In der Region haben es Bienen oder Käfer teils schwer, heimische Pflanzen zu finden. Um die Artenvielfalt von Flora und Fauna zu stärken, prüft die Stadtgärtnerei neue Möglichkeiten.
Die Seepromenade in Rorschach gilt als eines der Aushängeschilder der Stadt. Ein kurz geschnittener Rasen und einzelne Blümchen laden zum Verweilen ein. Läuft man an der evangelischen Kirche an der Signalstrasse entlang, ergibt sich für den Betrachter ein anderes Bild: Entlang des Gehwegs sind die Gräser zwar etwa einen Meter vom Rand gemäht, danach strecken sich die Grashalme, Wiesenmargeriten, Löwenzahn oder Klee munter der Sonne entgegen.
Arrangierte Blumenbeete mit Primeln oder Stiefmütterchen sind auf der Wiese nicht zu finden. «Das dient der Biodiversität», sagt Mesner Robert Blattmann, der sich um den Kirchenpark kümmert. «Die Gräser bleiben bis etwa Mitte oder Ende Juni stehen. Erst dann werden sie gemäht.» Die Kirche betreibt dieses Konzept bereits seit 1999.
Doch was genau bedeutet Biodiversität? Unter dem Begriff versteht man die Vielfalt in den Bereichen der Arten, der Lebensräume und der genetischen Vielfalt. In seinem kürzlich veröffentlichen Bericht schreibt der Weltbiodiversitätsrat, dass sich der Zustand der Natur und damit der biologischen Vielfalt drastisch verschlechtert hat. «Bis zu eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht, viele davon bereits in den nächsten Jahrzehnten», heisst es darin. Vor allem wertvolle Ökosysteme seien zunehmend geschädigt.
Besonders von dem Rückgang der Artenvielfalt seien Insekten betroffen. Der Bericht zeigt etwa auf, dass 87,5 Prozent aller Pflanzen von Insekten bestäubt werden. Davon profitieren auch dreiviertel der Nutzpflanzen. In Rorschach haben es Bienen, Hummeln oder Feuerwanze jedoch teilweise schwer, an heimische Pflanzen zu kommen. Die Stadt ist zu sauber.
Vor kurzem wurde an der Mauer der Herz-Jesu-Kirche entlang der Promenadenstrasse Zimbelkräuter, Löwenzahn oder auch Gänsedistel entfernt. Für Naturschützer Josef Zoller unverständlich. «Sie sind für die Mauer kein Risiko», schreibt er in einem E-Mail an die Redaktion. Er würde es vielmehr begrüssen, würde die Stadt die Strategie gegenüber wild wachsenden Pflanzen neu überdenken.
Dies sei allerdings schwierig zu erreichen, sagt Michael Heggli:
«Wir leben hier in einer Stadt. Da muss man einen guten Mix zwischen den optischen Bedürfnissen und den ökologischen finden.»
Seit Anfang Mai ist er Leiter der Stadtgärtnerei. Doch auch er sieht Potenzial, an einigen Stellen wieder vermehrt heimische Gräser, Blumen oder Sträucher einzusetzen. Eines seiner Ziele ist daher, im Stadtbild ein Mix aus Diversität und Schönheit zu erreichen. Einen Anfang sollen natürliche Wiesen mit heimischen Blumen auf dem Friedhof in Rorschach-Rorschacherberg machen. Dort wurden Ende November Gräber ausgehoben.
Jedoch soll die Fläche nicht kahl bleiben. Gesät wurde daher eine mehrjährige Wildblumenmischung. Darin enthalten sind Samen von heimischen Pflanzen wie Schafgarbe, Kornblume oder auch Klatschmohn. «Ob alles so wächst, wie wir uns das vorstellen, werden wir allerdings noch sehen», sagt Heggli und zeigt über das noch braune Feld.
Ein Stückchen weiter, hinter einer hohen Hecke, verbergen sich zwei verschiedene Arten von Wiesen, die durch einen Weg getrennt werden. Die eine Seite ist gemäht, vereinzelt recken sich Gänseblümchen oder eine kleine Gruppe wilder Margeriten dem Himmel entgegen. Während auf der gegenüberliegenden Seite, zwischen langen Grashalmen, Löwenzahn, Butterblumen oder auch Kleeblüten auszumachen sind. «In diesem Bereich lassen wir die Wiese bewusst wachsen und mähen sie nur zweimal im Jahr», sagt der neue Leiter der Stadtgärtnerei.
«Die Artenvielfalt der Pflanzen ist zwar überschaubar, jedoch ist der ökologische Nutzen doch um einiges höher als auf stark bewirtschafteten Flächen.»
Je nach Sinn und Zweck, will das Team weg von der Monokultur. Ideen dafür haben Heggli und seine Kollegen viele. «Wo geeignete Standorte beispielsweise für Insektenhotels sind, sind wir derzeit aber noch am prüfen», sagt Heggli.