KOMMENTAR
Der St.Galler Stadtrat statuiert an der Stiftsbibliothek ein falsches Exempel

Der St.Galler Stadtrat weigert sich, 127'000 Franken für die Ausfallentschädigung der Stiftsbibliothek zu zahlen. Dass die Hauptstadt dem Kanton in Finanzfragen die Stirn bietet, ist zwar begrüssenswert. Beim Unesco-Weltkulturerbe auf stur zu stellen, wirkt aber ungeschickt.

Luca Ghiselli
Luca Ghiselli
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Die Stiftsbibliothek zieht in normalen Jahren weit über 100'000 Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt an.

Die Stiftsbibliothek zieht in normalen Jahren weit über 100'000 Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt an.

Bild: Arthur Gamsa

Es ist nicht von der Hand zu weisen: Die Stadt St.Gallen trägt zahlreiche Zentrumslasten. Gerade, wenn es um die Kultur geht, hat sich diese Entwicklung mit der Pandemie noch verschärft. Das Resultat in den meisten Fällen: Die Stadt zahlt. Und die umliegenden Gemeinden profitieren zwar vom Angebot, beteiligen sich aber nur in geringem Masse finanziell.

Beim Kanton stösst die Stadt mit diesen Sorgen für gewöhnlich auf taube Ohren – zuletzt im September 2020, als die SP im Kantonsrat einen horizontalen Finanzausgleich forderte und damit sang- und klanglos unterging. Grundsätzlich ist es also gut, wenn die Stadtsanktgaller Exekutive der Kantonsregierung Paroli bietet – und nicht stillschweigend jeden Beitrag zahlt, den der Kanton von ihr erwartet.

Zum grossen Aber: Im Streit zwischen Kanton und Stadt um die Ausfallentschädigung für die Stiftsbibliothek wird ein falsches Exempel statuiert. Und zwar ausgerechnet an der prestigeträchtigsten Kulturinstitution weit und breit. Die Stiftsbibliothek zieht in normalen Jahren zuverlässig über 100'000 Besucherinnen und Besucher an – ein beträchtlicher Teil kommt aus dem Ausland.

Geht es ums Prinzip oder um 0,02 Prozent des städtischen Budgets?

Und diese Gäste geben in St.Gallen ihr Geld aus, indem sie hier übernachten, trinken, essen, einkaufen. Die Standortgemeinde, also die Stadt, profitiert davon unbestritten am meisten. Sich wegen 127'000 Franken stur zu stellen – notabene bei einem jährlichen Budget von rund 600 Millionen Franken – wirkt da kleinlich. Es scheint fast so, als gehe es ums Prinzip, und nicht um die gerundeten 0,02 Prozent des städtischen Budgets.

Erst im Mai hat das Stadtparlament grünes Licht für die Imagekampagne «Sankt» gegeben. Für 400'000 Franken soll sie in den kommenden drei Jahren die Vorzüge der Gallusstadt in die Welt hinaustragen. Dabei darf aber nicht vergessen gehen, dass es auch etwas geben muss, das sich bekanntzumachen lohnt.