Podiumsteilnehmer sind sich einig: Experiment «Mediterrane Nächte für St.Gallen» kann die Stadt beleben

St.Galler Gartenbeizen sollen versuchsweise bis Mitternacht öffnen können. Dafür gab’s an einer Diskussionsrunde nur Lob.

Sandro Büchler
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Auch wenn es draussen noch warm ist, müssen viele Wirte in St.Gallen um 22 Uhr ihre Gassen- oder Gartenbeiz abräumen.

Auch wenn es draussen noch warm ist, müssen viele Wirte in St.Gallen um 22 Uhr ihre Gassen- oder Gartenbeiz abräumen.

Bild: Hanspeter Schiess

«Es geht um zwei zusätzliche Stunden, an zwei Tagen – am Freitag- und Samstagabend – und das auch nur in lauen Sommernächten», fasst das Anliegen Donat Kuratli am Montag in der «Südbar» zusammen. Der SVP-Stadtparlamentarier stand beim Podium mit dem Titel «Mediterrane Nächte für St.Gallen» auf der Bühne.

Mit einer dringlichen Interpellation haben sich in der vergangenen Woche 50 von 63 Mitgliedern des Stadtparlaments an den Stadtrat gewandt und fordern einen zwei Jahre dauernden Pilotversuch. Dabei sollen Gastronomen von Gartenbeizen auf Stadtgebiet von Juni bis August am Freitag und Samstag zwei Stunden länger wirten dürfen. Statt bis 22 Uhr sollen Gäste bis Mitternacht draussen sitzen und ein Glas Wein oder Bier trinken können.

Fünf der sechs Fraktionen im Stadtparlament haben die Interpellation unterzeichnet. Getragen wird der Vorschlag vom städtischen Gastroverband und dem Verein Nachtgallen, der sich für ein vielfältiges, lebendiges Nachtleben einsetzt.

Das Podium, zu dem die beiden Organisationen kurzfristig eingeladen hatten, stiess auf reges Interesse. Auffallend viele Gastronomen sassen im Publikum. Neben Kuratli war die Diskussionsrunde mit Stadträtin Sonja Lüthi, Gastro-Präsident René Rechsteiner, Marc Weber vom Verein Nachtgallen und SP-Stadtparlamentarierin Alexandra Akeret gut besetzt. Doch etwas fehlte am Podium: Kritiker. So verkam die als Diskussion angekündigte Veranstaltung zu einer Art Brancheninformation.

Moderator Richi Küttel mit den Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmern Donat Kuratli, Marc Weber, Alexandra Akeret, René Rechsteiner und Sonja Lüthi (v.l.n.r)

Moderator Richi Küttel mit den Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmern Donat Kuratli, Marc Weber, Alexandra Akeret, René Rechsteiner und Sonja Lüthi (v.l.n.r)

Bild: Stefanie Rohner / FM1Today

«St.Gallen hat keinen See und keinen Fluss»

Die Podiumsteilnehmer waren sich alle einig. Das Experiment sei zu begrüssen und könne die Stadt beleben. Der Tenor: «Mit dem Vorschlag wollen wir keine Partymeile für St.Gallen kreieren, aber eine Schlafstadt wollen wir auch nicht sein» (Rechsteiner), «das müsste machbar sein» (Akeret) und «wenn Gastronomen, Gäste und Anwohner am gleichen Strick ziehen, klappt der Versuch» (Kuratli).

Marc Weber, Vizepräsident des Vereins Nachtgallen, sagte, dass schöne Sommerabende immer häufiger vorkämen und die Leute deshalb länger draussen sitzen wollten. Der Verein beobachtet, was andere Städte unternehmen.

«Es ist an der Zeit, auch in St.Gallen Nägel mit Köpfen zu machen.»

Werde der Pilotbetrieb bewilligt, wolle man diesen am Ende der Saison an einem runden Tisch beurteilen. So wie in Thun, das mit seinen «mediterranen Wochen» bisher gute Erfahrungen gemacht hat und als Vorbild für St.Gallen gilt. Die Stadt müsse sich entscheiden, eine Stadt zu sein.

«Das bedeutet womöglich etwas mehr Lärm, und es stinkt etwas mehr.»

Wenn alle Akteure im Boot seien, finde sich ein für alle akzeptabler Weg. Applaus vom Publikum. Wolle man Gartenbeizen in St.Gallen nicht gleich bis 2 oder 3 Uhr nachts öffnen, wie dies in anderen Schweizer Städten möglich sei, fragt Moderator Richi Küttel in die Runde.

SVP-Stadtparlamentarier Donat Kuratli warnt vor Vergleichen: «St.Gallen hat keinen See, keinen Fluss, kurz wir haben ein anderes Flair.» Und man wolle nicht von Anfang an alles fordern. Eine zweijährige Testphase sei der einzig richtige Weg.

Wirte in den Quartieren könnten profitieren

Es gehe dem Gastgewerbe nicht darum, in den zwei Stunden mehr Umsatz zu erwirtschaften, sagte René Rechsteiner, Präsident von Gastro Stadt St.Gallen.

«Im Vordergrund steht die Belebung der ganzen Stadt – nicht nur der Innenstadt.»

Mediterrane Nächte seien besonders für Gartenbeizen in den Aussenquartieren eine Chance. «Denn diese kämpfen mit anderen Problemen als Beizen im Zentrum.» Der Wirt in St.Georgen solle die gleichen Bedingungen bekommen, wie sein Kollege im Zentrum.

Wichtig sei, die Bedenken von Anwohnern punkto Lärm ernst zu nehmen, betonte Rechsteiner. Doch sitzende Leute würden weniger Lärm verursachen, als Raucher, die draussen vor einer Bar stünden oder Gruppen, die umherzögen. Auch das Thema Abfall sei bei Sitzgästen zweitrangig.

«Gastronomen haben es in der Hand, was draussen passiert», bestätigte Alexandra Akeret. Sie trug am Podium zwei Hüte: Einerseits unterstütze sie als SP-Stadtparlamentarierin die Interpellation. Anderseits vertrat sie als Präsidentin des Quartiervereins Südost die Interessen von Anwohnern. «Aber auch ich sitze gerne draussen.» Man dürfe aber nicht darauf hoffen, dass Stadtsanktgallerinnen und -sanktgaller auch ein «mediterranes Lärmempfinden» hätten. Werde der Pilot bewilligt, müsse man schauen, wie es sich entwickelt.

Muss gar das Stimmvolk entscheiden?

Damit war Sonja Lüthi angesprochen. Die Vorsteherin der Direktion Soziales und Sicherheit wird im Namen des Stadtrates am 24. März im Stadtparlament auf den Vorstoss antworten. Da das Parlament ein Vorinformationsrecht habe, wollte sie noch nichts zur Haltung der Stadt sagen. Sie habe Sympathien für den Vorschlag, liess sich Lüthi immerhin entlocken. «Auch ich will eine lebendige Stadt. Aber alle sollen sich wohlfühlen.» Einsprachen gegen ein Projekt in Zürich zeigten, dass Maximalforderungen fehl am Platz seien.

«Das Gesetz lässt sich aber nicht so schnell ändern», stellt die Stadträtin klar. Zur Umsetzung sei eine Teilrevision des Immissionsschutzreglements nötig. Diese unterliegt dem fakultativen Referendum. Wird es ergriffen, muss die Bevölkerung darüber entscheiden, ob in St.Gallen etwas mehr Mittelmeerflair Einzug hält.

Da wandte sich eine Frau aus dem Publikum an Lüthi: «Wenn Sie für eine Überraschung sorgen wollen, nehmen Sie doch den Donnerstag mit in den Test auf.» Nach dem Einkaufen lasse es sich auch gut in der Gartenbeiz verweilen.