Förderung
Spielgruppen schon für Zweijährige: Warum die Stadt St.Gallen mit der Förderung noch früher beginnen will

Für 1,5 Millionen Franken will die Stadt St.Gallen das Spielgruppen-Angebot ausbauen. Neu sollen vermehrt bereits Zweijährige in die Frühe Förderung aufgenommen werden. Das soll ihnen den Eintritt in den Kindergarten erleichtern.

Julia Nehmiz
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In der Spielgruppe oder der «Zwergligruppe» spielerisch gefördert werden: Die Stadt St.Gallen will dieses Angebot ausbauen.

In der Spielgruppe oder der «Zwergligruppe» spielerisch gefördert werden: Die Stadt St.Gallen will dieses Angebot ausbauen.

Bild: Andrea Stalder

Das Traktandum, über welches das St.Galler Stadtparlament kommende Woche debattiert, trägt den trockenen Titel «SpiKi – Überprüfung, Anpassungen und Erweiterung des heutigen Konzepts». Doch die Erweiterung des Konzepts hat es in sich. Für 1,5 Millionen Franken soll das Spielgruppen-Angebot in der Stadt ausgebaut und erweitert werden. Denn: Das Spielgruppen-Konzept ist ein Erfolg. Von dem nun noch mehr und noch jüngere Kinder profitieren sollen.

Das Spielgruppen-Angebot ist einer der Schwerpunkte der heutigen Frühen Förderung in der Stadt St.Gallen, heisst es in der Vorlage für das Stadtparlament. Alle Kinder im Alter ab drei Jahren – also ein Jahr vor dem Kindergarten – hätten die Möglichkeit, ein- oder zweimal pro Woche eine Spielgruppe im Einzugsgebiet ihrer künftigen Primarschule zu besuchen. Die Spielgruppen sollen einerseits die Kinder unterstützen, andererseits den Eltern helfen, ihre Kinder auf die Schule vorzubereiten.

Stadträtin Sonja Lüthi, Direktion Soziales und Sicherheit.

Stadträtin Sonja Lüthi, Direktion Soziales und Sicherheit.

Bild: PD

Seit 2006 bestehen in der Stadt Spielgruppen. Warum braucht es jetzt einen Ausbau des Angebots? Stadträtin Sonja Lüthi sagt:

«Die Praxis zeigt, dass immer mehr Kinder bereits im Kleinkindalter einen spezifischen Förderbedarf aufweisen.»

Die Kindergruppen seien in der Regel stark durchmischt – bezüglich des kulturellen Hintergrundes wie auch aufgrund der spezifischen Herausforderungen, die einzelne Kinder mitbringen. Ebenfalls werde mit dem Ausbau ein Augenmerk auf das Erlernen von Deutsch als Zweitsprache gelegt. Sprache sei eine zentrale Voraussetzung für Bildungs- und Integrationschancen, sagt Lüthi.

Je früher eine Sprache gelernt wird, desto besser

Neu soll es verstärkt Zwergligruppen geben für Kinder im Alter von zwei Jahren, heisst es in der Vorlage. Der Ausbau dieses Angebots erfolge schrittweise und nach Bedarf. Gestartet werden soll im Sommer 2021 mit sechs Zwergligruppen in zwei Quartieren. Danach erfolgt ein schrittweiser Aus- und Aufbau. Die Stadt rechnet mit zwölf Zwergligruppen im Schuljahr 2022/2023 und 16 ab Sommer 2023. Zudem sollen Kindern mit besonderem Unterstützungsbedarf in der deutschen Sprache gezielt gefördert werden. Weiter sollen die Rahmenbedingungen verbessert werden, dazu zählen unter anderem die Anpassung der Höhe der städtischen Subventionierung.

Doch warum sollte man überhaupt bereits Zweijährige fördern? Reicht es nicht, wenn mit Förderprogrammen im Kindergarten begonnen wird? Nein, sagt Stadträtin Sonja Lüthi.

«Forschung und Praxis sind sich einig, dass die ersten drei bis vier Lebensjahre entscheidend sind für eine Chancengerechtigkeit.»

Bestrebungen zur Förderung und Unterstützung der Kinder seien umso wirksamer, je früher sie ansetzten. Insbesondere beim Erwerb einer Zweitsprache zeige es sich, dass früh anzusetzen sei. «Ein Kind im Vorschulalter lernt eine Zweitsprache einfacher, wenn es im Alltag die Zweitsprache kennen lernt und gefördert wird», so Lüthi.

Künftig sollen rund zwei Drittel aller Stadtkinder das Angebot nutzen

Etwa die Hälfte der Kinder, die in der Stadt St.Gallen in den ersten Kindergarten eintreten, habe zu Hause nicht Deutsch als erste Sprache gelernt, heisst es in der Vorlage. In den vergangenen Jahren seien rund 50 bis 56 Prozent aller Kinder in der Stadt St.Gallen mit dem Spielgruppen-Angebot erreicht worden. Man gehe davon aus, dass künftig 60 bis 65 Prozent das Spielgruppen-Angebot nutzen werden.

Der Stadtrat sei überzeugt, dass mit diesen Erweiterungen der Spielgruppen eine bedarfsgerechte Frühe Förderung umgesetzt werden könne. Damit werde ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit geleistet, so der Stadtrat in der Vorlage. Um die Wirkung dieser Massnahmen und die Erreichbarkeit der Kinder im Vorschulalter zu überprüfen, wird nach drei Jahren eine Gesamtevaluation durchgeführt.