Die Stadt hat einen Orientierungslauf für Schüler digitalisiert. Er könnte bald touristisch genutzt werden.
Die Kunst des Kartenlesens zu beherrschen, ist heute nicht mehr nötig. Es gibt schliesslich Google Maps. Doch was, wenn der Akku des Handys leer ist und man ohne Zugriff auf den digitalen Kompass im Nirgendwo steht? Sinnvoll, dass Schulen Mädchen und Buben noch immer beibringen, wie sie den Weg anhand der guten alten Papierkarte finden. Sie schicken sie auf Orientierungslauf.
Ganz ohne Technik geht es aber doch nicht mehr: Die Dienststelle Sport setzt auf eine digitale Lösung. Rund um den Stadtpark und die Kreuzbleiche entdecken aufmerksame Passanten nun kleine Tafeln. Fixcontrol nennt sich das System, das in der Orientierungslaufszene anerkannt ist, wie Roman Bottlang, Leiter Marketing und Event der Dienststelle Sport, sagt.
Es funktioniert so: Die Lehrer können aus verschiedenen Routen und Karten wählen oder sich mithilfe einer Software eigene Strecken zusammenstellen. Sie händigen Schülerinnen und Schülern dann eine Karte mit eingezeichneten Posten aus, die Jugendlichen laufen sie an und scannen die Tafel mit einem Lesegerät. «So erfährt die Lehrperson, dass die Station gefunden worden ist», erklärt Bottlang. Am Schluss zählen Postenanzahl und Zeit, wie früher. Anders als früher:
«Man muss nicht mehr Posten ausstecken und eine Wache für jede Station auftreiben. Ein Orientierungslauf ist nun spontan und mit wenig Aufwand möglich. Das bereichert den Sportunterricht.»
Die Kantonsschule, die Gewerbeschule und die Oberstufenklassen der städtischen Schule nutzen das neue Orientierungslaufsystem, die Schulen und die Stadt haben sich an den Kosten beteiligt. Die Dienststelle Sport unterhält Fixcontrol. «Wenn eine Tafel kaputt geht oder an einem Posten der Aufkleber zum Einlesen fehlt, kümmern wir uns darum», sagt Bottlang.
Bald schon könnte Fixcontrol nicht nur den Orientierungssinn von Schülern verbessern, sondern auch jenen von Touristen. «Das System lässt sich nämlich auch mit QR-Codes und Handy bedienen. Wir überlegen deshalb, das System in Richtung Innenstadt auszudehnen und die Tafeln dort mit touristischen Informationen zu hinterlegen», sagt Bottlang. Und nennt gleich Ideen: Weshalb die Stadt nicht auf einer Route Vadian, einer Route Gallus oder einer Route Brunnen kennenlernen? Gespräche mit Vertretern des Tourismus hat die Dienststelle Sport noch nicht geführt, zuerst will sie mit der schulischen Nutzung Erfahrungen sammeln.
Der St.Galler Tourismusprofessor Christian Laesser sähe in einem touristischen Orientierungslauf einen Mehrwert für die Stadt. «Mit solchen Trails kann man St.Gallen aus verschiedenen Perspektiven besichtigen. Und sie anders erleben.» Hinzu komme, dass die Gamification, das digitale Spiel, auch den Tourismus erobere. Als Beispiel führt Laesser die App Laax Inside an, mit welcher die Nutzer unter anderem Fahrzeit und zurückgelegte Höhenmeter vergleichen.
«Dieser Wettbewerb lässt ein Gemeinschaftsgefühl entstehen.»
Auch St.Gallen-Bodensee-Tourismus würde den neuen Rundgang begrüssen. Tobias Treichler, Leiter Marketing und Kommunikation:
«Wir sind für neue Trails jeglicher Inhalte offen, sofern sie bestehende Stadtführungen nicht konkurrenzieren.»
Einziger Schwachpunkt: QR-Codes seien in der Branche umstritten. «Die Konsumenten sind bisher nicht aufgesprungen.» Ein jüngeres, digitalaffines Publikum liesse sich mit dem Angebot jedoch bestimmt erreichen. Treichler: «Geschichten und Unterhaltung rund um die Stadt sind immer gefragt.»
Auch der Textilweg führt Touristen anhand von (gestickten) QR-Codes durch die Stadt. Die Gäste scannen die Codes mit dem Smartphone und erhalten Informationen zu bedeutenden Textilbauten direkt aufs Handy. Nur eine der vielen Möglichkeiten, St.Gallen näher zukommen. Wer die Stadt auf eigene Faust, aber dennoch angeleitet entdecken will, hat die Qual der Wahl. Auf dem Foodtrail etwa löst man Rätsel und degustiert Spezialitäten.
Der Foxtrail folgt fünf Fährten eines Fuchses, auf Wunsch auch durch viel Natur. Spürnasen finden am Ende des Detektivwegs eine Schatztruhe. Der Spielweg führt zu 60 Spielorten. «Die Gäste lassen sich immer noch gerne führen, ob in der einen oder anderen Form», sagt Tobias Treichler von St.Gallen-Bodensee-Tourismus. Und liefert Zahlen dazu: Seit Jahresbeginn sind der Foodtrail 443 Mal und der Detektivweg 330 Mal gebucht worden. 1241 Menschen haben an einer klassischen Stadtführungen teilgenommen. Gute Zeiten also für einen zusätzlichen Trail. (dbu)