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Das Kindertheater Storchen bekommt von der Stadt St.Gallen keine Kulturfördergelder. Ein Fehlentscheid, findet die künstlerische Leiterin Bettina Kaegi und gewährt im Interview einen Blick hinter die Theaterkulissen.
Diese Woche hat das Stadtparlament über Kinder diskutiert. Hat das Ihrem Kindertheater Storchen genützt?
Ja, einige Stadtparlamentarier haben sich für uns eingesetzt. Das ist natürlich super. Trotzdem ärgere ich mich über vieles, was gesagt wurde.
Weil Sie nach wie vor keine Kulturfördergelder von der Stadt bekommen?
Ja, aber nicht nur. Es tut mir weh, wenn man Kinder nicht ernst nimmt. Es wurden auch viele Unwahrheiten erzählt.
Welche meinen Sie?
Eine Kritik ist, dass wir keine eigenen Stücke auf die Bühne bringen, sondern fremde Stoffe einkaufen. Dabei macht das jedes Theater so! Damit verbunden sind nun einmal strikte Vorgaben. Wenn ich «Cats» inszeniere, muss jede Note stimmen, und ich kann nicht einfach ein paar neue Szenen einfügen.
Warum nicht?
Das wird kontrolliert. Und erfüllt man als Theater die Richtlinien nicht, wird man gesperrt. Die Theaterwelt ist kein Ponyhof, die Vorgaben sind knallhart.
«Jim Knopf», «Momo», «Pippi Langstrumpf»: Sie inszenieren vor allem bekannte Stoffe. Warum?
Das ist einerseits ein wirtschaftlicher Entscheid. Solche bekannten Figuren locken nun einmal mehr Besucher an. Anderseits lassen sich die Kinder leichter begeistern, wenn sie ein Thema kennen. Auch hier: Wir sind nicht die einzigen, die das machen. In Zürich wird seit Jahrzehnten «Die Zauberflöte» aufgeführt, das Theater St.Gallen hat zweimal den «Räuber Hotzenplotz» auf die Bühne gebracht.
Der Nachteil ist, dass Sie künstlerisch zu wenig eigenständig sind, um Fördergelder zu erhalten. Findet jedenfalls der Stadtrat. Ihnen gehe es um die «publikumswirksame Umsetzung bekannter Stoffe».
Aber ich inszeniere die Stücke ja selber! Das schaue ich mir sicher nicht von anderen Theatern ab, sondern bringe die Stücke selber auf die Bühne. Der kreative Teil ist, was ich aus dem Stoff mache.
Die Kinder setzen sich aber nicht mit dem Inhalt auseinander. Warum nicht?
Das stimmt so nicht. Die Kinder wissen zum Beispiel ganz genau, worum es in den Liedern geht, die sie singen. Das erarbeite ich mit ihnen.
Sie tun das in Ihren Theaterkursen. Es heisst, Sie drillen dort die Kinder auf die Aufführungen hin.
Das hat mit Drill nichts zu tun, es wird auch viel improvisiert. In der Theaterschule lernen die Kinder fürs Leben. Zum Beispiel, vorne hinzustehen und sich zu präsentieren, mit Emotionen umzugehen und Nein zu sagen. Das Improvisationstheater hat da einen wichtigen Stellenwert. Die Kinder sind mit grosser Freude dabei. Da ist Drill fehl am Platz und unnötig.
Die Eltern zahlen für diese Theaterkurse. Warum soll der Staat eine solches privates Hobby finanzieren?
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, Produktionen und Theaterschule sind zwei verschiedene Sachen. Wir suchen keine Unterstützung für die Theaterschule, sondern für die Produktionen.
Warum ist das Kindertheater Storchen aus Ihrer Sicht unterstützungswürdig?
Kinder finden in meinen Theaterkursen Halt. Es gibt immer wieder besonders Talentierte, die den Sprung auf grössere Bühnen oder ins Ausland schaffen. Ich nehme jedes einzelne Kind ernst. Es kommt nicht darauf an, wie gross die Rolle ist, die es spielt. Jedes kann auf seine Weise glücklich werden – auch das ist eine Lektion fürs Leben.
Das Kinder-Musical-Theater Storchen finanziert sich zur Hälfte selber, die andere Hälfte der Kosten decken Sponsoren, Stiftungen und Gönner. In den vergangenen zwei Jahren haben die Betreiber des Theaters zweimal vergeblich Kulturfördergelder bei der Stadt beantragt. Die städtische Kulturförderung lehnte die Gesuche jeweils ab mit der Begründung, das Theater erfülle die nötigen Kriterien nicht. Diese Woche wurde im Stadtparlament eine Interpellation zum Thema von Christian Neff und Manuela Ronzani (beide SVP) kontrovers diskutiert.