Kolumne
Gegentribüne: Der FC St.Gallen wird vom Terminplaner unfreundlich behandelt

Will der FC St.Gallen Meister werden, muss er auch den Terminplaner besiegen. Denn gegenüber dem Titelverteidiger Young Boys ist er um nicht weniger als neun Ruhetage benachteiligt, gegenüber dem FC Basel um sieben. Ein bisschen viel bei total 13 Runden auf der letzten Meisterschaftsstrecke.

Fredi Kurth
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Gegentribüne-Kolumnist Fredi Kurth.

Gegentribüne-Kolumnist Fredi Kurth.

Bild: Urs Bucher

Selbstverständlich figurieren im letzten Saisondrittel für alle Teams gleich viele Begegnungen und fast gleich viele Ruhetage auf dem Spielplan. Entscheidend ist vielmehr, in welchem Umfang der nächste Gegner seit dem vergangenen Spiel pausieren konnte. Hatte er einen Ruhetag mehr, einen weniger oder gleich viele? Gerade im engen Programm der finalen Phase kann es zu Unregelmässigkeiten kommen, die möglichst auszugleichen, des Spielplaners höchste Pflicht sein dürfte, würde man meinen.

Was für ein Irrtum

Am Donnerstag bei einem Treffen ehemaliger St.Galler Fussballer und Klubfunktionäre äusserte sich ein Kollege besorgt darüber, dass die Gegner des FC St.Gallen zu häufig mit einem Ruhetag mehr ausgestattet seien. Ich dachte, das sei vielleicht allzu sehr durch die grün-weisse Brille betrachtet. Ich versuchte ihn zu beruhigen mit dem Hinweis, dass dies schon rein mathematisch kaum möglich sei und sich im Totalen bestimmt ausgleichen werde. Doch wie sollte ich mich täuschen. Weil ich in Algebra eine Wurzel war, hätte ich mir da nicht so sicher sein sollen.

Wettbewerbsverzerrung

Tatsächlich sind bei genauerer Betrachtung die Abweichungen so gravierend, dass auch Absicht dahinter stecken könnte. Für mich ist es Wettbewerbsverzerrung par excellence. Man kann sagen, dass die vier Tage Ruhepause des FC St.Gallen gegenüber den fünf, die dem FC Zürich am Donnerstag vergönnt gewesen waren, vernachlässigbar sind.

Die St.Galler konnten sich einen Tag weniger lang erholen als die Gegner aus Zürich.

Die St.Galler konnten sich einen Tag weniger lang erholen als die Gegner aus Zürich.

Bild: Michel Canonica

Doch schon am Sonntag tritt der FC Thun mit einem Ruhepolster von vier gegenüber zwei der St.Galler im Kybunpark an. Grob gerechnet: 96 Stunden statt 48 Stunden. Nun mag bei der Wiederaufnahme der Meisterschaft solches Missverhältnis noch verkraftbar sein. Schliesslich sind da alles junge Menschen am Werk.

In sechs Spielen hat St.Gallens Gegner mehr Ruhetage

Wenn es terminliche Disbalancen gibt, dann hat meistens die eine Mannschaft drei, die andere bloss zwei Tage Pause vor dem Spiel. Doch just hier, wie Ärzte und Physiotherapeuten bestätigen, ist das Verhältnis sehr ungünstig für die benachteiligte Mannschaft. Weiter hinaus (3:4, 4:5 oder 5:6 Tage Ruhe) gleicht sich der Erholungseffekt immer mehr aus. Diese 3:2-Tage kommen beim FC St.Gallen nicht weniger als fünfmal vor.

Beim ersten Heimspiel seit Wiederbeginn durften 750 Fans ins Stadion.

Beim ersten Heimspiel seit Wiederbeginn durften 750 Fans ins Stadion.

Bild: Michel Canonica

Ein einziges Mal, am 5. Juli daheim gegen Sion, steht Zeidlers Team einem Gegner gegenüber, der einen Tag weniger lang ausruhen konnte. Viermal aber hat der Gegner mindestens drei Ruhetage bei nur zwei Tagen Unterbruch für die St.Galler. Das liest sich total wie folgt: In sechs Spielen hat der Gegner mindestens einen Ruhetag mehr, in fünf Partien ist das Verhältnis ausgeglichen und bloss ein einziges Mal in 13 Partien, eben jenem gegen Sion, hat St.Gallen diesbezüglich einen Vorteil.

Auch Basel gegenüber St.Gallen bevorteilt

So weit, so schlecht. Könnte aber sein, dass die Young Boys beim «Leue» (Ausruhen) ebenfalls in Schieflage gesetzt worden sind. Doch weit gefehlt. Der Schweizer Meister trifft auf Gegner, die total drei Ruhetage weniger haben – der Unterschied zum FC St.Gallen und dessen Nachteil summiert sich somit auf neun Tage. Beim FC Basel heben sich Plus- und Minustage auf, was aber immer noch einen Vorteil von sechs Tagen gegenüber dem FC St.Gallen bedeutet.

Das Abenteuer geht weiter. . .

Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Missverhältnis der Klubleitung verborgen geblieben ist. Aber wahrscheinlich will niemand auf Vorschuss eine Entschuldigung suchen. Man traut der Mannschaft zu, auch diese Hürde galant zu überspringen. Das gehört zum heissen Sommerabenteuer. Warten wir ab. Den Young Boys hat der Tag mehr Ruhepause gegenüber Thun nichts genützt.

Ebenso sehr hat Basel mit einem Tag weniger Regeneration bei Xamax gewonnen. Auch ich bin der Meinung, dass die St.Galler all diese Sticheleien wegstecken und das Abenteuer immer noch unbeschwert fortsetzen können. Egal, ob Platz eins, zwei oder drei am Ende herausschaut, die Saison wird unvergessen bleiben.

Nicht das erste Mal

Aber unprofessionell hat sich die Fussball-Liga einmal mehr verhalten. Noch ist es nicht lange her, dass bei der Terminplanung ein Leichtathletik-Anlass im Heimstadion von GC und FCZ übersehen wurde und die Termine weit hinaus angepasst werden mussten – zum Nachteil des FC St.Gallen. Von wegen Verschwörungstheorien.

VAR schwieg – aber nicht entscheidend

Da war doch wieder etwas mit dem VAR, der schon fünfmal bei Spielen des FC St.Gallen eingegriffen hat, jedes Mal zu seinem Nachteil und nicht immer berechtigt. Am Donnerstag wäre Revanche angesagt gewesen, denn Schiedsrichter Lukas Fähndrich hat nach einer halben Stunde ein ziemlich klares Händevergehen des FCZ-Läufers Benjamin Kololli im Strafraum übersehen.

FCSG-Präsident Matthias Hüppi hatte am Donnerstag nichts zu jubeln.

FCSG-Präsident Matthias Hüppi hatte am Donnerstag nichts zu jubeln.

Bild: Michel Canonica

Mit ausgestrecktem Arm zog er den Ball auf dem Boden liegend über den Rasen, vergleichbar mit dem bestraften Handspiel von Miro Muheim im Vorcorona-Match gegen die Young Boys. Elfmeter, das ist der Befund der Teleclub-Experten Daniel Gygax und Philippe Montandon. Hätte YB oder Basel gespielt, der VAR im dunkeln Keller hätte sich gemeldet, das ist meine Überzeugung.

Systemabsturz mitten im Spiel

Zu billig wäre es, die Niederlage des FC St.Gallen mit diesem Vorfall zu erklären. Die Partie verlief ähnlich wie jene vor Weihnachten. Ein anfänglich starker FC St.Gallen musste sich schliesslich deutlich beugen. Dennoch gab es einen markanten Unterschied: Damals hatte St.Gallen viel Pech, diesmal war Zürich am Ende die deutlich bessere Mannschaft. Zeidlers System stürzte mitten im Geschehen ab, weil die personelle Situation und somit die Abwehrreihe völlig aus den Fugen geraten waren. Inskünftig dürfte weiter gelten: Die Stammformation ist tot, es lebe die Rotation. Erst recht bei diesem Spielplan.