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Ostschweiz
St.Gallen, Gossau, Rorschach
Bei Andreas Müller dreht sich alles ums Bier. Der Braumeister und Chef der Kornhausbräu spricht darüber, wie die Coronapandemie das Geschäft verändert hat und wie er auf seine ausgefallenen Bierkreationen kommt.
«Ich war überrascht, dass überhaupt Leute gekommen sind», sagt Andreas Müller. Über zwei Monate lang sind die Lichter in der Rorschacher Kornhausbräu aus geblieben. Wo normalerweise klirrende Biergläser und lautes Gelächter zu hören sind, war es ungewöhnlich still – bis der Chef der Brauerei den Barbetrieb vor kurzem wieder öffnen durfte. Zuerst habe er nicht mit viel Kundschaft gerechnet. Doch trotz beschränkter Plätze kamen die Leute:
«Ich hätte nie gedacht, dass wir so gut wieder mit dem Betrieb starten können.»
Dass Not erfinderisch macht, hat der Braumeister während der Coronapandemie einmal mehr bewiesen. Da Müller den Barbetrieb vorerst auf Eis legen musste, suchte er nach Alternativen. «Auf der Strasse haben uns die Leute angefangen zu fragen, wo sie denn nun unser Bier kaufen können», sagt der 59-Jährige. So kam er auf die Idee, einen Onlineshop ins Leben zu rufen. Per Mausklick können sich Kunden überall in der Schweiz das Rorschacher Bier vor die Haustür liefern lassen. Das neue Angebot hat sich gemäss Müller gelohnt: «Wir konnten bereits über hundert Pakete verschicken.» Weil der Verkauf bisher so gut gelaufen ist, habe er sich dazu entschieden, den Onlineshop beizubehalten.
Eine weitere Übergangslösung sei der Rampenverkauf gewesen, der jeden Samstagmorgen geöffnet hatte. Auch dieses Angebot habe bei der Kundschaft viel Anklang gefunden. Trotz der finanziellen Einbussen zeigt sich Müller froh darüber, wie gut sich der Betrieb in der unsicheren Zeit über Wasser halten konnte. Er sagt:
«Es ist schön zu sehen, wie viel Solidarität unsere Kunden zeigen.»
Für Andreas Müller ist Bier viel mehr als nur ein Getränk – es ist seine grosse Leidenschaft. Ob Honig, Passionsfrucht oder Ingwer, der Braumeister lässt seiner Kreativität freien Lauf:
«Bierbrauen hat mich schon immer fasziniert», sagt der gebürtige Berner. Seit der Gründung der Rorschacher Brauerei vor 13 Jahren erfindet und produziert Müller laufend neue Biersorten.
Mit seiner Leidenschaft hat der Braumeister auch seine Familie angesteckt. «Mein Sohn hat ebenfalls Bierbrauer gelernt», sagt er. Ausserdem ist seine Tochter Teil der Geschäftsleitung. Sie ist für den Social-Media-Auftritt, Events und das Barteam verantwortlich. Aktuell stellt sie mit Unterstützung ihres Vaters das nächste grosse Projekt auf die Beine – ein Barbetrieb auf dem Rorschacher Hafenplatz. Die Kornhausbräu werde als Bierlieferantin dienen und Andreas Müller helfe im Hintergrund mit, aber die Leitung des Projekts habe Tochter Michèle mit ihrer Firma Konzept-Kunst mit Sitz in der Zwirnerei in Thal. Der Barbetrieb laufe voraussichtlich vom 12. Juni bis zum 12. September. Gemäss dem Braumeister soll das lokale Gewerbe miteingebunden werden: «Konzept-Kunst möchte eine Plattform bieten, wo sich das Gewerbe, die Gastrowelt und Künstlerinnen und Künstler aus der Region präsentieren können.»
Die Faszination für Bier hat für Andreas Müller schon früh begonnen. Im Käsegeschäft seines Grossvaters bekam er als Kind mit, welche Arbeit hinter der Produktion von Genussmitteln steckt. «Ich habe es sehr interessant gefunden, wie aus einem Rohstoff ein gutes Produkt entsteht», sagt Müller. Er entschied sich daher, eine Lehre als Brauer zu absolvieren und anschliessend die Meisterschule in München zu besuchen.
Nach Rorschach ist Müller nur durch Zufall gekommen. Obwohl die Schweiz heutzutage als das Land mit der höchsten Dichte an Brauereien gelte, habe das vor 30 Jahren noch ganz anders ausgesehen. Wie Müller erzählt, gab es damals lediglich 40 Braustätten. Pro Jahr liessen sich nur ein oder zwei Personen zum Braumeister ausbilden. Zudem sei es üblich gewesen, jahrelang in der gleichen Brauerei zu arbeiten. «Man musste viel Glück haben, eine neue Stelle zu finden», sagt er.
Seine Chance bekam er 1983, als die Brauerei Löwengarten einen neuen Braumeister suchte und ihn direkt einstellte. Als Berner habe er sich in der Ostschweiz schnell wohlgefühlt. «Die Leute haben mich willkommen geheissen und vor allem fand ich das Gebiet am Bodensee sensationell schön», erzählt er. So wurde Rorschach seine zweite Heimat. Hier gründete er eine Familie und bekam mit seiner Frau zwei Kinder.
Im Jahr 2006 änderte sich seine Situation schlagartig. Die Brauerei Löwengarten wurde verkauft und Müller verlor seine Stelle. Er fasste den Entschluss, etwas Neues auszuprobieren. «Aus der Situation heraus entschloss ich mich, zusammen mit vier anderen, selbst eine Brauerei zu gründen», sagt er. So öffnete die Kornhausbräu nach rund einem Jahr Planung ihre Türen und Müller schenkte zum ersten Mal sein eigenes Bier aus.
Zwischen dem ersten Bier und heute hat sich einiges getan. Mittlerweile gehört die Kornhausbräu zu den 50 grössten Braustätten der Schweiz. Nebst den Klassikern produziert die Brauerei zahlreiche ausgefallene Biersorten, denn Andreas Müller experimentiert gerne mit verschiedenen Inhaltsstoffen. Auf Ideen für seine Kreationen stösst der Braumeister meist spontan: «Es kommt darauf an, wann mir eine neue Idee kommt, das kann man nicht so genau planen.»
Das beste Beispiel dafür, wie schwierig es sein kann, mit ungewöhnlichen Rohstoffen zu arbeiten, sei das Herbstbier. Müller hatte die Idee, ein Marronibier zu brauen. Es habe lange gedauert, bis er mitten in der Erntezeit noch jemanden fand, der ihm hundert Kilo Marroni verkaufen konnte. Am Anfang ging das Experiment allerdings nicht so gut auf, wie geplant, sagt Müller:
«Im Brauprozess bildet sich normalerweise Schaum, was hier jedoch nicht geschehen ist.»
Er liess sich jedoch nicht entmutigen und probierte weiter aus – mit Erfolg. Die neue Sorte sei gut bei der Kundschaft angekommen. Manchmal sei es einfacher, Leute mit einem Spezialbier statt mit einer klassischen Sorte zu überzeugen. Er sagt:
«Am schwierigsten ist es helles Bier zu brauen, weil davon die meisten bereits eine Vorstellung haben, wie es schmecken soll.»
Schon seit Monaten hat Müller vor, im Laufe dieses Jahres wieder ein neues Bier zu brauen. Bisher sei er noch nicht dazu gekommen: «Durch Corona ist alles ein wenig schwieriger geworden», sagt er. Müller rechnet nun damit, dass das neue Bier diesen Herbst auf den Markt kommt. Er könne sich vorstellen, wieder einmal ein kupferfarbiges Bier zu brauen. Was es genau werde, könne Müller er aber noch nicht sagen:
«Noch habe ich keine zündende Idee gehabt, aber die kommt mir schon noch.»