ST.GALLEN. Vielstimmiges Bekenntnis zu einer starken Schule für Gestaltung St.Gallen: Das Redepodest am Mittwoch in der Lokremise wurde zwei Stunden lang benützt, der neugegründete Freundeskreis zählt bereits über 100 Mitglieder.
Ein zünftig-künftiger Schub für eine stärkere, eigenständigere St.Galler Schule für Gestaltung (SfG), die heute besser positioniert ist denn je in ihrer wackligen Geschichte: Das ist das Fazit der zweistündigen Veranstaltung «Laut denken» über die Zukunft der Schule in der Lokremise, mit einem bestens funktionierenden «Speakers' Corner» vor einem erstaunlich grossen Publikum von rund 150 Personen aus der «Kreativwirtschaft» und Umfeld. Oder wie Gastgeber Josef Felix Müller am Ende euphorisch feststellte: «Die Schule ist auf einem superguten Weg, und es kann nur noch besser werden.»
Sein Appell, in der nach dem Streit um die Vorkursgebühren und die Entlassung des Abteilungsleiters Thomas Gerig aufgewühlten Stimmung sachlich und «ohne Verbissenheit, dafür umso mehr Spass» zu diskutieren, wurde von den gut 20 Rednerinnen und Rednern auf dem Podest befolgt: Gehässige Attacken auf die Schulleitung, auf Bildungsbeamte oder Sparpolitiker blieben aus – die «Revanche» spielte nur im so betitelten Stück, das gleichen Abends auf der Lok-Theaterbühne Premiere hatte.
Was nicht heisst, dass es keine kämpferischen Voten gab und dass zumindest einer die Entlassung kritisierte: Paul Rechsteiner betonte als Anwalt Gerigs, dass «ein Arbeitsverhältnis kein Untertanenverhältnis» sei. Man habe Gerig nach seinem «erfolgreichen Widerstand geköpft und wie ein Schwerverbrecher bei den Grossbanken freigestellt», so der SP-Ständerat. Dabei lebe eine demokratische Gesellschaft von der erschwinglichen Bildung für alle; er freue sich über den «Aufbruch von unten, Kultur und Bildung kommt nicht von oben in Bewegung.»
Von der GBS waren auch Rektor Lukas Reichle und Prorektorin und Interims-Abteilungsleiterin Monica Sittaro eingeladen worden – beide liessen sich wegen anderer Termine entschuldigen. In der «überhitzten» Situation sei «Analyse und Sorgfalt» gefragt, äusserte sich dafür Susann Albrecht, Lehrgangsleiterin Propädeutikum Vollzeit; die Probleme in der Führungskultur müsse die Schule selber lösen, während politisch die schweizweite Angleichung des Propädeutikums anzustreben sei.
Erstmals zu vernehmen war auch Markus Eugster, Präsident der Lehrergewerkschaft an der GBS: Nach einer Mutter, die eindringlich die Last unbezahlbarer Ausbildungskosten schilderte, warnte er vor einer «Zweiklassengesellschaft». Das Geld flösse in St.Gallen statt auf den südlichen auf den nördlichen Hügel, kritisierte Eugster (ohne die HSG zu nennen) – obwohl just dort die mittlerweile auch Künstlern aufgezwungenen «Business-Pläne» gemacht worden seien, «die uns an den Tellerrand brachten».
Eigentlich könnte die einzige Ostschweizer Schule für Gestaltung ein «Leuchtturm» und St.Gallen ein «Mekka der Gestaltung» sein, wurde ein Schreiben des städtischen Schulamtsleiters Christian Crottogini zitiert – ein Leuchtturm, der momentan «im dichten Nebel» stecke, wie Müller anmerkte. Die Gründe liegen wohl im ständigen «Widerstreit» zwischen einer organisierten Schule und der Gestaltung, die dynamische Prozesse, Experimente und Irritationen brauche, wie Beate Rudolph, Co-Leiterin Kunst an der SfG andeutete. Mit ähnlichen Gedanken machten sich Kunstschaffende wie Hans-Ruedi Fricker oder Lika Nüssli für Strukturänderungen stark. Aufgrund seiner 39jährigen Lehrererfahrung an der SfG plädierte Norbert Völkle unter starkem Applaus für eine einheitliche und «aus der GBS herausgelöste» Schule. Mit Blick auf die Abgänge von Schulleitern habe er «den Verdacht, dass die komplexen Erwartungen zu wenig transparent kommuniziert» würden. Dass die Schule für Gestaltung 2007 in Grund- und Weiterbildung aufgeteilt wurde, habe sie als «Gesamtgebilde geschwächt», meinte Müller zuvor. Seither seien «drei Leute in den Fluten dieses Systems untergegangen». Im Gegensatz zur Fachhochschule fehle der politische Wille zum Ausbau der SfG, erinnerte Hansjörg Bachmann an die Vorstösse der Gruppe Gestaltung und Kunst (GuK) und ihr Podium von 2003 «zum gleichen Thema».
Trotzdem steht die «vorbildlich organisierte» Schule (Alumni-Sekretär Oliver Ruess) heute besser da. Seit fünf Jahren würden St.Galler Absolventen in Zürich nicht mehr wie früher belächelt, sondern kämen mit hoher Qualität und Selbstbewusstsein, belegte dies Peter Truniger. Der im GBS-Quartier Riethüsli wohnhafte Leiter Vermittlung Kunst und Design an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) wünschte die vielversprechende Bündelung der Zürcher Kunsthochschulen in einem Standort (Toni-Areal) auch St.Gallen: «Design, Kunst, und wenn die Musik dazu kommt, umso besser!»
Vorläufig geht, in Susann Albrechts Worten, «die Arbeit im Tal der Demut weiter» – und die Lobbyarbeit im «Freundeskreis Schule für Gestaltung» erst los.