Trotz 5G glaubt man in der Region an die Zukunft der Glasfaser

Mörschwil will ein Glasfasernetz bauen. Auch die anderen Gemeinden fürchten die Konkurrenz durch 5G nicht.

Johannes Wey
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Nun will auch die Gemeinde Mörschwil Glasfasern bis in jede Wohnung ziehen. Bild: Keystone/Petra Orosz

Nun will auch die Gemeinde Mörschwil Glasfasern bis in jede Wohnung ziehen. Bild: Keystone/Petra Orosz

Alles spricht von der neuen Mobilfunktechnologie der fünften Generation (5G). Sie wird gegenwärtig nach und nach auch in der Region St.Gallen installiert. Ihre Übertragungsraten erlauben es beispielsweise, Filme innert weniger Sekunden herunterzuladen. Mit den kurzen Reaktionszeiten werden zudem viele Anwendungen auf dem Weg zum «Internet der Dinge» möglich: Selbstfahrende Autos beispielsweise, eine automatisierte Produktion, in der die Maschinen untereinander kommunizieren oder Haushaltselektronik, die sich durchgehend vom Handy steuern lässt.

Und 5G erlaubt auch Höchstgeschwindigkeiten beim Surfen zu Hause. Vergleichbar hoch mit Glasfaseranschlüssen. «Mit dem entscheidenden Unterschied, dass es viel günstiger ist, eine Funkantenne aufzustellen als eine Glasfaser in eine Wohnung zu ziehen», wie Comparis-Telekommunikationsexperte Claude Frick im Januar gegenüber der «Ostschweiz am Sonntag» sagte.

Und nun will die Gemeinde Mörschwil ein eigenes Glasfasernetz bauen. Die dünnen Kabel für 6,6 Millionen Franken in jede Wohnung ziehen. FTTH, Fiber to the Home, nennt sich dieser Ausbaustandard. Bei der Gemeinde rechnet man damit, dass die Vermietung der Glasfasern an Telekommunikationsanbieter «die Betriebskosten nicht nur gut deckt, sondern das Glasfasernetz auch substanziell amortisiert», heisst es in einem Papier zur Vernehmlassung.

Mobilfunkausbau stockt bereits jetzt

«5G ist noch lange nicht überall verfügbar», sagt Gemeindepräsident Paul Bühler. Ausserdem brauche der neue Standard viele Antennenstandorte. Wie schwierig der Bau neuer Antennen sei, könne man derzeit – und nicht zum ersten Mal – am Bahnhof beobachten, wo im Frühling zehn Einsprachen eingegangen sind. Ausserdem müsse jede 5G-Antenne an ein Glasfaserkabel angeschlossen werden, gibt Bühler zu bedenken.

Auch in Gaiserwald macht sich Gemeindepräsident Boris Tschirky keine Sorgen, dass 5G die Investition von insgesamt fast sieben Millionen Franken in ein eigenes FTTH-Netz gefährdet.

«Schon gegen herkömmliche Handyantennen gibt es viel Widerstand.»

Hinzu komme die Skepsis gegenüber der neuen 5G-Technologie. Das Gaiserwalder Netz gehört mit der Gemeinschaftsantennenanlage einem unselbstständigen öffentlichen Unternehmen, betrieben wird es von der Wiler Thurcom. «Selbstverständlich» erwartet man bei der Gemeinde nach wie vor, dass die Investition ins Glasfasernetz wieder eingespielt wird, sagt Tschirky.

Im dicht bebauten Gebiet keine echte Alternative

Auch Peter Stäger, Bereichsleiter Netze Elektrizität und Telekom bei den St.Galler Stadtwerken, macht sich wegen der 5G-Technologie keine Sorgen um die Wirtschaftlichkeit des Glasfasernetzes.

«In der Branche ist man sich einig, dass 5G höchstens im ländlichen Raum eine Alternative sein kann.»

Solche Überlegungen spielen auch bei der Übernahme von UPC durch den 5G-Vorreiter Sunrise eine Rolle.

Swiss Fibre Net ist ein Zusammenschluss Schweizer Energieversorger mit eigenem Glasfasernetz, zu dem auch die St.Galler Stadtwerke gehören. Die Stadtwerke Gossau und die St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke unterhalten Partnerschaften mit der Aktiengesellschaft. Eine Studie von Swiss Fibre Net prognostiziert, dass die Glasfasernetze gar von der Einführung von 5G profitieren. So sei beispielsweise die Dichte der Nutzer in den Städten zu hoch, damit 5G alle Ansprüche erfüllen könne, und die Durchdringung von Mauern sei ein Problem, erklärt Stäger.

Wettbewerb drückt auf Amortisierung

Zuletzt haben städtische Versorgungsunternehmen von Zürich bis Genf Abschreibungen in Millionenhöhe auf ihre Glasfasernetze vorgenommen. Diese haben laut Stäger aber weniger mit dem Ausbau des 5G-Netzes, sondern generell mit dem verschärften Preiskampf bei den Internetanbietern zu tun. So hatte Salt seine Konkurrenz vor anderthalb Jahren mit einem neuen Angebot unter Druck gesetzt.

Die Auswirkungen seien auch bei Unternehmen der öffentlichen Hand zu spüren, die ihre Glasfasernetze an Internetanbieter vermieten. Viele von ihnen hätten damit gerechnet, nach wenigen Jahren Geld mit den Netzen zu verdienen. In St.Gallen gehe es hingegen primär um den politischen Auftrag, die Stadt zu versorgen. «Wir prüfen derzeit, ob die Amortisierung über 25 Jahre noch realistisch ist, oder ob es länger dauert», sagt Stäger.

Bei den Stadtwerken Gossau hat man den Businessplan aus dem Jahr 2012 hingegen vor drei Jahren ein erstes Mal überarbeitet, erklärt der neue Geschäftsführer Patrik Schönenberger. Mittlerweile erwartet man die Amortisierung nicht mehr bereits nach 20, sondern erst nach 27 Jahren. Auch Schönenberger begründet dies mit dem verschärften Wettbewerb.

«Mit 5G wird unbestritten eine weitere Option für einen schnellen Internetzugang im Markt verfügbar werden», räumt er ein. Allerdings werde bis zu einer breiten Abdeckung viel Zeit vergehen. Ausserdem müssten im dicht bebauten Gebiet viele Antennen bewilligt und gebaut werden. Kurzfristig sei die Konkurrenz durch 5G also «nicht allzu gross», längerfristig müsse man die Entwicklung im Auge halten. Ein vollständiger Ersatz eines Glasfasernetzes durch 5G halte er aber für unrealistisch.