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Die Coronapandemie stellt auch die Kirchen vor eine Herausforderung: Wie sollen Gottesdienste noch stattfinden können? Mittlerweile hat man sich arrangiert und sich für die Adventszeit einiges einfallen lassen, und das Gottesdienst-Streaming erweist sich als beliebt.
Vieles wird im Advent, der morgen beginnt, anders sein als in anderen Jahren: Die Weihnachtseinkäufe werden von vielen Menschen online getätigt. Statt grosse Feste mit den Verwandten zu feiern, bleiben die Menschen vor dem Weihnachtsbaum vorschriftsgemäss im engen Familienkreis. Und die Kinderschar wartet vergebens auf den Samichlaus. Corona verrückt auch im Advent vieles – ja, fast alles.
Darunter leiden auch die Kirchen. «Aufgrund der vom Bund beschlossenen Massnahmen ist die Anzahl der Gottesdienstmitfeiernden auf 50 Personen beschränkt»: Dieser Satz oder ähnliche Varianten stehen aktuell auf jeder kirchlichen Website, egal ob bei den katholischen oder reformierten Kirchgemeinden.
Gerade in der Adventszeit und während einer Pandemie fällt der Kirche eine stärkere Rolle zu als üblich. Um trotzdem einer grösseren Anzahl Menschen den Zugang zum Gottesdienst zu ermöglichen, setzen die Kirchen unter anderem auf ein Mittel, das sich seit dem Lockdown bewährt hat: der Streamingdienst. Statt der Messe in einem Gotteshaus beizuwohnen, können Predigten im Internet verfolgt werden.
In der Stadt St. Gallen ist die Firma Gallus Media AG für viele dieser Streams verantwortlich. Sie versorgte etliche Kirchgemeinden bereits vor Corona mit elektronischer Hardware. Johannes Widmer, Geschäftsleiter der Gallus Media, zeigt sich sehr zufrieden:
«Wir können feststellen, dass das Angebot rege genutzt wird.»
Häufig sei die Zahl der Onlinezuschauer um ein Vielfaches höher, als es Besucher in der Kirche habe. Widmer sagt: «Alleine die Domgottesdienste wurden seit März über 20 Millionen Mal angeschaut.» Dabei hatte man nicht nur Zuschauer aus der Schweiz, sondern von überall auf der Welt haben Menschen die St. Galler Gottesdienste geschaut. Das sei aber eine Ausnahme. «Im Schnitt werden die Gottesdienste von Personen in ungefähr 200 Haushalten verfolgt.» Widmer sagt: «Für mich ist wichtig, dass wir nicht einfach einen Gottesdienst dokumentieren, sondern dass wir ihn für die Zuschauer erlebbar machen.»
Nebst dem Streamingangebot mussten auch vor Ort Anpassungen vorgenommen werden, um die Besucherströme zu kontrollieren. Dompfarrer Beat Grögli sagt: «Wir mussten schnell ein System entwickeln, um die Anzahl der Gäste zu limitieren.» Die katholischen Pfarreien im Lebensraum St.Gallen führten deshalb ein Reservationssystem ein, mit dem ein Ticket für den Gottesdienst gelöst werden kann. Grögli sagt:
«Was mir natürlich gegen den Strich geht, ist, wenn wir Menschen abweisen müssen, weil wir die Besucherlimite erreicht haben, obwohl wir noch Platz hätten.»
Das komme besonders an den Sonntagsgottesdiensten vor. «Ich wäre froh, wenn wir wieder zu den 1,5 Metern Abstand zurückkehren könnten. Die Domkirche hat Platz für 1500 Personen; nur 50 reinzulassen, ist schade», sagt Grögli. Zum Vergleich: Die wesentlich kleinere Wallfahrtskirche Heiligkreuz dürfe ebenfalls Gottesdienste mit 50 Personen feiern. Dort habe man allerdings weniger Platz als in der Kathedrale. «Die Zahl steht in keinem Verhältnis», so Grögli.
Auch Markus Unholz, evangelisch-reformierter Pfarrer in St. Georgen, findet, dass man mittelfristig wieder mehr Besucher in die grösseren Kirchen lassen sollte. Doch letztlich sei er dankbar, dass überhaupt Menschen zu den Gottesdiensten erscheinen dürfen. «In anderen Kantonen oder Ländern sind es zum Teil noch weniger, oder es finden erst gar keine Gottesdienste statt», sagt er.
In der Evangelischen Kirchgemeinde Centrum hat die Kirchenvorsteherschaft vor kurzem beschlossen, dass man nun den Stream ausbauen möchte. So sollen mehr Kameraeinstellungen möglich sein als bisher. Es gelte aber zu vermeiden, dass die Internetaffinität zum Kriterium werde, um am Gottesdienst teilnehmen zu können. Unholz sagt: «Wir bitten die Kirchgänger jeweils am Sonntag darum, sich direkt beim Mesmer für den nächsten Gottesdienst einzuschreiben. Man kann sich auch per Mail oder telefonisch bei den Mesmerdiensten anmelden.»
Da grosse Anlässe nicht stattfinden können, liessen sich die Kirchen in der Stadt neue, unkonventionelle Ideen für die Adventszeit und Weihnachten einfallen: Unter dem Motto «Trotzdem Licht» hat sich die katholische Kirche diverse Anlässe überlegt, die trotz Corona durchführbar sind. Darunter sind ein Balkonsingen oder auch eine interaktive Krippenschnitzeljagd. Grögli sagt:
«Aufgrund der Platzbegrenzung denken wir darüber nach, die Mitternachtsmesse nur auf Einladung durchzuführen. Ich würde gerne Menschen einladen, die am Rand der Gesellschaft stehen.»
Das Pfarrteam der evangelischen Kirchgemeinde zeigt im Dezember einen elektronischen Adventskalender. «Die Idee ist, dass wir jeden Tag ein Bild zeigen und einen kleinen Gedanken dazu schreiben. Das soll zum eigenen Nachdenken anregen», sagt Unholz. Zusätzlich werden die Gottesdienste, bei denen eine grössere Nachfrage besteht, doppelt durchgeführt. «Grundsätzlich geht es darum, für die Menschen da zu sein.»