Foodwaste
Ein Thurgauer rettet tonnenweise Gemüse und Obst und verkauft es in der Region St.Gallen günstig weiter

Inzwischen ist Ivo Streiff in zwölf Gemeinden tätig: Online reservieren seine Kundinnen und Kunden Obst und Gemüse, dass er zuvor Grossverteilern abgekauft hat.

Rita Bolt 1 Kommentar
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Ivo Streiff mit einer Kundin: Der 50-Jährige verkauft Lebensmittel weiter, die sonst im Abfall landen würden.

Ivo Streiff mit einer Kundin: Der 50-Jährige verkauft Lebensmittel weiter, die sonst im Abfall landen würden.

Bild: Rita Bolt

Ivo Streiff fährt mit seinem Lieferwagen auf den Parkplatz beim Businesspark an der Lagerstrasse 4 in Gossau. Er lädt Kisten und Schachteln gefüllt mit Fenchel, Süsskartoffeln, Spinat, Rucola, Avocados, Orangen, Äpfel, Birnen, Ananas, Melonen und mehr aus. «Heute herrscht Grossandrang», sagt er und klingt freudig. Denn die letzten zwei Mittwoche konnte er nicht nach Gossau fahren, einmal war er krank, einmal verhinderte der Schnee die Fahrt.

Streiff hat recht mit dem Grossandrang: Es warten viele Kundinnen und Kunden. Eine Frau nennt die Bestellnummer, unter der sie die Waren im Foodchat reserviert hat. Ivo Streiff nimmt das entsprechende Blatt aus einem Ordner und stellt das Gemüse und Obst zusammen – es wird eine gut gefüllte Kiste. Sie komme aus Engelburg und nehme die Bestellung für fünf Familien mit, erklärt die Frau. Es ergebe ja keinen Sinn, wenn alle fünf nach Gossau fahren. Eine andere Frau aus Flawil erklärt, dass ein Teil ihrer Ware für ihre Schwester sei. Obst und Gemüse gehen weg wie warme Weggli. Bezahlt wird mit Twint oder Bargeld. Zu einer Kundin, bei der Twint nicht funktioniert, sagt Streich: «Bezahle es nächstes Mal», und fügt mit einem Lachen an: «Bei mir sind alle Kunden kreditwürdig.»

In St.Gallen dasselbe Prozedere

Nach dem 45-minütigen Verkauf in Gossau fährt Streiff mit seinem Lieferwagen direkt nach St.Gallen an die Sonnenstrasse bei den Olma-Messen. Um 18.15 Uhr beginnt dort das gleiche Prozedere wie in Gossau; die vorbestellten Früchte und Gemüse zusammenstellen und abgeben. «Der Kontakt mit den Kunden macht mir grossen Spass», sagt der 50-Jährige.

Das Geschäftsmodell von Ivo Streiff ist einfach: Er kauft Grosshändlern Früchte und Gemüse ab, die sie in den Läden nicht verkaufen können. Die Rüebli sind zu krumm, die Bananen zu wenig gebogen, die Äpfel zu gross, der Spargel zu dünn. Ein anderer Grund kann sein, dass die Früchte und das Gemüse aus einer Überproduktion stammen.

«Alle Produkte sind in jedem Fall essbar und in tadellosem Zustand», verspricht Streiff. Eine Frau, die auf ihre Lebensmittel wartet, erzählt, dass sie letztes Mal Marroni gekauft habe. Diese seien ausgezeichnet gewesen. Eine andere Kundin, sagt, dass es ihr lieber wäre, wenn nur Schweizer Produkte verkauft würden. Sie spricht damit die Ananas aus Ecuador an. «Das sehe ich pragmatisch», antwortet Streiff.

«Die Ananas sind schon bei uns. Also ist es besser, sie zu verkaufen, als wegzuwerfen.»

Eine andere Kundin betont, dass sie nur Gemüse aus Italien kaufe, und nur Produkte aus Europa. «Italien produziert einfach gutes Gemüse», pflichtet Streiff der Kundin bei. Und wieder eine andere Kundin nimmt die doppelte Menge an Spinat, weil er so frisch aussieht und ihre Mutter auf Besuch kommt.

Die Community wächst stetig

Der Kesswiler hat den Foodchat im September vor einem Jahr ins Leben gerufen und mit Rampenverkäufen in sieben Ostschweizer Ortschaften begonnen. Mittlerweilen finden sie in zwölf Dörfern und Städten statt und der 13. Ort ist geplant. «Wir wollen im Januar in Teufen starten», erklärt Streiff. Die Bewilligung sei noch ausstehend.

Er hat eine Vision und sagt: «In drei bis vier Jahren soll der Foodchat in der ganzen Schweiz vernetzt sein.» Er sei sich bewusst, dass dies logistisch eine Herausforderung werde, aber er habe schon immer gerne Aufbauarbeit geleistet. Mit immer mehr Standorten wachse auch die Community. Von 6000 ist sie auf etwa 8000 Kundinnen und Kunden angestiegen. «Etwa 6000 bestellen über den Whatsapp-Foodchat, etwa 2000 über Facebook.»

Mit dem Foodchat hat der Jurist seinen Traumjob gefunden, wie er selber sagt. «Die Arbeit gibt mir ein gutes Gefühl.» Denn ohne Foodchat würden viele Lebensmittel im Abfall landen: Wöchentlich sind es gemäss Streiff etwa acht bis neun Tonnen, die gerettet und an den Mann oder die Frau gebracht werden können.

Die Preise liegen 30 bis 50 Prozent unter dem Ladenpreis. Zudem erhält der Grosshändler einen Teil des Erlöses zurück, um seine finanziellen Aufwände zu decken, «Die Marge wird jeweils mit dem Grosshändler verhandelt», erklärt Streiff. Und was bleibt ihm? Der Foodchat arbeite auf Non-Profit-Basis. Er decke seine finanziellen Aufwände mit dem Verkauf der Lebensmittel. Das funktioniere.

1 Kommentar
Lilo Schmid

Das ist eine super Idee! Es ist unbegreiflich, dass so viele Lebensmittel im Abfall entsorgt werden müssen, obwohl sie noch lange nicht verdorben sind. Eine Verschwendung sondergleichen! Gut gibt es Menschen, die dies zu verhindern wissen>!