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Die Klimajugend verzichtet vermehrt auf den Klimasünder Fleisch. Doch nicht alle Mensen verkaufen seit dem Beginn der Klimabewegung vor einem Jahr mehr Vegi-Menüs.
Die Gretchenfrage wird zur Gretafrage. Wie hat es die Klimajugend mit dem Fleischkonsum? Die Frage lässt sich am einfachsten dort beantworten, wo die Aktivisten essen. In den Mensen verschiedener Bildungsstätten: Universitäten, Gymnasien, Berufsschulen.
Keine der angefragten Mensen – weder jene der Kantonsschule am Burggraben, noch diejenigen der Berufsschulen in der Stadt – verkaufen seit Beginn der Klimabewegung mehr fleischlose Gerichte. Predigen die Klimaaktivisten also Gemüse und essen Fleisch? Ganz so einfach scheint es nicht zu sein. Auch wenn die Nachfrage nach vegetarischen Gerichten nicht zugenommen hat, so zeigen sich doch Unterschiede: In der Mensa der Kantonsschule liegt der Anteil vegetarischer Gerichte bei etwa einem Drittel.
Etwas weniger Vegi-Gerichte verkauft hingegen das Restaurant Parks, die Mensa des Kaufmännischen Berufs- und Weiterbildungszentrums St.Gallen (KBZ), wo angehende Kauffrauen und Detailhändler ausgebildet werden. Restaurantleiter Toni Durrer schätzt: «Etwa 25 von hundert verkauften Menüs sind vegetarisch.»
Der Unterschied zwischen den beiden Mensen erstaunt nicht, gehen doch rund die Hälfte der Klimastreikenden an die Kantonsschule, wie eine Umfrage der Pädagogischen Hochschule St.Gallen Ende Mai ergab. Von den 70 Befragten, gaben gerade mal fünf Prozent an, eine Lehre zu machen.
Anders als am KBZ sieht es am Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrum St.Gallen (GBS) aus. Auf rund der Hälfte aller Teller liegen vegetarische Speisen. Den Grund sieht Mensaleiter Thomas Riedener in der gewählten Berufsbranche seiner Gäste. Die GBS ist nicht nur Ausbildungsort für Maurerinnen oder Sanitärinstallateure, sondern auch Höhere Fachschule für Designer oder Fotografinnen. Riedener sagt:
«Viele der Lernenden und Studierenden sind Vegetarier.»
Doch dass rund die Hälfte aller verkauften Gerichte vegetarisch sind, ist erst seit diesem Sommer der Fall. Seitdem setzt Riedener auf ein Selbstbedienungsbuffet.
Und wie sieht es in den Universitäten und den Fachhochschulen aus, wo gemäss der PH-Umfrage 38 Prozent der Demonstrierenden studieren? Die Kurzfassung: Seit anfang des Jahres ernähren sich mehr Studierende vegetarisch. «Ja, wir stellen eine klar stärkere Nachfrage nach fleischlosen Gerichten fest», sagt etwa Andreas Bühler, Leiter Kommunikation der Migros Ostschweiz. Das Unternehmen betreibt die HSG-Mensa. Über 30 Prozent der aktuell verkauften Menüs sind vegetarisch. HSG-Studierende sind es denn auch, die einen fleischlosen Montag in der Mensa fordern. Fürs Klima und die Umwelt. Denn Fleisch hat eine verheerende Umweltbilanz (siehe Zweittext). Ein vegetarisches Gericht belastet das Klima gemäss der Umweltorganisation WWF dreimal weniger als ein Fleischgericht. Über 500 Unterschriften für den «Meatless Monday» kamen zusammen, das Studentenparlament hat mit grosser Mehrheit zugestimmt.
Auch die Fachhochschule St.Gallen beobachtet eine Zunahme gegenüber 2018. Ihre Kommunikationsstelle liefert genaue Zahlen: Um vier Prozent ist der Anteil an Vegi-Menüs 2019 gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Er liegt damit in diesem Jahr bei knapp 40 Prozent, wobei vegane Gerichte miteinberechnet sind. Die Mensa der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG) hingegen hat seit Jahresbeginn nicht mehr vegetarische Menüs verkauft, teilt die Kommunikationsabteilung mit – allerdings auf hohem Niveau. Bis zu 50 Prozent der verkauften Menüs seien fleischlos.
Der Trend ist damit in praktisch allen Mensen gleich: weg von Rind, Schwein und Geflügel, hin zu Tofu, Seitan und Quorn.
In allen angefragten Mensen werden heute mindestens 30 Prozent Vegi-Menüs verkauft.
2015 lag er fast überall noch tiefer. An der HSG etwa bei 15 bis 20 Prozent im Jahr 2015. So auch in der Mensa der Kanti am Burggraben. Bereits bei knapp 30 Prozent lag der Anteil an Vegi-Menüs in der Mensa der Fachhochschule St.Gallen.
Der Trend in den St.Galler Mensen ist auch schweizweit zu beobachten. Die SV Group, nach eigenen Angaben Marktführerin im Bereich der Gemeinschaftsgastronomie, betreibt in der ganzen Schweiz Mensen und Mitarbeiterrestaurants. Kommunikationsverantwortliche Manuela Stockmeyer schreibt von einer schweizweit stärkeren Nachfrage nach vegetarischen Menüs – insbesondere an Kantonsschulen oder Universitäten. Auch hier liegt der Anteil fleischloser Gerichte derzeit bei rund 30 Prozent, in manchen Restaurants auch höher. Genaue Zahlen kann sie aber nicht liefern.
Dass eine Nachfrage nach vegetarischen Gerichten besteht – wenn sie nicht als solche deklariert sind –, haben die beiden Ökonomen Priska Baur und Jürg Minsch 2017 in einem Experiment nachgewiesen. In zwei Mensen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil wurde das Angebot an vegetarischen und veganen Menüs während zwölf Wochen erhöht. Das Ergebnis war deutlich: in den vegetarischen Wochen ging der Konsum von Fleischgerichten von 60 auf 44 Prozent zurück, ohne dass die Zufriedenheit der Besucherinnen und Besucher abgenommen hätte.
Warum ist die Umweltbilanz von Fleisch derart verheerend? Das liegt daran, dass Fleisch ein ineffizientes Nahrungsmittel ist: Für ein Kilogramm Rindfleisch, so der WWF Schweiz, müssen bis zu 20 Kilogramm Futtermittel verfüttert werden. Dies hat Auswirkungen auf die CO2-Bilanz. Pro Kilogramm Rindfleisch werden bis zu 15,4 Kilogramm CO2 freigesetzt – eine Menge im Vergleich zu den 0,7 Kilogramm CO2 bei einem Kilo Linsen, die ein ähnlich proteinreiches Nahrungsmittel sind wie Fleisch. Steven Chu, Physiker und US-Energieminister unter Barack Obama, spitzt in seinen Vorträgen mit einem Vergleich zu: Wären Rinder und Milchkühe ein Land, würden sie mehr Treibhausgase als die EU freisetzen. Auch die Landfläche ist ineffizient: Pro Kilogramm Rindfleisch werden bis zu 49 Quadratmeter verbraucht, so eine Studie des WWF Deutschland. Der Grund: Rinder benötigen Futterpflanzen, die irgendwo wachsen müssen. Zum Vergleich: Ein Kilogramm Kartoffeln wächst auf einem Viertelquadratmeter. Eine vegetarische Ernährung, so rechnet der WWF Schweiz vor, reduziere den Ernährungsfussabdruck um 24 Prozent. Bei veganer Ernährung sind es gar 40 Prozent. Der Einfluss von regionalen Produkten liegt bei gerade mal 4 Prozent.