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Aphasikerinnen und Aphasiker haben nach einer Hirnverletzung Mühe mit Sprechen, Schreiben und Lesen. Singen aber kann helfen, den Zugang zur Sprache wieder zu finden. Am Sonntag tritt der Aphasiker-Chor Ostschweiz in der Offenen Kirche auf – und feiert das zehnjährige Bestehen pandemiebedingt mit einem Jahr Verspätung.
Die Diagnose Aphasie ist eine Zäsur. Es sind vor allem Menschen, die einen Hirnschlag erlitten, die diese Diagnose erhalten. Das Sprachzentrum befindet sich bei den meisten Menschen in der linken Gehirnhälfte. Ist diese von einem Schlaganfall betroffen, haben Patientinnen und Patienten danach oft Mühe mit der Sprache. Ob Lesen, Schreiben, Verstehen oder Sprechen. Das schränkt das Leben ein, der Weg zurück in den Alltag ist oft schwer.
Es gibt verschiedene logopädische Ansätze, eine Aphasie zu behandeln. Ein möglicher Weg ist das Singen. Weil es andere Hirnregionen aktiviert, kann es durchaus sein, dass eine Person nach einem Hirnschlag zwar nicht mehr sprechen, mit etwas Übung aber durchaus noch Texte singen kann. Hier setzt der Aphasiker-Chor Ostschweiz unter der Leitung von Kathrin Pfändler Kehl und Karin Anderegg Franchi an.
Entstanden ist er aus der klinischen Erfahrung von Anderegg Franchi, die vor mehr als zehn Jahren als Logopädin an der Rheinburg-Klinik in Walzenhausen arbeitete. Dort gründete sie eine Singgruppe und sah, was durch den Gesang alles möglich ist. Bald darauf erfolgte die Chorgründung 2010. Heute umfasst der Aphasiker-Chor Ostschweiz rund 25 aktive Mitglieder aus fünf Kantonen, von Zürich bis ins Glarnerland.
Kommenden Sonntag, 16 Uhr, gibt der Aphasiker-Chor nun mit einem Jahr Verspätung sein Konzert zum zehnjährigen Jubiläum. Eigentlich sind es bereits elf Jahre, doch pandemiebedingt musste das Konzert verschoben werden. Weil laut Karin Anderegg Franchi das Einüben der Lieder mit Aphasikerinnen und Aphasikern ohnehin länger dauert als mit einem gewöhnlichen Chor-Ensemble, arbeiten die Sängerinnen und Sänger nun schon zweieinhalb Jahre an dem Auftritt. Zu hören gibt es einen bunten Mix von Schweizer Volksmusik über Schlager bis hin zu afrikanischen Songs.
«Es gibt Menschen, die können mir im Gespräch ihren Namen nicht sagen, aber das ‹Burebüebli› fehlerfrei mit Text singen», sagt Anderegg Franchi. Das bringe nicht nur beim Publikum, sondern auch bei ihr selbst immer wieder Wow-Effekte hervor. Man müsse aufpassen, dass man Aphasikerinnen und Aphasiker nicht unterschätze. Das habe sich auch während der Pandemie gezeigt. Als Singen im Chor verboten wurde, stieg man auf Zoom-Proben um. «Das klappte erstaunlich gut, die Sängerinnen und Sänger haben sich schnell organisiert.»
Der Chor sei allerdings keine Therapieform, eher ein Freizeitangebot, betont Karin Anderegg Franchi. Vielen helfe er trotzdem. Nur schon, weil sie so im regen Austausch mit Menschen sind, die Ähnliches erlebt haben. «Viele sind schon dabei, seit es den Chor gibt.»
Sonntag, 5. September, 16 Uhr: Jubiläumskonzert 10+1 Aphasiker-Chor Ostschweiz. Veranstaltung mit Covid-Zertifikat. Platzzahl beschränkt.