In St.Gallen ist ein Familienzentrum möglich, sagt der Stadtrat. Morgen kommt der Bericht vor das Stadtparlament. Die Parteien urteilen unterschiedlich.
Familienzentren scheinen so etwas wie die neue Kita zu sein. Immer mehr Gemeinden und Städte führen eine solche Anlaufstelle für Eltern und Kinder ein. St.Gallen könnte schon bald zu ihnen zählen. Besteht in der Stadt das Potenzial für ein Familienzentrum, fragten vor zweieinhalb Jahren die FDP-Fraktion sowie 41 mitunterzeichnende Mitglieder des Stadtparlaments in einem Postulat.
Die Antwort des Stadtrats nun:
ein deutliches Ja.
«Haus im Zentrum» lautet der Arbeitstitel des angedachten Projekts, im Herzen der Stadt soll es stehen. Der Stadtrat verspricht sich vom zentralen Standort Vernetzung, Koordination und Qualitätssicherung, ist im Postulatsbericht zu lesen.
Doch der Grossteil der Familien lebt in den Quartieren. Und es gibt Tage, da verlassen sie diese nur ungern. Denn mit Kindern können 200 Meter Weg schon einmal zwei Stunden dauern: Die Schnecke mit zerstörtem Haus, die Ameisenstrasse vor den Füssen. Ein Ausflug ins Stadtzentrum mit Nachwuchs ist manchmal schon fast eine Weltreise. Daran scheint der Stadtrat gedacht zu haben. Jedenfalls sieht er dezentrale Standorte vor. Und Förderkonzepte für sie samt Förderbeiträgen.
Die Direktion Soziales und Sicherheit lud städtische Stellen, das kantonale Amt für Soziales und private Institutionen zu Workshops ein und analysierte die Situation. Die Pädagogische Hochschule St.Gallen begleitet den Prozess fachlich. Breit sei das Angebot für Familien, schreibt der Stadtrat.
Doch die Übersicht fehle, ebenso
eine systematische Informationsbewirtschaftung.
Es mangle an einer physischen Anlauf- und Informationsstelle im Frühbereich sowie flächendeckenden, niederschwelligen Begegnungsorten für Familien. Geprüft wurden verschiedene Modelle: Quartier-Familienzentren, Infotreff für Familien, Familienzentrum im Stadtkern, Familienzentren Mitte, Ost und West sowie ein Spielzentrum für Familien. Der Stadtrat entschied sich für eine Kombination.
«Der Besuch in einem Familienzentrum ist interessant, wenn Familien vor Ort auf andere Familien treffen und verschiedene Angebote unter einem Dach nutzen können», heisst es weiter. Um diesen Besucherstrom zu garantieren, bittet der Stadtrat mehrere Institutionen, ihren Standort zu wechseln: So soll die gut besuchte Mütter- und Väterberatung in das «Haus im Zentrum» einziehen und mit ihr der anbietende Ostschweizer Verein für das Kind (OVK). Der Verein Gugelhuus, offener Treffpunkt für Familien mit kleinen Kindern an der Spitalgasse hinter dem Marktplatz, wird ebenfalls untergebracht.
Der Stadtrat will weiter prüfen, ob betreute Kinderspielnachmittage möglich sind. Die Fachstelle Kind und Familien der Frauenzentrale St.Gallen ist bekannt für dieses Angebot. Geeignete Räume müssen noch gesucht werden. Ideal seien rund 570 Quadratmeter, allenfalls auf zwei Geschossen verteilt. Der Stadtrat wünscht sich, dass der OVK und das Gugelhuus die Trägerschaft übernehmen: «Beide haben höchstes Interesse signalisiert, auch hin zu einer gemeinsamen Trägerschaft.» An den dezentralen Standorten will man auf lokale Trägerschaften setzen, in der Lachen aufs Kinderlokal tiRumpel an der Stahlstrasse etwa.
Wo viele verschiedene Akteure zusammenarbeiten, brauche es eine verantwortliche Person, die das Gemeinsame koordiniere, so der Stadtrat weiter. 120 Stellenprozente seien für die Hauskoordination nötig, wegen der verschiedenen Aufgaben könnten sie auf verschiedene Personen aufgeteilt werden. Für den Aufbau des zentralen Standorts rechnet der Stadtrat mit 46'000 Franken, für den Jahresbetrieb mit Gesamtkosten von 350'000 Franken aus. Nach Abzug von Erträgen aus Unter- beziehungsweise Vermietung bleiben 235'000 Franken übrig. Für die dezentralen Standorte sieht er jährliche Förderbudgets von je 50'000 Franken vor.
Mit dem Kind kommt der Wunsch nach einem Haus im Grünen, heisst es. Das ist oft, aber nicht immer so. SP-Stadtparlamentarier und Co-Leiter des Vereins tiRumpel Peter Olibet sagt:
«Ein solches Familienzentrum kann ein Standortfaktor sein.»
Er befürwortet die Strategie des Stadtrates: «Es braucht beides, das Haus im Zentrum und die Standorte in den Quartieren.» Für den zentralen Standort wünsche er sich, dass dieser über die Familie hinauswachse – wie das Kinderlokal tiRumpel. Es bietet unterdessen auch einen Treff für Senioren an, in der Stunde «Yoga für alle» entspannen sich Familien ebenso wie andere Menschen aus dem Quartier.
FDP-Präsident Oskar Seger freut sich über die Auslegeordnung des Stadtrats, fordert aber, dass die bestehenden Organisationen die Hauskoordination selber stemmen – «ohne neue städtische Stelle».
Clemens Müller, Fraktionspräsident von Grünen/Jungen Grüne, ist froh, hat der Stadtrat die Notwendigkeit von Quartiersangeboten erkannt.
«Für Familien sind sie nicht wegzudenken.»
Nicht viel hält Karin Winter-Dubs, Präsidentin der SVP-Fraktion, von der Sache. Der Bericht zeige, dass die Familienangebote von Privaten gut funktionierten.
«Da muss man nichts Neues aufbauen. Dafür hat die Stadt zur Zeit kein Geld.»