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Bettina Zeitz führt seit 20 Jahren eine Buchbinderei und Einrahmerei in der St.Galler Altstadt. Die Handbuchbinderin ist gut ausgelastet.
Als Bettina Zeitz als junge Frau in der damaligen Zeitschrift «Meyers Modeblatt» ein Porträt über einen Buchbinder gelesen hatte, war für sie klar: Diesen Beruf will sie lernen. Eigentlich hätten ihr Topfpflanzengärtnerin oder Coiffeuse gut gefallen, aber nach diesem Porträt des Buchbinders habe sie in Winterthur in einer Buchbinderei geschnuppert.
Sie verrät, dass ihr der damalige Chef gesagt habe, dass sie für den Buchbinderberuf nicht geeignet sei. Sie hat sich nicht beirren lassen, die Lehre und die drittbeste Lehrabschlussprüfung absolviert. «Er war Experte und musste mir gratulieren», erzählt die 58-Jährige mit Genugtuung.
Das ist 37 Jahre her. «Ich bin immer noch Buchbinderin aus Leidenschaft», sagt sie und ergänzt:
«Viele glauben immer noch, Buchbinden ist basteln.»
Das sei es bei weitem nicht. Die Lehre dauert vier Jahre und Handbuchbinden ist ein altes Handwerk. Seit dem Sommer 2002 ist Bettina Zeitz selbstständig; sie hat vor 20 Jahren die handwerkliche Buchbinderei an der Gallusstrasse 40 in St.Gallen von ihrer Vorgängerin Christa Weibel übernommen.
Die Buchbinderei ist eine kleine Werkstatt. Im Lager liegen Rollen mit Leinen und Kunstleder in verschiedenen Farben. Da stapeln sich fertig gebundene Bücher in verschiedenen Formaten; noch nicht ganz fertige Bücher müssen über Nacht in der Spindelpresse bleiben.
Auf einem anderen Stapel liegen fadengeheftete Exemplare und lose Blätter, die zu einem Buch gebunden werden müssen. Die Arbeit scheint nicht auszugehen. «Nein, ich habe mehr als genug Arbeit», sagt Bettina Zeitz, die seit 37 Jahren in St.Gallen lebt und arbeitet. Trotz Digitalisierung sei ihr Handwerk immer noch gefragt. «Ich bin gut ausgelastet», sagt Zeitz. Aber man wisse ja nie.
Bettina Zeitz hat viele Kunden: Gemeinden, Ämter, Bibliotheken, Architekten, Textilfirmen beispielsweise. Auch Private nehmen ihre Dienste in Anspruch. Beispielsweise Studenten, die ihre Diplomarbeit binden lassen. Die Buchbinderin zeigt eine Diplomarbeit, die in Ganzleinen gebunden ist. Auf dem Deckel ist mit einer Goldprägung «Diplomarbeit» geschrieben. «Manchmal wird die Aufmachung von der jeweiligen Uni vorgeschrieben», weiss Bettina Zeitz. Eine Goldprägung sei auch eine Preisfrage. Deshalb kläre sie diese bei einem Beratungsgespräch fast zuerst.
Sie bindet Zeitschriften und Hefte zu Jahresausgaben oder Broschüren mit gerillten Umschlägen. Geschraubte Bücher würden oft für Musterbücher, beispielsweise für Stoff- oder Spitzenmuster, gewünscht. Zeitungen werden zu einem Buch gebunden und so im Archiv aufbewahrt. Gedichte oder Tagebücher eignen sich gut als Ganz- oder Halbgewebebände.
Was war das Aussergewöhnlichste, das Bettina Zeitz gebunden hat? Sie erzählt, dass vor einigen Jahren eine Frau mit vielen ausgedruckten Mails zu ihr gekommen sei. Sie wollte die losen ausgedruckten Blätter zu einem Buch binden. Dabei handelte es sich um Liebesmails, die sich die Kundin und ihr Partner geschrieben haben.
Stolz ist die St.Gallerin, dass sie die Bände der Coronabibel binden durfte. Von März bis Pfingsten 2020 haben über 950 Personen jeweils ein oder mehrere Kapitel der Bibel abgeschrieben. 3811 Seiten sind zusammen gekommen. Die Originalausgabe mit mehreren Bänden befindet sich in der Stiftsbibliothek. Das sei eine schöne Referenz für sie.
Obwohl sie so viele Bücher binde, sei sie selber keine Leseratte, sagt die Buchbinderin. Bei ihr zu Hause lägen wohl Bücher auf, aber alle nur, weil sie einen schönen Einband haben. Bettina Zeitz hat andere Hobbys: Tennis spielen oder auf ihrer vor vier Jahren gekauften Vespa kleine Touren machen.
Im Ladenlokal in der Altstadt hängen an einer Wand Musterrahmen in vielen Materialien und Farben. Bettina Zeitz rahmt ebenfalls Bilder, schneidet die Passepartouts und das Glas selber zu. Sie ist eine Kunstliebhaberin. Sie zeigt die drei von vier kleineren Bildern, die sie anlässlich der Atelieröffnung «100 Jahre Celestino Piatti» (5.1.1922 – 17.12.2007) für sich gekauft hat. Es sind Eulen zu sehen, ein beliebtes Motiv des Schweizer Grafikers und Illustrators.
Vor etwa vier Jahren habe eine junge Frau ein Bild gebracht, dass sie gerahmt haben wollte. Der Kundin sei nicht bewusst gewesen, was sie in der Hand halte. Bettina Zeitz hat es sofort erkannt: «Es war ein echter Egon Schiele. Wert etwa 50'000 Franken.» Der «Schiele» hat einen Rahmen aus Kirschbaum erhalten.