Der stille Schleifer – der Gossauer Leo Cozzio ist einer der letzten Messerschmiede der Schweiz

Der kürzlich zurückgetretene Gossauer Stadtparlamentarier Leo Cozzio liebt seinen Beruf. Auch wenn diesen nicht alle ganz ernst nehmen.

Perrine Woodtli
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Leo Cozzio in der Werkstatt seiner Messerschmiede in Gossau. Hier schärft er Messer, Scheren und andere Werkzeuge. (Bild: Urs Bucher)

Leo Cozzio in der Werkstatt seiner Messerschmiede in Gossau. Hier schärft er Messer, Scheren und andere Werkzeuge. (Bild: Urs Bucher)

Messer jeder Grösse und Art zieren die Wände des Ladens der Messerschmiede Cozzio. In der Werkstatt steht Leo Cozzio an der Schleifmaschine und arbeitet an der perfekten Messerschneide. Als die Ladenglocke erklingt, stellt er die Maschine ab und wäscht sich das Gesicht sowie die schwarzen Hände. Ganz weg bringt er die Farbe nicht. «Sonst ist es hier nicht so sauber, sondern viel staubiger», sagt er und sieht sich um. «Aber am Sonntag war Tag der offenen Tür.»

Leo Cozzio gehört eine von zwei verbliebenen Messerschmieden in der Ostschweiz. Nebst einigen Privaten, die ihre Dienste anbieten, gibt es nur noch in Rapperswil eine. Sein Leben dreht sich aber nicht nur um scharfe Gegenstände. Bis vor kurzem sass der 59-Jährige für die CVP im Parlament. Nach zehn Jahren hatte er im November die letzte Sitzung.

«Die Parlamentsarbeit hat mir immer viel Freude bereitet. Aber jetzt war der richtige Zeitpunkt, aufzuhören», sagt Cozzio.

«Für mich stimmt’s so». Ein Satz, den er häufig sagt.

Schleifen statt schmieden

Die Arbeit sei spannend gewesen, weil er in unterschiedliche Bereiche hineinschauen konnte, sagt Cozzio. Er wisse, dass er im Stadtparlament «der Stille» war. «Das ist einfach mein Naturell.» Er arbeitete lieber im Hintergrund. «Vor allem in den Kommissionen hat es mir Spass gemacht.» Politik spielte in Cozzios Familie immer eine Rolle. Wegen ihrer italienischen Wurzeln seien er und seine sechs Geschwister als die «Tschinggen vom Quartier» belächelt worden. «Für uns war dann früh klar, dass wir etwas beitragen wollen.» Wie Leo Cozzio sind alle Geschwister CVP-Mitglieder. Einer seiner Brüder war der 2017 verstorbene St. Galler Stadtrat Nino Cozzio.

Trotz des Rücktrittes werde es nun nicht ruhiger, sagt Cozzio. Die grosse Nachfrage im Laden könne er kaum bewältigen. Obwohl es der Name sagt, schmiedet Cozzio keine Messer mehr. «Das rentiert nicht. Für die stundenlange Arbeit müsste ich einen Preis verlangen, den niemand zu zahlen bereit ist.» Heute besteht die Arbeit aus Schleifen und Reparieren. «Es ist das Zusammenspiel zwischen Werkstatt und Laden, das mir gefällt», sagt Cozzio. Beides allein wäre nicht spannend. Er geniesse die handwerkliche Arbeit, aber auch den Kontakt zu den Kunden. Dazu gehören Privatpersonen und Unternehmen. So schleift Cozzio Messer für Grossküchen, in Spitälern sowie Scheren für Coiffeure und mehrere Textilfirmen.

Eigentlich wollte Cozzio Lehrer werden. In seiner Familie gab es aber schon immer Messerschmiede. «Meine Familie stammt aus Mortaso, einem Messerschmiededorf in der Region Trentino-Südtirol.» Nachdem er in St. Gallen die Lehre absolviert hatte, arbeitete Cozzio in Winterthur, bevor er nach Gossau in die Messerschmiede Meier kam.

«Ich sagte: Wenn du mit 30 nicht selbstständig bist, lässt du dich umschulen.»

1987 übernahm Cozzio mit 28 dann die Messerschmiede. Mit seiner Frau und den vier Kindern lebt er über dem Laden. Sechseinhalb-Tage-Wochen mit der Familie zu vereinbaren sei nicht einfach. «Ohne meine Frau, mit der ich das Geschäft führe, wäre das nicht möglich.»

Wertschätzung für den Beruf fehlt

«Womit verdienen Sie eigentlich Ihr Geld?» Diesen Satz hört Leo Cozzio oft, «obwohl ich seit 30 Jahren ein Geschäft und eine Familie habe». Viele Leute könnten sich nichts unter dem Beruf vorstellen.

«Vielen ist nicht bewusst, dass man heute noch Messer schleift.»

Wegen dieser Unkenntnis werde der Beruf oft belächelt. Früher habe ihn die fehlende Wertschätzung gestört. Sie sei ein Grund, wieso kaum noch junge Leute das Traditionshandwerk erlernten. Die Arbeit ist zudem nicht risikofrei. Konzentration sei das A und O. Einmal schnitt sich Cozzio einen Daumen ab. Dieser wurde wieder angenäht.

«Und dieses Jahr steckte mir ein Messer im Bein, nachdem ich es fallen gelassen hatte.»

Cozzio zuckt die Schultern. Berufsrisiko.

Obwohl es noch sechs Jahre dauert, macht er sich Gedanken um seine Pensionierung. Einen Nachfolger hat er nicht. Die Chancen, dass die Messerschmiede weiter bestehe, seien gering. «Aber man weiss ja nie.» Momentan sei er zufrieden, dass sein Geschäft seit 31 Jahren so gut laufe. «Das hier ist mein Leben. Und für mich stimmt’s so.»