: Lisa Jenny)

Draussen tollen Kindergärtner herum, warten auf den Beginn der Nachmittagsstunden. Drinnen, im zweiten Stock der Schulverwaltung, empfängt Ruth Keller. Noch leitet sie Lehrpersonen und Schulkinder, noch ist sie die Schulratspräsidentin Wittenbachs. Ende Jahr tritt sie ab. Nach 12 Jahren an der Spitze und 21 Jahren im Schulrat.

Keller, 53, schick in schwarz gekleidet, silberne Halskette, wirkt bei der Begrüssung herzlich, aber etwas skeptisch. Das Gespräch bedeutet für sie auch einen Rückblick auf stürmische Zeiten. Zeiten der Diskussionen mit der Politischen Gemeinde. Um die Sanierung der Turnhalle Kronbühl 2012, um den Neubau des Schulhauses Sonnenrain, um die Einheitsgemeinde.

Die Vergangenheit ruht nicht

Keller führt ins Sitzungszimmer, in einer Ecke stehen bemalte Kinderfiguren aus Karton, einzelne Farbkleckse im ansonsten kargen Raum. Vor ihr liegt ein Blatt mit einem fein säuberlich gezeichneten Mind Map. Bei der Terminvereinbarung einige Tage zuvor hat sie nach den Themen des Gesprächs gefragt. Jetzt finden sich diese in den einzelnen Ästen. 21 Jahre auf einem Blatt Papier.

Keller sagt: «Ich möchte die Vergangenheit ruhen lassen.» Und trotzdem tritt die Vergangenheit im Gespräch schneller als geplant an die Oberfläche. Keller seufzt kurz, als das Schulhaus Sonnenrain angesprochen wird, das derzeit gebaut wird. Der Neubau ist gleichzeitig Vermächtnis und war Streitpunkt in ihrer Amtszeit.

«Es gibt nicht viele Schulpräsidentinnen, die in ihrer Amtszeit ein Schulhaus bauen können.»

Sie sagt aber auch: «Es war anstrengend.» Ein Konflikt mit der politischen Gemeinde lähmte das Projekt. Die Primarschule brauchte mehr Platz für die Schulkinder – der politischen Gemeinde fehlte aber das Geld. Das Ja der Stimmbevölkerung zum Schulhausneubau vor rund drei Jahren war eine Erlösung für Keller. Sie sprach damals gegenüber dieser Zeitung von vorgezogenen Weihnachten.

Der Konflikt zwischen Gemeinde- und Schulrat wirkte nach, belastete die Zusammenarbeit, blockierte die Zusammenführung der politischen Gemeinde mit derjenigen der Primarschule in die Einheitsgemeinde. Für diese setzt sich jetzt auch Keller ein, nun, da der Schulhausbau läuft.

«Es ist der beste Job der Welt»

Genug der Konflikte, genug der Dramen – was hat sie motiviert, sich drei volle Amtszeiten für die Schule einzusetzen? «Es ist die schönste Arbeit der Welt», sagt Keller schlicht. Sie erzählt davon, wie sie sich als Motivatorin verstand, wie sie Schulbesuche bei allen Lehrern abstattete, von ihrer Vision einer Schule, in der die Kinder gerne lernen und die Lehrer gerne unterrichten. Und sie wird kurz emotional. Ja, Wehmut sei sicher dabei, jetzt nach 21 Jahren, sagt Keller. Ihre Stimme bleibt fest, kein Zittern ist später in der Tonaufnahme zu hören, doch ihre Augen werden feucht, immer wieder fährt sie sich mit den Fingern über die Wimpern, später steht sie kurz auf, holt ein Taschentuch, um sich die Augen zu trocknen.

Sie kennt jeden Namen von Schülern und Lehrpersonen

Das erste Wort, das Ruth Keller einfällt, als sie sich selber beschreiben soll, ist der Begriff «menschenliebend». Den gleichen Begriff verwendet auch Elisabeth Bänziger, Schulleiterin, und seit 15 Jahren Lehrperson in Wittenbach. «Sie kennt jeden Namen und interessiert sich für Persönliches der Lehrpersonen.» Gleichzeitig sei sie sich ihrer politischen Aufgabe und Verantwortung stets bewusst gewesen. Ihr Interesse für ihre Mitmenschen zeigt sich auch gegen Ende des Gesprächs. Keller kehrt die Interviewsituation kurz um, stellt Fragen, hört zu, interessiert sich.

Ein ähnliches Bild zeichnet auch Bruno Brovelli, seit 15 Jahren Gemeinderat in Wittenbach: das Bild einer verlässlichen, überlegten Präsidentin, die sich vehement für die Belange der Schule eingesetzt hat. «Ruth Keller hat für die Primarschule Wittenbach gelebt», sagt Bruno Brovelli.

Zehn Minuten später, kurz vor der Verabschiedung, dringen nochmals kurz Emotionen durch. «Mir ist klar geworden, dass es zu Ende geht.» Die anfängliche Skepsis ist Wehmut gewichen. Heute Abend an der Bürgerversammlung hat Keller ihren letzten öffentlichen Auftritt als Schulpräsidentin. Ein Plädoyer für die Kinder hat sie im Gespräch bereits angekündigt.

«Kleine Einheitsgemeinde»

Die Schulbürgerversammlung findet am Montagabend, 20 Uhr, in der Aula des Oberstufenzentrums Grünau statt. Um 20.30 Uhr geht es weiter mit der Bürgerversammlung. In Zukunft könnten die beiden Versammlungen zu einer werden. Die Schulbürger entscheiden nämlich über die «kleine Einheitsgemeinde», also die Eingliederung der Primarschul- in die Politische Gemeinde. (dar)