In der Region Rorschach leben noch heute einige Fledermausarten. Eine Beobachtungstour wurde kürzlich jedoch von einem Schwarm Bienen vereitelt. Diese hatten etwas ganz anderes vor.
Es ist abends, die Sonne ist noch nicht untergegangen, doch die Schatten werden länger. Eine Besprechung im Naturareal Rorschach, das von Alice Oberli geleitet wird, soll auf das Ziel des Abends vorbereiten: Fledermäuse in der Region aufspüren, um sie beobachten zu können.
«Fledermäuse sind mittlerweile selten geworden», sagt die Fledermausschützerin Oberli gerade, als die Augen der anwesenden Journalistin etwas anderes entdecken.
Ein kleiner, rötlich bemalter Kasten steht in der Nähe eines Baums. Darin wohnt ein kleiner Bienenschwarm. «Die Bienen haben wir letzt von einem Dachboden eingefangen», erklärt die Imkerin. Alice Oberli öffnet den Bienenkasten und zeigt stolz den kleinen Schwarm. Die Bienen sind gerade dabei, ihre Waben zu erweitern. Nicht unweit des Kastens, an einem grossen Kirschbaum, herrscht auf einmal reges Treiben: Lauter Bienen schwirren herum. Besonders an einem Blatt scheinen sie Interesse zu haben. Doch bei dem Surren bleibt es nicht, innerhalb kürzester Zeit bildet sich eine Art Traube aus Bienen.
Für Alice Oberli ein Schreckmoment. Gerade eine Stunde zuvor hatte sie einen grossen Schwarm Bienen in einen sogenannten Weissenseifener Bienenhängekorb einlogiert. Der Korb ist aus Stroh geflochten und zum Schutz mit einer Lehmschicht überzogen. Auf einer Höhe von etwa dreineinhalb Metern wird der Korb von drei Pfosten gehalten. Wie alles im Naturareal, ist auch dieser selbst gemacht.
Eigentlich ein ideales Quartier für Bienen, doch diesen gefällt die neue Behausung nicht. Zumindest scheint es im Moment der Fall zu sein. Zur Überprüfung ihrer Theorie hebt die Imkerin den Deckel des Korbes an und heraus kommt eine Vielzahl von Bienen. «Das ist seltsam», sagt Oberli nachdenklich.
«Wenn der Schwarm wirklich ausgeflogen wäre, dann würden wir hier jetzt nicht so viele Bienen herauskommen sehen.»
Doch was mit den Bienen im Kirschbaum machen? Für die Nacht ist ein Gewitter angesagt. Ein grosses Problem für die nun ungeschützten Insekten. In der Höhe von etwas mehr als dreieinhalb Metern wären sie vor allem dem Wind schutzlos ausgeliefert.
Ein Trauerspiel, das Alice Oberli gerne vermeiden würde. Einziges Problem: Ihr fehlt derzeit eine Leiter. Kurzerhand ist das Telefon gezückt und Verstärkung angefordert. Diese kommt mit Anhänger und Leiter in Form von Christina Graf kurze Zeit später vorgefahren. Sie ist selbst Imkerin und hat schon die ein oder andere Biene mit Alice Oberli eingefangen. Nach kurzer Überlegung, wo die Leiter aufgestellt wird und ob die Bienen nun abgeschüttelt oder abgeschnitten werden, geht es los: Christina Graf übernimmt die Aufgabe, die Bienen vom Baum zu holen. Dafür besprüht sie die Bienentraube leicht mit Wasser. «Du brauchst gar nicht viel», sagt Oberli.
«Zwei, drei Spitzer reichen, damit die Bienen ruhiger werden.»
Dann muss es schnellgehen. Ein vorbereiteter Kasten wird unter die Bienen gehalten. Mit einem Ruck schüttelt Christina Graf die Bienen in den Korb. Wichtig ist vor allem die Königin, da die Bienen ihr folgen. Vorsichtig steigt Graf die Leiter herunter, ein kurzer Blick in den Kasten bestätigt: Die Königin ist drin und der Deckel wird aufgesetzt. Eine kleine runde Öffnung am einen Ende wird offengehalten. «Damit können sich die Bienen bei ihrer Königin sammeln», erklärt Alice Oberli.
Etwas später steht fest, der eingefangene Bienenschwarm ist der aus dem Korb. Mittlerweile lebt er in einer Bienenkugel. Die Fledermäuse müssen warten.