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Winkeln spielt in der 2. Liga gegen Wängi 2:2. Goalie Simon Staubs Ziel bleibt unerfüllt.
Dreissig Minuten vor Spielbeginn sind die Feldspieler beim geregelten Einlaufen, die Ersatzspieler beim lockeren Umgang mit dem Ball und der Torhüter bei seinem spezifischen Programm. Winkelns Goalie Simon Staub, die Nummer eins, und David Steiner, die Nummer zwei, sind Rivalen, denn jeder Ersatztorhüter hofft, bald zum Einsatz zu kommen. Aber beim Aufwärmen bilden sie ein Team. Zuerst läuft der Torhüter durch den Strafraum und macht Dehnübungen. Nachher wirft, rollt oder schiesst der Ersatzgoalie den Ball. Am Schluss versuchen die Feldspieler, mit platzierten Schüssen ins Tor zu treffen. Dann ist der Torhüter bereit.
An diesem Tag ist dieses Aufwärmprozedere nutzlos, denn in der ersten Halbzeit hat Staub nichts zu tun. Einige Rückpässe aufnehmen, ein paarmal den Ball auswerfen oder kurz mit dem Fuss zu einem Verteidiger spielen und zweimal nach einem Eckball mit der Faust klären – fertig. Häufig steht er ausserhalb des Strafraums und hält sich mit Übungen warm.
Wer aufgrund dieser Schilderung denkt, Winkeln sei drückend überlegen gewesen, der irrt sich, weil Wängi auf der Gegenseite mit dem genau gleichen Matchplan agiert. Und der heisst «Ballbesitz». So spielen zwei Teams hinten Querpass um Querpass, ohne Mut, ohne Risiko, ohne Ideen. Weil man von der Trainerbank her noch gelegentlich den Zuruf «Geduld, Geduld!» hört, ist auch dem hintersten Zuschauer klar: Dieses Spiel bleibt langweilig. Als der Speaker die spärlichere Zuschauerzahl bekanntgibt und bemerkt, einige seien gewiss an der Olma, wäre wohl der eine oder andere Zuschauer auch lieber dort gewesen. Goalie Staub fasst dieses Geschehen am Schluss perfekt zusammen: «Zum Vergessen!» Nach einer Stunde halten sich Winkelns Spieler auf der linken Seite nicht an die Gedulddirektive, spielen zwei, drei Steilpässe, und dann flankt einer zur Mitte, wo Marc Grünenfelder mit präzisem Flachschuss zum 1:0 trifft. Jetzt beginnt ein munteres Spiel. Simon Staub bekommt Arbeit und verhindert in der 69. Minute mit einer Glanztat den Ausgleich. Am Schluss steht es 2:2. «Das korrekte Resultat», findet er.
Der Torhüter wächst in St.Gallen auf, geht zuerst ins Schulhaus Tschudiwies, dann ins Bürgli. «Realschule», sagt er lachend, «weil ich den Ball mehr geliebt habe als die Schulbücher.» Er wird Elektroinstallateur, legt in Neubauten Leitungen oder saniert Anlagen. Er ist Single und wohnt in einem Haus in der Altstadt.
Sein Vater, Hampi Staub, bringt ihn zum Fussball und stellt ihn zuerst einmal ins Tor. Da bleibt der Junge. Beim SC Brühl spielt er in allen Juniorenkategorien, dann wechselt er zu Winkeln. Er hat sich gut eingeschätzt: «Für einen Platz im Tor des SC Brühl war ich nicht gut genug.» Bei Winkeln ist er erst seit zweieinhalb Jahren Stammgoalie. «Ich habe mal gespielt, auch in der 2. Liga inter, dann war ich wieder die Nummer zwei», sagt er, «aber ich habe immer an meine Chance geglaubt. Es hat sich gelohnt.»
Der Vater ist heute noch bei jedem Spiel dabei. Dem Sohn gefällt es im Club: «Der Zusammenhalt ist perfekt. Ich werde den Verein sicher nicht mehr wechseln.» Beide, Vater und Sohn, sehen auch die Heimspiele des FC St.Gallen. Da wird Simon wohl die «grossen» Torhüter jeweils aufmerksam studieren. «Nein, ich gehe als Fan in den Kybunpark. Ich habe kein Torhütervorbild. Ich bin ich.»
Nach einem Saisonstart mit drei verlorenen Spielen hat sich Winkeln aufgefangen: sechsmal nicht mehr verloren. Also alles auf bestem Weg? Nicht ganz. Der Goalie hat einen grossen Wunsch: «Endlich wieder einmal zu null spielen.»