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Das Stadtparlament entscheidet nächste Woche, ob das Textilmuseum mehr Geld erhalten soll. Es soll in ein «arbeitendes Museum» umgewandelt werden. Die Museumsdirektorin erklärt, was damit gemeint ist.
Für Barbara Karl, die Direktorin des Textilmuseums, geht es Schlag auf Schlag. Morgen Donnerstag eröffnet sie die Ausstellung «Die Spitzen der Gesellschaft». Nur wenige Tage später – am kommenden Dienstag – erwartet sie den richtungsweisenden Entscheid des Stadtparlaments über eine Subventionserhöhung fürs Textilmuseum.
Der jährliche Beitrag soll von 280000 Franken auf 430000 Franken erhöht werden. Das beantragt der Stadtrat dem Parlament. Für ihn ist klar: «Das Textilmuseum hat Potenzial.» Doch es könne dieses mit den derzeitigen finanziellen Mitteln nicht ausschöpfen. Der Kanton hat eine entsprechende Erhöhung seines Beitrags im Budget 2018 bereits beschlossen. Nun soll die Stadt gleichziehen.
Für Museumsdirektorin Barbara Karl steht einiges auf dem Spiel: «Die Erhöhung würde es uns erlauben, weiterhin interessante Projekte durchzuführen», sagt sie. Die Erwartungen des Publikums würden stetig wachsen. Und wenn das Budget nicht mithalte, bleibe man irgendwann auf der Strecke.
Auch der Stadtrat ist überzeugt: «Es besteht Handlungsbedarf.» Die langjährige Unterfinanzierung des Museums habe Spuren hinterlassen, schreibt er in der Vorlage. Im Museumsgebäude an der Vadianstrasse, dem sogenannten «Palazzo Rosso», drängt sich eine Sanierung auf. Infrastruktur und Haustechnik sind veraltet. Zudem sei das Personal unterdotiert. Im Museum sind fast zehn Vollzeitstellen besetzt – inklusive Direktorin, Kuratorin, Vermittlerin, Kommunikationsverantwortlicher, Bibliothekarin und Restauratorin, Hausmeister und den Frauen vom Besucherservice.
«Wir arbeiten mit viel Idealismus und Leidenschaft fürs Thema», sagt Barbara Karl. Handlungsbedarf sieht sie nicht nur bei der Infrastruktur. Für sie geht es primär darum, mehr Mittel zur Verfügung zu haben, um attraktive Ausstellungen zu gestalten, die Sammlung aufzuarbeiten und mit neuen Vermittlungsangeboten zu experimentieren. In der Vorlage heisst es, das Textilmuseum solle innerhalb der kommenden vier Jahre in ein «Arbeitendes Museum» umgewandelt werden.
Für die Museumsdirektorin handelt es sich um eine Art Arbeitstitel. «Viele Besucherinnen und Besucher sind der Ansicht, im Museum gehe es beschaulich und ruhig zu und her.» Doch Barbara Karl sieht das anders. Sie will das Textilmuseum als aktiven, lebendigen Ort verstehen und weiterentwickeln – und damit an die Tradition anknüpfen, als noch Stickereizeichner im Textilmuseum zur Schule gingen. Die Besucher sollen nicht nur Stoffe anschauen, sondern an Workshops mitmachen und an Führungen teilnehmen. «Wir wollen sie zum Selbertun und Mitdenken anregen.»
Es ist noch nicht lange her, dass das Textilmuseum sein Vermittlungs- und Veranstaltungsprogramm etabliert hat. Regelmässig finden Vorführungen an der Handstickmaschine und Workshops zu Textiltechniken statt. Die Museumsdirektorin will hier einen Schwerpunkt setzen und das Angebot weiter ausbauen – insbesondere auch für Schulen.
Dabei hat sich das Textilmuseum einiges vorgenommen. Die Besucherzahlen sollen innerhalb von zehn Jahren von 28000 auf 45000 bis 50000 Personen pro Jahr steigen. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen soll 25 Prozent erreichen. Das Ziel ist klar: Das Textilmuseum will in einer höheren Publikumsliga mitspielen und damit mehr Chancen haben, wenn es sich das nächste Mal um Bundesgelder bewirbt.
Eine weitere Weiche für die Zukunft des Textilmuseums ist soeben gestellt worden. Ende September wurde die Stiftung Textilmuseum St. Gallen gegründet. Ziel war, die bisherigen komplexen Strukturen zu vereinfachen, wie Stiftungspräsident Vincenzo Montinaro sagt. In die neue Stiftung wurde das Museumsgebäude aus dem Besitz der Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell (IHK) eingebracht. Zudem gingen die Textilbibliothek, -sammlung und die Hälfte des Vermögens der IHK-Stiftung in die neue Stiftung über.
Montinaro spricht von einem wichtigen Signal: «Endlich haben wir eine Trägerschaft, in der alles konzentriert ist. Das ermöglicht uns, rasch und effizient zu entscheiden.» Er hofft, dass damit das Fundament für die nachhaltige Entwicklung des Textilmuseums gelegt ist. Es solle zu einem Leuchtturm mit internationaler Ausstrahlung werden.
Einen solchen hatte einst der Kanton im Sinn. Doch 2010 stellte er sein Vorhaben, das Haus als «Schweizerisches Textilmuseum» zu positionieren, aus Spargründen zurück. Er ist bis heute nicht darauf zurückgekommen. Katrin Meier, Leiterin kantonales Amt für Kultur, sagt im Hinblick auf die anstehende Sanierung des Textilmuseums: «Wenn konkrete Pläne für bauliche Veränderungen vorliegen, werden wir die Situation wieder prüfen.» (cw)