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Musik von Südafrika bis Kriessern: Während des Kulturfestivals St.Gallen wird die Stadt zur Welt

Nach einem Jahr Pause wegen der Pandemie ist das Kulturfestival St.Gallen zurück. Statt hoher Gagen gibt es für Bands auch mal ein Bier auf Drei Weieren.

Diana Hagmann-Bula
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Kulturfestival St.Gallen im Innenhof Historisches und Völkerkundemuseum: Riana © Urs Bucher/«TAGBLATT»

Kulturfestival St.Gallen im Innenhof Historisches und Völkerkundemuseum: Riana © Urs Bucher/«TAGBLATT»

Bild: Urs Bucher

Wem nach Neuem und Fremdem ist, der muss diesen Sommer nicht mal verreisen. Das Kulturfestival St.Gallen bringt die ganze Welt in die Stadt. Hier stehen St.Gallen (Femi Luna) und Südafrika (Bongeziwe Mabandla) auf der Bühne, Kriessern (Mo Klé) und Israel (Lola Marsh), Frankreich (Les Yeux d'la Tête) und Mali (Songhoy Blues). Vom 29. Juni bis 23. Juli passt die grosse Welt in den kleinen Innenhof des Historischen und Völkerkundemuseums. Mal hört sich diese Welt melancholisch und folkig an, mal laut und elektronisch. «Dieser bunte Mix macht uns aus», sagt Festivalleiter Lukas Hofstetter.

Letztes Jahr musste der Anlass im letzten Moment wegen Corona abgesagt werden. «Die 3G-Regel kam für uns leider zu spät», sagt er. Im Jahr zuvor fand ein Festival light statt. Ausschliesslich lokale Bands traten auf. «Es war grossartig und eigentlich kein bisschen light.» Nun darf Hofstetter mit Mitorganisatorin Lina Samland wieder aus dem Vollen schöpfen. Die Vorfreude, sie ist riesig. Bei Hofstetter und Samland, aber auch bei den Bands. «Sie sehnen einen vollen Sommer herbei. Einen Sommer ohne Maske, ohne Auflagen.» Einige Bands haben Hofstetter und Samland schon 2020 gebucht, 2022 erst treten sie nun auf. The Dead South, die kanadische Folkband, gehört dazu. Sie ist am ersten Festivalabend zu hören. Er ist ausgebucht. Mit schwarzem Humor und begleitet von Mandoline, Banjo, Cello und Gitarre singen die Musiker von Whiskey, Verzweiflung und falschen Entscheidungen.

Hofstetter kann zu jeder der 26 Bands eine Episode erzählen. Sein Highlight? Er fiebere jedem einzelnen Abend entgegen, antwortet er, ohne eine Sekunde zu überlegen:

«Wir verpflichten nur Bands, deren Konzerte wir auch privat besuchen würden.»

Mit dem Musiker an der Bar

Am Kulturfestival spielen vor 400 Zuhörerinnen und Zuhörer auch Künstler, die sonst vor mehreren tausend Menschen auftreten. «Als kleines Festival können wir zwar keine hohen Gagen bezahlen. Dafür können sich die Musikerinnen und Musiker während ihrer stressigen Sommertournee bei uns ein bisschen erholen.» Das Kulturfestival St.Gallen sei bekannt für seine Gemütlichkeit, den schönen Ort. Und die exklusive Betreuung durch Hofstetter und Samland. «Bei uns stehen die Bandmitglieder immer wieder mal mit den Zuhörerinnen und Zuhörern an der Bar. Oder wir fahren mit den Musikerinnen und Musikern nach dem Konzert hoch in die Drei Weieren und gehen auf einen Schwumm mit ihnen», erzählt Hofstetter.

Wer hier auftrete, habe meistens keine Spezialwünsche wie Starbands. Und wenn, dann nur harmlose. So hat Hofstetter wegen der Musikerinnen und Musiker aus verschiedenen Ländern alle Milchsorten kennen gelernt. Reis, Mandel, Soja, Hafer, bevor die veganen Varianten den Massenmarkt eroberten.

Bereits Bands für 2023 angefragt

Trotz der Beliebtheit des Festivals: Hofstetter und Samland bekommen auch immer wieder Absagen, weil die Bands nicht auf Tour sind oder das Festival nicht in ihren Konzertplan passt. «Nun denken wir sie für nächstes Jahr an.» Das Kulturfestival 2022 hat noch nicht begonnen, da wird der Anlass von 2023 schon geplant. «Wir arbeiten fliessend», sagt Hofstetter.

Gerade zeigt sich das Wetter von seiner besten Seite. Wetter wie es sich Hofstetter wohl für das Festival mit dem offenen, nur teilweise überdachten Innenhof wünscht. Neben gutem Wetter hofft er darauf, dass das Programm erneut ankommt. «Es hat Höhepunkte für Musikkenner dabei, aber es soll auch ein Entdeckerfestival bleiben, wo man neue Gruppen kennen lernt.»

Für einen ruhigen Abend empfiehlt er Marema, die neue, grosse Frauenstimme Senegals (5. Juli) oder den Ausserrhoder Popsänger Benjamin Amaru (12. Juli), bekannt für seine warme Stimme und verträumte Synthesizerklänge. Melancholiker dürften bei Bongeziwe Mabandla (6. Juli) gut aufgehoben sein. Hofstetter:

«Ich habe den Südafrikaner mal in Zürich gesehen. Schon nach wenigen Minuten hatte jeder dritte im Publikum Tränen in den Augen.»

Wer Neues sucht, findet es in Johnny Simon (12. Juli). Dabei handelt es sich um ein Soloprojekt von Simon Winiger, dem langjährigen Bassisten von Marc Sway und Lunic. Er tritt mit seinem Indie-Pop erstmals in St.Gallen auf. Ein guter alter Wert hingegen ist die Amsterdam Klezmer Band (8. Juli), eine unterdessen weltbekannte Formation, die Gipsymusik spielt und zum zweiten Mal am Kulturfestival gastiert.

Ein Spaziergang an der Seine

Lieber Lust auf Party? Dann ein Ticket für das Konzert von 47 Soul (13. Juli) aus Palästina kaufen, eine der laut Hofstetter vielversprechendsten Bands aus dem Nahen Osten. Sie mischt die traditionelle Strassenmusik aus ihrer Heimat mit elektronischen Beats. Oder ab ans Konzert von Booka Shade (9. Juli), die in Deutschland mit Underground-Techno gerade jedes Stadion füllen. Auch KT Gorique (7. Juli) ist eine Option. «Das Krasseste, das wir je hatten in der Sparte Hip-Hop. Sie holte in New York in einem Rap-Battle den Weltmeistertitel ‒ als erste Frau überhaupt», sagt Hofstetter.

Immer häufiger seien Mehr-Tages-Pässe gefragt, freut sich Hofstetter. Wohl auch wegen lokaler Headliner wie Yes, I'm very tired now (16. Juli), vermutet er.

«Diese Menschen machen fast Ferien bei uns.»

Sie wippen dann im Sonnenuntergang zum Reggae des Zürchers Phenomden (14. Juli) im Takt, der sich in Jamaika musikalisch hat inspirieren lassen. Und wenn Les Yeux d'la Tête (21. Juli) ihr Repertoire aus Sinti Swing, Chanson, Punk und Jazz zum Besten geben, fühlt sich das an wie ein Spaziergang an der Seine.

www.kulturfestival.ch