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Unbekannte setzten 1879 die Erlenholz-Brücke zwischen Wittenbach und Waldkirch-Bernhardzell in Brand. Den Gemeinden blieben dadurch Sanierungskosten erspart. Doch die Freude währte nicht lange.
Freudiges Johlen mischt sich ins Prasseln der Flammen. Während die Sitterbrücke im Erlenholz niederbrennt, wird am linken Flussufer gefeiert. «Von der Bernhardzeller Seite her hörte man Jauchzen», schreibt die Zeitung «Ostschweiz» am 8. April 1879. In der «St. Galler Zeitung» heisst es, man habe während des Brandes «Freudegeschrei und Schiessen» vernommen.
Über die Ursache des Feuers sind sich die Medien einig: «Es liegt ausser allem Zweifel, dass die Brücke ein Opfer der Brandstiftung geworden ist», schreibt das «St. Galler Tagblatt». Das Holz sei mit Petroleum getränkt gewesen, ist in der «Ostschweiz» zu lesen. Einige «verdächtige Individuen» seien inhaftiert.
Wer die Holzbrücke zwischen Wittenbach und Waldkirch angesteckt hat, bleibt ungeklärt. Die Zeitungen deuten an, dass die Brücke den beiden Gemeinden im Weg gestanden ist. Denn diese planen eine neue Strasse über die Sitter – weiter nördlich, von der Bächi nach Lee. Das Projekt soll über 200000 Franken kosten. Eine zusätzliche, dringend nötige Sanierung der Erlenholzbrücke hätte die Gemeinden «in eine enorme Schuldenlast gestürzt», schreibt das «St. Galler Tagblatt» am 9. April 1879.
Wegen der finanziellen Belastung wollen Wittenbach und Waldkirch gemäss Regierungsratsprotokollen keine Ersatzbrücke bauen. Die Gemeinden ersuchen den Kanton, sie von der Baupflicht zu dispensieren, «weil die Ausgaben hierfür erdrückend wären». Und weil eine provisorische Brücke im Fall eines Hochwassers weggespült werden könne. Ausserdem seien die technischen Vorbereitungen für die geplante Brücke zwischen Bächi und Lee bereits angeordnet. Zuvor haben 34 Anwohner des Sitterufers ein Gesuch an den Kanton gestellt. Sie fordern, dass die Gemeinden die zerstörte Brücke wiederaufbauen, zumindest ein Provisorium erstellen.
Nun beginnt das Hin und Her zwischen Kanton und Gemeinden. Erst befreit der Regierungsrat Waldkirch und Wittenbach von der Pflicht, beim Erlenholz eine provisorische Brücke über die Sitter zu bauen – unter der Bedingung, dass die beiden Gemeinden das Strassenprojekt Bächi-Lee vorantreiben. Fünf Monate später haben die Gemeinden das Projekt aber noch nicht eingereicht. So werden sie von der Regierung dennoch zum Bau einer «provisorischen Fahrbrücke» im Erlenholz verpflichtet. Schliesslich klagen immer mehr Anwohner über die fehlende Verbindung über die Sitter im Erlenholz, wie den Protokollen des Regierungsrats zu entnehmen ist.
Waldkirch und Wittenbach stellen in den Jahren 1879 und 1880 noch drei weitere Gesuche. Sie wollen von der Verpflichtung, im Erlenholz eine neue Brücke bauen zu müssen, befreit werden. Der Wittenbacher Gemeinderat fragt ausserdem bei Baudepartement nach, ob er die Unterhaltspflicht für die Brücke den privaten Anstössern überschreiben dürfe. Vergeblich. Waldkirch schickt eine von 92 Einwohnern unterschriebene Erklärung an die Regierung. Darin steht, dass die Bürger kein Bedürfnis haben nach einer Notbrücke im Erlenholz.
Umsonst. Der Kanton bleibt hartnäckig. Er verlangt von den Gemeinden den Bau einer neuen Sitterbrücke. Noch 1880 wird ein Provisorium gebaut. 1885 werden die Pläne für eine Eisenkonstruktion eingereicht. Auch mit dem Bau der Lee-Brücke wird in diesem Jahr begonnen.
Die Brandstifter werden auch in den Jahren darauf nicht gefasst. In einem Gedicht über den Brand von Christina Stärkle-Müller aus dem Jahr 1882 heisst es dazu: «Wer dies böse Tat vollbracht / das blieb bis heut verborgen / doch wird es doch ans Licht gebracht / wenn heute nicht, doch morgen / Und sollte er es auch bergen können / der so schlimme, schlaue Wicht / Er wird doch die Tat bekennen / wenn der Tod sein Auge bricht.»