Direktere Demokratie: So schaffen die Gemeinden der Region St.Gallen Bürgernähe

Mehr Mitsprache soll das Interesse der Bürger an Lokalpolitik fördern. Die Gemeinden der Region St.Gallen setzen auf unterschiedliche Mittel.

Adrian Lemmenmeier
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Viele Gemeinden schaffen Möglichkeiten, damit ihre Bürger nicht nur an der Bürgerversammlung mitreden. (Symbolbild: Luca Linder)

Viele Gemeinden schaffen Möglichkeiten, damit ihre Bürger nicht nur an der Bürgerversammlung mitreden. (Symbolbild: Luca Linder)

Partizipation ist in. Landauf, landab versuchen Gemeinden, Bürgerinnen und Bürger in politische Prozesse einzubinden. Mit Workshops, Kontaktstunden oder per App können diese Ideen einbringen oder Missstände melden. Solche Massnahmen sollen die politische Teilnahme erhöhen, zumal die Beteiligung an den Bürgerversammlungen gerade in mittelgrossen Gemeinden oft gering ist.

Gemäss einer Studie der St.Galler Fachhochschule sind rund 90 Prozent der befragten Ostschweizer Gemeinden der Ansicht, Partizipation wecke das Interesse an der Gemeindepolitik. Wie aber sieht Partizipation in den Gemeinden der Region St.Gallen aus?

Einseitige Kommunikation vermeiden

Sandro Parissenti, Gemeindepräsident Berg SG

Sandro Parissenti, Gemeindepräsident Berg SG

«Für uns ist es sehr wichtig, die Leute früh einzubinden», sagt Sandro Parissenti, Gemeindepräsident von Berg SG. Traditionellerweise gebe es in einer Gemeinde jedes Jahr einen Austausch an der Bürgerversammlung. Danach erfolge die Kommunikation aber einseitig über das Mitteilungsblatt. Das sei nicht genug. «Wenn wir die Leute in die Mitgestaltung einbeziehen, können wir uns vergewissern, dass unsere Projekte auf dem richtigen Weg sind.»

Dass Gemeinden bei konkreten Projekten wie etwa der Raumplanung die Bevölkerung früh ins Boot holen, um möglichst breiten Konsens zu schaffen, ist mittlerweile Usus. Einige Kommunen der Region gehen einen Schritt weiter. Bei den Projekten «Zukunft Berg» und «Zukunft Wittenbach» etwa diskutieren die Bürgerinnen und Bürger über einen breiten Themenstrauss zur Zukunft der Gemeinde. Mit unterschiedlichem Erfolg. Während sich im 800-Seelen-Dorf gut 60 Leute zum Workshop trafen, waren es in der Agglomerationsgemeinde mit fast 10000 Einwohner gerade einmal 35.

Wertegruppe oder klassische Rezepte

In Gaiserwald oder Waldkirch holen die Gemeindepräsidenten die Bedürfnisse der Bürger an Kontaktstunden ab. Wer ein Anliegen hat, kann es dem Gemeindepräsidenten persönlich unterbreiten. In Waldkirch zieht es der Gemeinderat ausserdem in Betracht, die App der Gemeinde auszubauen. Derzeit werden dort nur die Mitteilungen der Gemeinde veröffentlicht. Angedacht ist nun, auch eine Funktion einzubauen, mit der die Waldkircher auf ein Problem in der Gemeinde hinweisen können, ähnlich dem Stadtmelder in St.Gallen oder Gossau.

In Häggenschwil gibt es eine Wertegruppe, die Ideen zusammenträgt und dem Gemeinderat präsentiert. Dieses ständige Gremium aus 15 bis 20 Leuten trifft sich ein- bis zweimal im Jahr. «Daraus ist zum Beispiel die Idee entstanden, einen Botschafter für Neuzuzüger zu bestimmen», sagt Gemeindepräsident Hans-Peter Eisenring.

Bernhard Keller, Gemeindepräsident Muolen

Bernhard Keller, Gemeindepräsident Muolen

Muolen hingegen setzt auf klassische Rezepte. «Unsere Hauptinstrumente sind nach wie vor die Bürgerversammlung, das Mitteilungsblatt und gezielte Informationsveranstaltungen», sagt Gemeindepräsident Bernhard Keller. Und er habe noch nie gehört, dass die Bürger zu wenig Möglichkeiten zur Mitsprache hätten. Den Hype der Partizipation müsse man auch kritisch betrachten. Es bringe nichts, wenn der Gemeinderat zu jedem Thema einen Workshop veranstalte. «Partizipation ersetzt die Knochenarbeit der Behörde nicht.»