STEINACH: Fahrende aus Frankreich kommen mit Luxuskarossen nach Steinach

Auf einem Parkplatz nahe der Kantonsgrenze haben sich Fahrende aus Frankreich niedergelassen. Nebst Wohnmobilen haben sie auch Luxusautos dabei. Das ist nichts Ungewöhnliches, sagt ein Experte.

Martin Rechsteiner
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Ein Bentley und verschiedene Mercedes-AMG-Modelle gehören zum Fuhrpark der Familie. (Bild: Martin Rechsteiner)

Ein Bentley und verschiedene Mercedes-AMG-Modelle gehören zum Fuhrpark der Familie. (Bild: Martin Rechsteiner)

Martin Rechsteiner

martin.rechsteiner@tagblatt.ch

Die Frühlingssonne brennt mit bereits viel Kraft auf den Parkplatz in Steinach, gleich beim Kreisel an der Aach. Entlang dem Rand des Platzes reihen sich rund 20 Wohnwagen. Fahrende haben sich hier vor rund einer Woche niedergelassen. Zwischen den Wagen rennen spielende Kinder umher, Frauen kochen und hängen Wäsche auf.

Der Chef sei zwar nicht da, Bilder machen für die Zeitung sei aber kein Problem, heisst es. «Wir kommen aus dem französischen St. Louis, im Dreiländereck in der Nähe von Basel», sagt ein junger Mann, wohl noch keine 20 Jahre alt. Die ganze Familie, etwa hundert Leute, sei für einen Monat hier. «Zu Hause sind Ferien. Wir sind zum ersten Mal in der Schweiz», behauptet er. Man versuche, etwas Geld zu verdienen mit Arbeit, mit Malen zum Beispiel.

«Haben Sie Geld für Benzin?»

Auf dem Parkplatz geht es friedlich und geordnet zu und her. Nicht ganz ins Bild passen jedoch die vielen Luxusautos, die ebenfalls auf dem Parkplatz stehen – mit deutschen, französischen oder schweizer Kennzeichen. Besonders Mercedes-Modelle aus der Tuningwerkstatt AMG scheinen es der Familie angetan zu haben. «Ja, die sind von uns», sagt der Halbwüchsige.

Einzelnen Familienmitgliedern scheint der Mann von der Presse mit seiner Kamera aber auf einmal doch nicht mehr so geheuer zu sein. Bilder schiessen ist plötzlich verboten, einen Zeitungsbericht schreiben erst recht – weshalb, ist unklar. Nicht mehr ganz so freundlich fordern sie zum Gehen auf. Aber nicht, ohne vorher noch um Geld zu bitten. «Haben Sie zehn Franken?» Denn eines der Autos mit dem Stern habe eine Panne. «Und kein Benzin», doppelt einer der jungen Männer nach. Man wolle in drei Tagen nach Basel weiterziehen, heisst es nun plötzlich.

«Dass Fahrende über teure Autos verfügen, ist zwar nicht die Regel, aber es kommt vor», sagt Christoph Neuhaus. Er ist Präsident der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende und Berner SVP-Regierungsrat. Er wisse sogar von einer Gruppe, die einen Ferrari zu ihrem Besitz zähle. «Das sind aber Einzelfälle, normalerweise setzen die Familien einfach auf gute Autos mit einem starken Motor, um ihre Wohnwagen ziehen zu können.» Aber natürlich seien schicke Autos Statussymbole, die man auch in den Kreisen gerne zur Schau stelle. Neuhaus hat eine Erklärung dafür, wie sich Fahrende einen solchen Fuhrpark leisten können. «Für sie fällt keine Wohnungsmiete an und sie halten ihre Lebenshaltungskosten tief. Zudem zahlen Fahrende weniger Steuern, da sie nicht fest an einem Ort wohnen. Da läppert sich schon was zusammen.» Weiter seien viele von ihnen geschickte Geschäftsleute und verdienten sich, etwa mit Autohandel, etwas dazu.

Auf den Parkplatz kommt ein Hochhaus

«Die Polizei hat die Leute kontrolliert, mit ihnen ist alles in Ordnung», sagt der Steinacher Gemeindepräsident Roland Brändli. Er selbst habe die Fahrenden auf dem Platz besucht. «Sie sind sehr freundlich und offen, einige Kinder sind gleich freudig hergekommen und haben Hallo gesagt.» Aus der Bevölkerung habe er noch keine Rückmeldungen erhalten. Es sei seines Wissens das erste Mal, dass sich Fahrende auf Steinacher Gemeindegebiet niederliessen. «Klar, sie leben anders als der Durchschnitts-Steinacher, es ist eine ganz andere Kultur», sagt er. «Wir fahren vielleicht zum Campen ins Tessin, und sie leben halt so. Daran ist ja nichts Schlechtes.» Die Menschen seien hergekommen, um mit kleineren Dienstleistungen etwas zu verdienen, sagt der Gemeindepräsident. Seines Wissens hätten sie einen Mietvertrag für drei Monate für den Platz unterzeichnet.

Dass aus dem Parkplatz ein dauerhafter Ort für Fahrende wird, glaubt Brändli jedoch nicht. «An der Stelle ist gemäss Richtplan der Bau eines Hochhauses vorgesehen.»

Die Steinacher Firma Richner AG hat den Fahrenden aus Frankreich den Parkplatz untervermietet. Vom Garagen- und Karosseriebetrieb war gestern für diese Zeitung niemand zu sprechen. Dass ein normaler Mietvertrag für die Fahrenden besteht, ist anzunehmen. Für ihren Abfall steht sogar eine Mulde auf dem Platz, die Stromzufuhr gewährleistet ein Thurgauer Anbieter gegen Bezahlung. Und was ebenfalls anzunehmen ist: Dass die Luxus-Boliden wirklich von den Fahrenden stammen und nicht von der Firma auf dem Platz vergessen worden sind. Vollständige Gewissheit gibt es aber vorerst nicht.