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Der FC Abtwil-Engelburg mit Leistungsträger Thomas Inauen ist im 2.-Liga-Derby gegen Winkeln mehr am Ball, verliert aber mit 1:2.
Das ist Thomas Inauens Wochenend-Programm: Am Samstagnachmittag auf der Spiserwies das 2.-Liga-Spiel gegen Winkeln mit der Heimniederlage, nachher der Besuch im Kybunpark mit dem Heimsieg des FC St. Gallen gegen Thun, dann («Natürlich, das gehört auch dazu!») der nächtliche Ausgang, und am Sonntag um 10.30 Uhr der Start beim Stadtlauf St. Gallen über die Distanz von 10 km.
«Ich musste auf die Zähne beissen, aber nach 45 Minuten war ich im Ziel.»
Zwischen Spiserwis und Kybunpark, zwischen aktivem und passivem Fussball, kommt unerwartet noch das Gespräch mit dem Journalisten dazu. Nicht der günstigste Moment, denn sein Bruder Adrian (Spieler beim FC Winkeln, aber momentan verletzt), der ihn zum St. Gallen-Spiel begleitet, wartet schon. Inauen sagt: «Ich habe gelernt, im Jetzt zu leben.» Das beweist er im Gespräch. Er erzählt ausführlich und lebendig, erinnert sich genau und scheint alle Zeit der Welt zu haben.
Thomas Inauen ist Single. Der heute 28-Jährige wächst im Riethüsli auf, besucht dort die Primarschule und später in der Stadt die «Flade». Nach der Schreinerlehre arbeitet er zwei Jahre in seinem Beruf. Heute ist er «Kundenberater Ausstellung» bei der Firma Braun AG in Gossau, einer Firma mit dem Motto «Vielfalt in Holz».
Statt der Rekrutenschule leistet er Zivildienst. Ein Jahr lang arbeitet er im «Zentrum für behindertengerechte Lebensführung Sonnenhalde» in Rotmonten. Da leben Menschen mit dem Down-Syndrom. «Ich habe viel von ihnen gelernt. Eines besonders: Im Jetzt zu leben.» Vor und nach diesem Jahr ist er in der Carmennahütte oberhalb von Arosa angestellt. Er geht heute noch gerne in die Berge. «Da habe ich meine Ruhe, kann den Kopf lüften, erhole mich - und bin dennoch aktiv.»
Fussball spielt er beim SC Brühl, immer in der Defensive. Er ist 16-jährig, als er einen Stammplatz erkämpft. Das Team spielt in der 2. Liga interregional. Es geht unaufhörlich aufwärts. Im Juni 2011 steigt Brühl in die Challenge League auf. In dieser Saison erzielt Verteidiger Inauen acht Tore, alle per Kopf. Auch im Aufstiegsspiel gegen Malley, das Brühl 3:2 gewinnt, trifft er. Das Tor ist das zweitschönste Erlebnis in seiner Fussballkarriere. Er wird Stammspieler in der Challenge League.
Aber es geht nicht so weiter. Schwere Verletzungen verlangen lange Spielpausen: Beinbruch, Armbruch, Bänderriss. Spitalaufenthalte geben Zeit zum Nachdenken, zwingen ihn, im schwierigen Jetzt zu leben. Er spielt noch zwei Saisons bei Abtwil-Engelburg, dann ist Schluss als Spieler. Er wird Assistent. Diese Aufgabe erfüllt er rassig, optimistisch, leidenschaftlich.
In dieser Saison taucht der Assistenztrainer unerwartet doch wieder auf dem Feld auf. «Personalnot», sagt er, der sich mit Laufen fit gehalten hat. Im Match gegen Winkeln zeigt er eine tadellose Leistung: Kein Fehlpass, stets Zweikampfsieger, ein Leistungsträger. Sein Team dominiert das Spiel leicht, verliert aber trotzdem. «Ballbesitz ist nicht alles», sagt er. Dann geht er zum St. Galler Match ins Stadion. Vor sechs Jahren spielten dort, in der AFG-Arena, Brühl und St. Gallen gegeneinander. Es war das bisher letzte Stadtderby. St. Gallen gewann 3:1. Inauen spielte bei Brühl. «Vor 13'000 Zuschauern zu spielen – fantastisch. Es war mein schönstes Erlebnis als Fussballer.» Da denkt einer, der wirklich im Jetzt lebt, doch noch gerne an die Vergangenheit.