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Ostschweiz
St.Gallen, Gossau, Rorschach
Das Säuli Manuela ist erst zwei Wochen alt und schon ein Star: Heute herzt Bundesrat Alain Berset das Ferkel.
Das Säuli mit den schwarzen Punkten spaziert neugierig in der Olma-Halle 7 umher. Ohne Scheu trottet es zu einem Kinderwagen hin. «Es macht einen selbstsicheren Eindruck, geht mutig auf Leute zu», sagt Christian Manser, Präsident der Olma-Tierschau. Er bestimmt den heutigen Star, denn er muss entscheiden, welches Säuli Bundesrat Alain Berset in den Armen halten und mit ihm für das ikonische Foto posieren wird.
24 Stunden bevor der Bundesrat in St.Gallen eintrifft, beugt sich Manser zu elf Ferkeln im Stroh hinunter. Sie ruhen sich in einer grossen Box unter einer Wärmelampe aus, daneben liegt ihre Mutter Damaris. Die stattliche Sau ist vier Jahre alt und säugt ihren Nachwuchs im Halbschlaf. Die Jungtiere sind erst vor sechs Tagen auf die Welt gekommen. Manser begutachtet die Ferkel nacheinander. «Ich beurteile sie erst rein optisch.» Ganz wichtig seien die Ohren.
«Das hier hat einen Hick drin und scheidet deshalb aus.»
Bei anderen sieht er Schrammen an den Knien, ein anderes hat zwei Punkte auf der Schnauze. Manser, der auch das Säulirennen kommentiert, findet kein passendes Exemplar. «Sie sind noch nicht ganz so schön, wie ich das gerne hätte.»
In einer zweiten Box liegen die Thurgauer Muttersau Jessica und ihre zwei Wochen alten Nachkommen. Beat von Rickenbach, der Stallchef in der Halle 7, hebt ein Ferkel hoch. «Das sieht gut aus», pflichtet ihm Manser bei. Zusammen mit Lukas Frehner beurteilen sie das Schweinchen von allen Seiten.
Es ist rund zweieinhalb bis drei Kilo schwer. Von Rickenbach erklärt:
«Die Ferkel dürfen nicht zu schwer sein für den Bundesrat.»
Die Magistraten sollen es schliesslich in die Kameras halten können. Da entdeckt Manser eine kleine Verletzung am Auge des Säuli. «Die können entstehen, wenn die Ferkel spielen oder sich um die Zitzen balgen.» Das Ferkel kommt zurück in die Box. Die drei Männer suchen weiter. Alle Ferkel sind rosa, nur eines ist wie ein Dalmatinerhund gepunktet. «Das sieht speziell aus», sagt Manser.
Als Stallchef von Rickenbach das aussergewöhnliche Säuli in die Arme nimmt, passiert es: Es scheisst ihm auf die Jacke. «Das ist also nicht stubenrein», merkt Manser lakonisch an. Das noch namenlose Tier wird zurück in die Box gestellt.
«Es ist wichtig, dass sie nicht gerade kacken, wenn sie der Bundesrat in den Armen hält.»
Doch verhindern könne man das nicht. Für das Ferkel sei die Situation ungewohnt, doch der Bundesrat sei meist ohnehin nervöser.
Seit 19 Jahren wählt Manser das Säuli aus. Doch wie die Tradition entstanden ist, wisse er nicht. Die Medien fänden Gefallen daran und das Schwein sei ja ein Glücksbringer. Für ihn ist die Begegnung jeweils der Startschuss zur Messe: «Wenn der Bundesrat das Säuli in den Armen hat, dann ist Olma.»
Die dreiköpfige Jury ist sich uneins, wägt ab. Doch nicht immer entscheiden sie. Manser erinnert sich an eine Episode vor fünf Jahren, als Didier Burkhalter die Olma eröffnete. «Das war am kompliziertesten.» Am Vorabend sei eine Frau vom Generalsekretariat gekommen, um die Auswahl für ihren Chef zu treffen.
«Sie hat sogar Testfotos von den Ferkeln gemacht.»
Sonst seien die Bundesräte aber in der Regel nicht pingelig.
Das Dreiergremium hat entschieden: Sie haben das gepunktete Ferkel auserkoren und taufen es Manuela. Ihre schwarzweisse Zeichnung passe zum Wappen von Freiburg, wo Alain Berset aufgewachsen ist.
Als Manuela quiekt, wird auch ihre Mutter in der Box unruhig und grunzt lautstark. «Sie hat einen ausgeprägten Mutterinstinkt», erklärt Manser. Allzu lange dürfe er die Jungtiere deshalb nicht von der Mutter trennen. Er stellt Manuela auf den Hallenboden, wo sie verstummt und munter die Umgebung erkundet.
«Damit das Ferkel übrigens nicht zu fest stinkt, wird es kurz vor dem grossen Auftritt gebadet.»