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Nach 40 Jahren Vergolderei und Restaurierungen schliesst Herbert Klopfer Ende Jahr sein Atelier in der nördlichen St.Galler Altstadt. Einen Nachfolger gibt es nicht.
«Eine Dame mit Hündchen kam in den Laden. Sie bat mich darum, Blattgold auf dessen Wunde zu legen, damit diese heile», erzählt Herbert Klopfer und muss selber lachen. Ein «Doktor» war er zwar in manchen Fällen, etwa in der Klinik Pfäfers, wo man ihn auch schon einmal in seinem weissen Arbeitskittel mit dem Arzt verwechselte.
Ein andermal brachte ein Kunde eine Ikone vorbei, die er bei einem im Rheintal ansässigen russischen Mönch hatte «restaurieren» lassen. «Es stellte sich heraus, dass der Bronze statt Blattgold verwendet hatte und die Farbtöne überhaupt nicht stimmten. Der Kunde beschwerte sich beim Mönch, worauf dieser erwidert haben soll, er müsse nur geduldig warten, ein Jahr oder so, dann verwandle sich die Bronze von selbst in Gold.»
Mit Esoterik, Alchemie und Hokuspokus hat Herbert Klopfer, seit 60 Jahren in seinem Beruf tätig, nichts am Hut. Es sei denn, man betrachte sein Kunsthandwerk, das von seiner Stammkundschaft hochgeschätzt wird, als Zauberei.
Der Mann ist einziger Meister seines Fachs in der ganzen Ostschweiz. Es braucht viel Erfahrung, Fingerfertigkeit, Kreativität und Fachwissen von Epochen, Kunststilen und Restaurationstechniken, um die Vielfalt der Aufträge auszuführen, für die man ihn holt. Die Lehre absolvierte der heute 80-Jährige im Rahmengeschäft des Vaters im Zürcher Seefeld. In den 1960er-Jahren zog es ihn nach Paris, wo er seine Kenntnisse als Vergolder und Restaurator von Gemälden und Skulpturen vertiefte. Als man für die Restaurierung des Orgelprospekts in der Kathedrale St.Gallen Fachleute suchte, klopfte man bei Klopfer an. Gemeinsam mit einem Berufskollegen kam er ins Schwitzen, als Siegfried Hildenbrand, damals Domorganist, gleichzeitig übte. «Die zum Auftragen bereiten hauchdünnen Goldblättchen kamen arg ins Vibrieren.»
Klopfer sollte der Ostschweiz erhalten bleiben. An die Kirchgasse, wo der Vater einer Tochter vor 40 Jahren ein Atelier eröffnen konnte, pilgerten Kundinnen und Kunden von weit her. Sein Goldhändchen bei der Reparatur von Gemälden und Einrahmungen, sein feines Gespür bei Wohnberatungen und Schätzungen und als Sachverständiger für den Kulturgüterschutz sprachen sich bald herum.
Wenn sein Laden zu regulären Öffnungszeiten geschlossen blieb, machte Herbert Klopfer nicht etwa Ferien, sondern weilte bei seinen Auftraggebern, oft in Museen und Kirchen. Im Frauenkloster Appenzell sei die Oberin Ende Woche jeweils mit einem Trinkgeldsäckel und einem Stumpen-Sortiment vorbeigekommen, eigentlich waren sie reserviert für die HH, will heissen die Herren Hochwürden auf Stippvisite.
Ausgerechnet während seiner Beschäftigung in der Nothelferkapelle in Engelberg seien plötzlich zwei Polizisten in Uniform da gestanden. Jemand hatte sie gerufen, weil sie einen Einbrecher vermuteten. Klopfer, weder in Geld- noch sonst in Not, kniete, gewandet in obligate weisse Arbeitstracht, hinter dem Altar. Die Beamten seien dann gleich bis zur Mittagspause geblieben – zwar andächtig, aber seines Wissens nicht betend.
So viele Anekdoten! Wehmut kommt erst auf, als er vom endgültigen Ende seiner langen Zeit neben der Kirche St.Mangen zu sprechen beginnt. Die Begegnungen und Gespräche mit langjährigen Kundinnen und Kunden seien eine enorme Bereicherung gewesen. Arbeit gebe es bis zuletzt. Trotz veränderter Einrichtungstrends, trotz Einkaufsparadiese. Ab dem neuen Jahr wird er zu Hause eine kleine Werkstatt weiterführen; Nachfolger wird es in der Kirchgasse nicht geben. Eine weitere Kostbarkeit im Stadtzentrum wird ein Goldstäublein in der Gasse sein.
Das gesamte Inventar wird an der Kirchgasse 14 ab sofort und noch bis Ende Dezember zu stark reduzierten Preisen angeboten. Weitere Informationen unter Telefon 079 303 08 85.