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Verrucht und leidenschaftlich: Vampire ziehen - ob im Film oder in der Fasnachtszeit. Das zeigt die zweite Vampir Night in Rorschach.
Entweder man liebt die Fasnacht, oder man hasst sie. Wer Letzteres empfindet, ist an der Vampir Night in der Unterzahl. Und wer sich als Fasnachtshasser und Vampirfan outet, sowie sich am Donnerstag in den Rorschacher Stadthofsaal wagt, ist Journalistin.
Um 21.30 Uhr ist die Party bereits voll im Gang. Die Coverband Top4Tea spielt Bon Jovi. Es ist erst die zweite Ausgabe der Vampir Night, schon erreicht sie Kultstatus – auch dank dem Vorgänger, dem Vampirball, der einst auf dem Alcan-Gelände ausgetragen wurde. 600 Blutsauger und andere Wesen der Unterwelt tanzen zur Musik im Stadthofsaal. Zwei Frauen mit Augenmasken aus «Fifty Shades Of Grey» fallen sich in die Arme und stöckeln kreischend zur Shotbar.
Männer tragen barocke Perücken, manche haben sich die Lippen geschminkt. Frauen ziehen Korsett und Netzstrümpfe an – Haut wird an der Fasnacht gerne gezeigt. Fangzähne und Kunstblut sind allgegenwärtig, ebenso gehören Rüschen, Satin und Zylinder zum Vampir-Outfit. Die Kostüme sind sorgfältig ausgesucht oder selbst genäht, die Gesichter aufwendig geschminkt. Stil ist wichtig an der Vampir Night. Horrorfans orientieren sich bei der Kostümwahl an die Antihelden aus «Es» oder «Saw». Neulinge können da schlecht mithalten, trotz einstündiger Vorarbeit.
Sich einmal im Jahr gehen lassen, dafür ist die Narrenzeit da. Das ist auch an der Vampir Night nicht anders, obwohl es bestenfalls etwas schicker und düsterer zu- und hergeht als an anderen Fasnachtspartys. «Olga, das war meine Frau», sagt einer und meint den Schädel, den er in der Hand hält. Auf dem Totenkopf steht das Jahr 1741: «Ich habe sie damals nicht gebissen, jetzt ist sie tot.»
Das zweite Bier neutralisiert allmählich die Knoblauchfahne, die auf den vorsorglich gewählten Znacht zurückzuführen ist. Die meisten greifen aber lieber zu Drinks statt zum Gerstensaft. Zu Essen gibt es, was Vampire mögen: Transsilvanischer Eintopf, Kadaver (Tiramisu) oder Sarg (Cordon bleu). Während ein Paar seine Pommes in Ketchup tunkt, muss sich draussen eine Frau übergeben. Ihr Begleiter nimmt die schwarzen Haare ihrer Perücke aus der Schusslinie. Durch den Saal dröhnt jetzt «An Tagen wie diesen» von den Toten Hosen. Das Publikum singt aus voller Kehle mit.
«Du hast Mut, alleine herzukommen», lallt ein Bleichgesicht mit speckiger Frisur. Auf Nachfragen geht der vermeintlich Untote nicht ein.
Bis 4 Uhr dauert die Party, danach geht es ins «Treppenhaus» nebenan, das bis um 8 Uhr morgens offen hat. Oder mit dem Shuttlebus nach Hause. Der letzte Zug in Richtung Hauptstadt fährt um 1.08 Uhr.
Fürs erste reicht es mit dem Tanz der Vampire. Nächstes Mal lieber wieder im Kino statt an der Fasnacht: mit einem Streifen wie Jim Jarmuschs «Only Lovers Left Alive» oder zu Hause auf dem Sofa bei einer neuen Staffel der HBO-Serie «True Blood».
Einige Nachteulen kommen hingegen erst jetzt für einen Tanz an die Vampir Night: «Hends di leergsuuget, dass du scho heigosch?»