Jahresrückblick: Die Region St.Gallen geht neue Wege

Neue Buslinien, verspäteter Brückenschlag oder amtlich abgesegneter Autostopp: In Sachen Verkehr erlebte St.Gallens Umland dieses Jahr manche Änderung. Auch in der Politik gab es einen Kurswechsel.

Adrian Lemmenmeier
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Kurven mühelos um Wittenbachs Kreisel: die neuen Anhänger-Busse der VBSG. (Bild: Thomas Hary)

Kurven mühelos um Wittenbachs Kreisel: die neuen Anhänger-Busse der VBSG. (Bild: Thomas Hary)

Sie sahen dem Wechsel mit Unbehagen entgegen: Mit dem Bus, statt mit dem Postauto in die Stadt zu fahren, das werteten manche Wittenbacher wegen der leicht verlängerten Fahrzeit im Vorfeld als Qualitätsverlust. Mörschwil hingegen erlebte die umgekehrte Umstellung: Nicht der Stadtbus bringt die Passagiere seit dem Fahrplanwechsel vom 9. Dezember an den St. Galler Bahnhof, sondern das Postauto.

Derweil rückte Abtwil näher an die Stadt St. Gallen. Zumindest in Fahrminuten gerechnet. Und zumindest zu Stosszeiten: Der neue 12er-Bus fährt früh morgens, mittags und abends vom Zentrumspark in 14 Minuten über die Spisegg an den Bahnhof.

Per Anhalter zur Bushaltestelle

Doch nicht nur der Fahrplanwechsel veränderte dieses Jahr das Mobilitätsverhalten. Die Gemeinde Berg nahm die Zügel selber in die Hand, nachdem man sich vergeblich um eine bessere ÖV-Anbindung bemüht hatte. Noch im Frühjahr geisterte an einem Workshop die Idee des selbstfahrenden Dorfbusses durch die Mehrzweckhalle. Wegen des fehlenden 5-G-Netzes mauserte sich das Vorhaben dann zum amtlich abgesegneten Autostopp.

Wer vom unteren Dorfteil zu einer der Postauto-Haltestellen am oberen will, kann sich seit Oktober auf ein Mitfahrbänkli setzen und hoffen, dass ihn jemand mitnimmt. Vielleicht nicht das zuverlässigste Verkehrsmittel, aber sicher das günstigste: 500 Franken kostete es die Gemeinde, die beiden Bänkli vom Friedhof an die Dorfstrasse zu versetzen.

Bänkli statt Bus: In Berg setzt die Gemeinde seit Oktober auf Pendeln per Anhalter. (Bild: Ralph Ribi)

Bänkli statt Bus: In Berg setzt die Gemeinde seit Oktober auf Pendeln per Anhalter. (Bild: Ralph Ribi)

Gesperrter Tunnel und verzögerter Baustart

Ganz andere Dimensionen hatte die Erneuerung des Bruggwaldtunnels, die Pendler aus Wittenbach, Häggenschwil oder Muolen diesen Sommer zum Umsteigen auf Ersatzbusse zwang. Gut 30 Millionen Franken investierte die Schweizerische Südostbahn (SOB) in Ausbesserungen an der Tunnelwand und eine neue Fahrrinne. Daneben begann die gut 100 Millionen schwere Umgestaltung des Wittenbacher Zentrums, die bis ins Jahr 2020 dauern wird.

Der Bruggwaldtunnel war diesen Sommer neun Wochen gesperrt. (Bild: Ralph Ribi)

Der Bruggwaldtunnel war diesen Sommer neun Wochen gesperrt. (Bild: Ralph Ribi)

Hoch hinaus will man in Grub. Im Oktober startete der Bau der Hängebrücke über den Mattenbach. Sie soll das Dorf bald mit der Ausserrhoder Namensbase verbinden. Der Baustart verzögerte sich allerdings, weil eine Berner Firma, die bei der Auftragsvergabe leer ausgegangen war, beim Verwaltungsgericht Beschwerde einlegte. Begründung: Sie könne im Brückenbau bessere Qualität garantieren. Wegen dieses Aufschubes wird die Brücke erst im Januar eingeweiht. Dann aber mit einem Fest für die Bevölkerung.

Historischer Wechsel in Wittenbach

Weniger festlich war die Stimmung dieses Jahr bei den Wittenbacher Ortsparteien nach der Wahl ins Gemeindepräsidium. Denn der Parteilose Oliver Gröble hatte sich im zweiten Wahlgang deutlich gegen CVP-Mann Norbert Näf durchgesetzt, obwohl dieser sämtliche Parteien hinter sich wusste. Während die Classe politique Alka-Seltzer einwarf, versprach Gröble, auf die Parteien zuzugehen und Gräben zuzuschütten. Ob es ihm gelingt, wird sich weisen. Zeit hätte der neue Präsident dazu vorerst genug – beginnt er doch seine Amtszeit mit einer Auszeit und bezieht sein Büro erst im Februar.

Stabwechsel in Wittenbach: Fredi Widmer (rechts) gratuliert seinem Nachfolger Oliver Gröble zum Wahlsieg. (Bild: Hanspeter Schiess)

Stabwechsel in Wittenbach: Fredi Widmer (rechts) gratuliert seinem Nachfolger Oliver Gröble zum Wahlsieg. (Bild: Hanspeter Schiess)

Vor diesem Hintergrund darf man gespannt sein, wie sich 2020 die Wahl um Paul Bühlers Nachfolge in Mörschwil gestalten wird. Ob nach Wittenbach und Gossau auch in Mörschwil ein Parteiloser das Zepter übernimmt, steht in den Sternen. Fest steht, dass auch dort eine Ära zu Ende geht. Ist doch Paul Bühler mit Abstand der dienstälteste Gemeindepräsident der Region.