Der Bogenbauer Willi Heuberger tüftelt in seinem «Budeli» an innovativen Skis aus Carbon und Flachs. Sein Forscherdrang brachte ihn an die ETH Zürich und über die Wolken, wo er als Segler beinahe abstürzte.
Jolanda Riedener
Der dünne Stoff lässt nicht erahnen, dass aus ihm Ski, Pfeilbögen oder gar Flugzeuge gebaut werden. Carbon oder Kohlenstofffasern, aus denen Willi Heuberger seine High-Tech-Ski herstellt, könnten aber noch in ganz anderen Bereichen angewendet werden. Davon ist der Unteregger überzeugt. Sein Drang zu forschen und zu tüfteln blitzt in seinem direkten Blick hervor. Das weisse, volle Haar streift er mit seinen Fingern sanft aus dem Gesicht.
Seit über 30 Jahren baut der Bogenschütze einen der besten Pfeilbögen der Welt. Dafür klebt er Carbon Schicht um Schicht zusammen. Nach gleichem Prinzip tüftelt er in seinem «Budeli» seit sieben Jahren an hochwertigen Skis. Inzwischen hat er ein innovatives Produkt geschaffen, das Kenner verblüfft.
Schon früh begeisterte sich der im Züribiet aufgewachsene Willi Heuberger fürs Skifahren. Auf den Ski liess er alle hinter sich, obwohl es passende Ausrüstungen damals ausschliesslich für gross gewachsene Buben gab. Heuberger gehörte schon immer zu den kleineren Männern.
Auch heute ist der sportliche 71-Jährige voller Energie und Erfindergeist. Vor kurzem hat er Flachs mit Karbon verweben lassen und seine neuste Ski-Kreation fertiggestellt. «Ich bin richtig kribblig, ihn auszuprobieren», sagt Heuberger. Wenn er zu erzählen beginnt, ist er kaum zu bremsen. In Untereggen ist der Bogenbauer bekannt, auch wenn er manchmal unterschätzt wird.
Das Fahrgefühl mit einem Willi-Heuberger-Ski sei ein ganz anderes als mit einem herkömmlichen Ski, der zum Beispiel aus Holz und Kunststoff besteht. Dass der Ski so leicht ist, glaubt man erst, wenn man ihn selber in der Hand hält. Für manche Skifahrer sei das eine enorme Umgewöhnung, weshalb einige schon nach der ersten Abfahrt abwinken. «Ich wirke als Coach und leite an, wie sich mein Ski fahren lässt», sagt Heuberger. Das ist ihm wichtig, und dafür nimmt er sich Zeit. Seine Luxus-Ski sprechen wegen des Preises vor allem gut betuchte Kunden an: Ein Paar Willi Heuberger gibt es ab 2000 Franken.
«Wer so reich ist, nimmt meine Arbeit nicht immer ernst», sagt er. Sein Handwerk versteht Willi Heuberger mehr als Kunst denn als Arbeit.
Oft würden die Leute nicht verstehen, was es für ihn bedeute, diese Skis herzustellen. «Es ist mit grossem Arbeitsaufwand verbunden.» Hinzu kämen Wartezeiten, in denen der Ski trocknen muss. Konzentriertes, exaktes Arbeiten sei unerlässlich. «Sie sind wie meine Kinder», sagt Heuberger über seine Ski, von denen er bis jetzt rund 40 Stück hergestellt hat. Mit einem Durchbruch des Ein-Mann-Betriebs rechnet Bogenbauer Willi Heuberger aber nicht. Zu gross ist die den Skirennsport dominierende Konkurrenz.
Bevor sich der leidenschaftliche Skifahrer selbstständig machte, war der gelernte Schreiner in der Luftfahrt tätig. «Ich wollte immer fliegen. Meine Eltern waren aber dagegen», sagt Heuberger. Schliesslich absolvierte er das Segelflugzeug-Brevet und war Lehrer für die Theorieprüfung. «Übers Fliegen habe ich einfach alles wissen wollen», sagt Heuberger. Sein Wissensdurst ist auch heute nicht gestillt.
Auf einem seiner Ausflüge mit dem Segelflieger kam es zu Turbulenzen. In letzter Sekunde konnte er sich und das Segelflugzeug aber noch retten. «Meine Gedanken waren ganz beim Flugzeug. Ich dachte nur: Wie bezahle ich das, wenn es kaputt geht?» Danach hatte Willi Heuberger genug, baute sich ein Segelboot und genoss die Freiheit auf dem Zürichsee. Selbst gebaute Modellflugzeuge steuert er heute vom Boden aus und lässt sie über die Unteregger Hügel gleiten.
Um zu verstehen, welche Materialien sich für Pfeilbögen – oder Ski – eignen, braucht es Wissen sowie im Fall von Willi Heuberger Geduld und Mut, etwas Neues auszuprobieren. «Viele Pfeilbögen gingen kaputt, bevor ich das perfekte Produkt herstellen konnte», sagt Heuberger.
Weil der Bogenbauer den ersten Karbonbogen entwickelte, bekam er von der ETH Zürich einen Lehrstuhl in der Fachrichtung Materialwissenschaften. Die Studenten berechneten die perfekte Form eines Pfeilbogens. Willi Heuberger hat die perfekte Form unterdessen empirisch erprobt. Gemäss Messungen der SRF-Sendung «Einstein» ist Heubergers Bogen schneller als die olympischen Pfeilbögen.
Reich werde er mit den Ski zwar nicht. «Aber wenn mir jemand sagt, dass mein Produkt das Beste ist, das er je gesehen hat, ist das die grösste Freude, die man mir machen kann.»
Bald könnte sich ausserdem die nächste Tür für Willi Heuberger auftun: Der angesehene Geigenbauer Boris Haug zeigte sich interessiert, als ihm Heuberger die Verwendung von Karbon und Flachs für sein Handwerk schmackhaft machte. Verwundern würde es nicht, wenn Heuberger seine Ideen bald auch im Instrumentenbau einbringen und diesen perfektionieren wird.