Jeden Monat tanzen im «Vita Tertia» fröhlich und ausgelassen über 55-Jährige. Gerade bei Senioren ist das Tauschen des Tanzpartners wichtig. Doch auch im höheren Alter kann Eifersucht mitspielen.
Sebastian Schneider
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«Es tut einfach gut; ich tanze schon mein Leben lang», sagt eine Seniorin. Die Hobbytänzerin ist an diesem Nachmittag ins Alterszentrum Vita Tertia gekommen, um zu tanzen und sich mit Spass und Freude fit zu halten. Sie tanzt mit anderen Frauen und anderen Männern, je nachdem, wer gerade mag. Ihr Mann sei nicht so der begeisterte Tänzer, und er begleite sie nicht in die Disco. Eine Freundin der Seniorin lacht: «Mein Mann hatte heute dummerweise einen Zahnarzttermin.» Allerdings sei er so ein Lieber und komme fast immer mit: «Obwohl er nicht gerne tanzt», schwärmt die Frau. Am selben Tisch im eigentlichen Speisesaal pausiert ein Mann, der alleine vom Rheintal angereist ist. «Ich gehe mehrmals pro Woche tanzen. Meine Frau mag aber nicht immer mitkommen, deshalb bin ich in Gossau meistens alleine.» Doch tanzen muss an diesen Tanznachmittagen niemand alleine. Dafür wurde gesorgt.
«Schauen Sie», sagt die Organisatorin Cornelia Plüss, «der Männeranteil an unserer Ü55-Party ist nicht einmal so schlecht.» Trotz des schönen Wetters sind über 30 tanzfreudige Seniorinnen und Senioren auf der Tanzfläche. Sie bewegen sich gekonnt zu Schlagerliedern, Rock ’n’ Roll, oder Cha-Cha-Cha. Ein Aufwärmen brauchen die Hobbytänzer nicht: Sobald Gino auf dem Keyboard spielt und dazu singt, ist etwas los auf der Tanzfläche. «So ein dankbares Publikum gibt es nur hier», strahlt Gino, der, wie er sagt, nicht für Senioren spiele, sondern für Junggebliebene. «Ich komme jeweils mit viel Energie hierher, und ich gehe auch mit viel Energie wieder.» Das Geben und Nehmen zwischen dem Musiker und den Tanzgästen macht sich in der fröhlichen Stimmung bemerkbar. Für die etwas älteren Gäste legt Gino mehr Pausen ein als gewohnt. Sobald die Musik wieder spielt, suchen sich Männer und Frauen oft eine neue Tanzpartnerin oder einen neuen Tanzpartner. «Partnertausch ist mir wichtig», betont Cornelia Plüss. Gerade bei der älteren Generation, die in dieser Hinsicht konservativer denken mag, sei es nicht ganz einfach, die Wichtigkeit des Partnerwechsels zu vermitteln. «Am Anfang habe ich wohl einige Besucher vergrault.» Denn auf die Tanzpartnerwechsel hätten einige ziemlich eifersüchtig reagiert. Vor etwa drei Jahren stiess Plüss allerdings auf eine Studie, die sie mit guten Argumenten stützte. «Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass Tanzen mit anderen Partnern der Demenz vorbeugt, weil man auf diese Weise das Gehirn intensiv trainiert.»
Die Tanznachmittage im «Vita Tertia» gibt es seit bald fünf Jahren. Ins Leben gerufen und organisiert werden sie vom Trainings- und Showtanzverein Gossau, dem Dance-Move-Club. So erhält Cornelia Plüss von Vereinsmitgliedern auch Hilfe bei der Kasse oder beim Umgestalten des Speisesaals. Die 47-jährige Tanzlehrerin hat eine Mission: «Ich will, dass jeder Mensch tanzt.» Nicht nur, weil Tanzen ihre Leidenschaft ist, sondern weil sie davon überzeugt ist, dass Tanzen jedem guttut, egal ob Kind oder Greis. Darum plant Plüss mit ihrem Verein Anlässe zur Tanzförderung im nächsten Jahr. Darunter ist auch ein Projekt für Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren.
Derweil animiert Gino die Gäste zum Tanzen. Eine Besucherin kommt auf Cornelia Plüss zu: «Kann ich das Babypuder haben?», fragt sie die Tanzlehrerin und läuft zu Gino, wo sie neben dem Keyboard das Puder auf den Boden schüttet. Das seltsam anmutende Ritual hat einen guten Grund. Der Boden im Vita Tertia haftet zur Sturzvorbeugung besser als gewöhnlicher Parkett. Das kann wiederum beim Tanzen stören. Einige Senioren schmieren nun ihre Schuhe, ehe es weitergeht. Auch dieser Nachmittag stimmt Plüss zufrieden. Nur etwas erstaunt sie: Von den zirka drei Dutzend Tänzern ist nur einer ein Heimbewohner des «Vita Tertia»: «Und das obwohl der Anlass für die Heimbewohner gratis ist.»
Nächste Tanzstunden finden kommenden Montag statt.