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Die Lehrer am «Friedberg» haben sich frühzeitig auf die Schulschliessung vorbereitet. Das zahlt sich jetzt aus.
Gabi Weber klappt im verwaisten Schulzimmer C6 der Klasse 1a ihr Tablet auf. Wenn die Lehrerin die Kamera auf ihrem Bildschirm einstellt, sieht sie vier Gesichter ihrer 13-jährigen Schüler, die zu Hause auf die Französischstunde warten. Nevio, Selma, Kevin und Nila schauen ernst und konzentriert. Weber fragt:
«Eli, tu es là?»
Ein Kind nach dem anderen, bis sie alle 14 am Draht hat. Heute steht ein Test an. «Nicht spicken mit dem Wörterbuch», mahnt die sportliche Gossauerin mit Brille und kinnlangem blonden Haar.
Ob jemand schummelt, kann sie aber nicht mehr kontrollieren. Weber vertraut ihnen. «Unsere Schüler wissen genau, dass sie keine Ferien haben.» Sie überwacht auch nicht dauernd, ob alle ihre Schäfchen vor dem Bildschirm sitzen. «Wir machen hier keinen Big Brother.»
Glücklicherweise haben alle 180 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Friedberg in Gossau einen eigenen Laptop. «Bring your own device», heisst es an der halbprivaten Schule schon länger.
Jetzt profitiert man davon: Seit vergangenem Montag hat sich der Unterricht vom Klassenzimmer ins Internet verlagert. «Distance-Learning-Setting», nennt sich das.
Das 24-köpfige Lehrerteam witterte schon Anfang März, dass der Worst Case eintreten könnte: die Schulschliessung. Sie installierten auf ihren Computern die App «Microsoft Teams». Damit können sie Klassen via Videokonferenz beschulen.
Technisch versierte Lehrer instruierten ältere Kolleginnen und Kollegen. Auch jene, die mit der Digitalisierung nicht viel am Hut hatten, machten mit.
Die 54-jährige Gabi Weber hatte am Anfang etwas Bedenken wegen der Technik. Aber dann hatte sie die App im Nu im Griff. Als der Bundesrat am Freitag, dem 13. März, die landesweite Schulschliessung bekanntgab, war das Friedbergteam parat und hatte die Eltern bereits informiert.
Am Wochenende berieten die Lehrpersonen dann noch die Stundenpläne, sodass sie am Montag mit dem Distance Learning loslegen konnten. «Einzig unsere Sportlehrer haben jetzt ein didaktisches Problem», sagt Prorektor Sebastian Lamm.
Die Schulglocke am Friedberg bimmelt wie immer, aber die Zimmer sind leer, die Stühle fast in jedem Raum auf den Tischen:
An den Wänden hängen Zeichnungen und Collagen über die politischen Parteien der Schweiz und die Maoris in Neuseeland.
Am dritten Unterrichtstag ist die Stimmung unter den wenigen Lehrern, die sich im Gebäude aufhalten, noch immer munter. Rektor Lukas Krejci ist stolz, dass es dem Team so reibungslos gelungen ist, den Unterricht sicherzustellen:
«Ich spüre eine starke positive Energie.»
«Wir haben die Challenge angenommen, mit viel Energie und Motivation. Niemand hat gemault», sagt Krejci.
Allerdings vermissen die Schüler ihre Gspänli. «Auch wir Lehrer vermissen unsere Klassen», sagt Claudio Fritsche. Es sind die kleinen Dinge, die dem 28-Jährigen fehlen: Ein lachendes Gesicht, die aufgestreckten Hände wissbegieriger Teenager oder mit einem Schüler in der Pause über Fussball zu fachsimpeln.
«Spielerische Sachen bleiben im digitalen Unterricht auf der Strecke.»
Fritsche versucht trotzdem, die Englischstunden kreativ zu gestalten: Er wies die Schüler etwa an, ein Kapitel aus «Harry Potter» zu lesen und dann einen Selfie-Clip darüber zu filmen. Es müsse nicht oscarreif sein. Dabei eignen sich die Jugendlichen auch IT-Kompetenzen an.
«Digitalisierung ist jetzt nicht mehr nur cool und fancy. Jetzt müssen wir sie nutzen», sagt Fritsche. Sieben Stunden am Tag vor dem Laptop zu sitzen, ist für die Jugendlichen eine happige Umstellung.
«Es erfordert Disziplin», sagt Gabi Weber. Wenn bei einer Videokonferenz alle dreinrufen, wird es unangenehm für die Ohren. Es gehe jetzt alles etwas langsamer.
Seit Tagen kursieren Gerüchte, dass die Maturaprüfungen im Mai nicht stattfinden würden. «Auf keinen Fall», sagt Prorektor Sebastian Lamm. «Unser Ziel ist, dass wir sowohl die Matura als auch Promotionsentscheide sicherstellen können.» Gerade in einer solchen Zeit sei es wichtig, sich Ziele zu setzen.