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In Wittenbach fand am Samstag zum ersten Mal der Tag des Denkmals statt. Besenbinder,
Korbflechter, Klöpplerinnen, Seiler oder Steinbildhauer liessen sich bei der Arbeit über die Schultern schauen.
Mit routinierten Bewegungen spannt die Seilerin am ersten Denkmaltag in Wittenbach die lange Flachsschnur zwischen zwei Holzböcken. Sobald sie die Schnur mehrmals durch alle daran befestigten Haken gefädelt hat, kann ihr Partner loskurbeln: Die parallel gespannten Schnüre drehen, zwirbeln und verkürzen sich immer weiter. Beim Kurbeln von Hand fliesst schon die eine oder andere Schweissperle.
Doch die Anstrengung zahlt sich aus: Bei der zweiten und letzten Runde werden die ineinander gedrehten Schnüre zu einem festen Seil, das man so leicht nicht mehr auseinander bringt. Im letzten Arbeitsschritt umwickeln die beiden Handwerker die zwei Enden mit einer Wachsschnur, damit sie nicht mit der Zeit ausfransen. Nach nur wenigen Minuten ist so ein Springseil entstanden – hergestellt aus Naturmaterialien, mit menschlicher Muskelkraft und Geräten aus einem anderen Jahrhundert.
Die beiden Seiler sind am Samstag nicht die einzigen, die ihr altes Handwerk an der Dorfstrasse in Wittenbach zur Schau stellen: Unter den neugierigen Blicken der Besucherinnen und Besucher binden andere Handwerker Besen, flechten Körbe, schnitzen und verzieren Holzlöffel. Sie arbeiten filigrane Figuren und Muster ins Holz und verarbeiten die sonst alltäglichen Gegenstände zu einzigartigen Kunstwerken.
Auch ein Wittenbacher Bildhauerpaar lässt sich am Tag, der von der IG Denkmal organisiert wird, über die Schulter blicken. So können Gross und Klein aus nächster Nähe miterleben, wie eine Schale aus Sandstein gehauen wird oder wie Stuckverzierungen in Form gebracht werden. Ein Teil des künstlerischen Prozesses, der dazugehört, wird so greifbar.
Auf dem Dorfplatz herrscht reges Treiben: Jeder hat etwas zu tun oder anzusehen.
Hauptsächlich Kinder, seltener auch Erwachsene, laufen mit bunt geschminkten Gesichtern durch die Stände. Die vorherbstliche Sonne und der Duft nach Kürbissuppe, der in der Luft liegt, tragen ihren Teil zur Atmosphäre bei. Der Präsident der IG Denkmal, die den Anlass organisiert, ist zufrieden: «Unsere Motivation bestand von Anfang an darin, ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen und auf unser Kulturerbe aufmerksam zu machen», sagt Michel Klein. Auch wollte man bei der jüngeren Generation das Interesse an alten Handwerksberufen wecken.
«Heutzutage rückt die Werktätigkeit mit den eigenen Händen immer weiter in den Hintergrund. Das finden wir schade.»
Zentral ist für die Organisatoren zudem die Frage, wie die Wittenbacher Schulhäuser in Zukunft genutzt werden sollen. «Bald zieht die Primarschule ins neue Schulgebäude um. Wir wünschen uns für den historischen Dorfkern, dass seine Kultur, Geschichte und die Ideen der Bürger in seine Entwicklung einfliessen», sagt Klein.
Der St. Galler Denkmalpfleger Niklaus Ledergerber hielt einen Vortrag mit dem Titel «Das erste Schulhaus, mein Schulhaus und die Zeit dazwischen». Er hat einen professionellen und auch einen persönlichen Bezug zum Thema: Er ist selber in Wittenbach zur Schule gegangen.
«Schön wäre es, wenn der Anlass zu einer Art Mit- und Füreinander-Fest werden könnte, das auch von den anderen Vereinen getragen wird», findet Michel Klein. Zum Programm des Denkmaltags gehörten unter anderem auch eine Märchenstunde für die Kleinsten, verschiedene Tanzkurse sowie diverse Musikdarbietungen.