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Die Arbeit des St.Galler Stadträtinnen und Stadträte zu beurteilen ist schwierig. Vieles liegt im Verborgenen. Und doch hat jedes der fünf Mitglieder seine Stärken und Schwächen, die öffentlich mehr oder weniger sichtbar sind.
Seit seinem Amtsantritt hat sich Architekt Markus Buschor mit Leib und Seele dem Schulwesen verschrieben. In seinem Leistungsausweis stechen insbesondere zwei Grossprojekte hervor: Buschor hat den flächendeckenden und bedarfsgerechten Ausbau der ausserschulischen Tagesbetreuung auf den Weg gebracht und die Integration der Flade in die städtische Oberstufe, die diesen Sommer vollzogen wird, mit viel Überzeugung und Verhandlungsgeschick realisiert. Mit viel Verve bringt er auch seine Vorlagen ins Parlament, wo er sie dossiersicher und rhetorisch gekonnt verteidigt.
Allerdings wird man den Eindruck nicht los, dass Buschor das Volk ab und an nicht richtig spürt – oder ihm zumindest das Gespür für die Anliegen der Direktbetroffenen fehlt, etwa beim geplanten Neubau für die Tagesbetreuung auf der Sömmerliwiese, als die Stadt das Quartier vor vollendete Tatsachen stellte. Das dürfte damit zu tun haben, dass Buschor als Parteiloser eine geringere Verbindung zur Basis hat als die anderen Stadträte. Im Herbst 2016 schaffte er zwar die Wiederwahl problemlos. Wenn aber stimmt, dass er 2021 Thomas Scheitlin als Stadtpräsident ablösen möchte, muss er an Profil zulegen.
Der Älteste im Bunde verkörpert auch den Begriff «alte Schule» wie kein anderer: Stadtpräsident Thomas Scheitlin ist immer anständig, so hitzig eine Debatte auch sein mag. Er hört geduldig zu, antwortet deutlich und bestimmt, aber stösst dabei niemanden vor den Kopf. Die Kehrseite der Medaille ist, dass man ihn als Person kaum spürt. Seine Befindlichkeiten lässt er so gut wie nie nach aussen dringen. Dass er auf Konfrontation geht, wie jüngst gegen den Kanton bei der Forderung nach einer Stärkung der S-Bahn in St.Gallen, kommt selten vor. Seine Dossiers hat er ebenso fest im Griff wie die Finanzen.
Scheitlin ist zwar souverän, aber kein Visionär. Sein oft formuliertes Ziel von 100000 Einwohnern wäre beispielsweise mit offensiveren Avancen bei den Nachbargemeinden eher zu realisieren. Auch das Thema der Metropolitanregion St.Gallen vernachlässigte der Stadtrat unter Scheitlins Führung so lange, bis es die Wirtschaft Region St.Gallen (WISG) wieder aufs Tapet gebracht hat. Es ist auch schon vorgekommen, dass Scheitlin im Kantonsrat gegen die Interessen «seiner» Stadt gestimmt hat – etwa 2015 beim Nachtrag zum Baugesetz, gegen den sich der Stadtrat später sogar offiziell ausgesprochen hat.
Ihre Wahl war eine Überraschung: Die Wenigsten glaubten, dass Sonja Lüthi ihren Gegenkandidaten Boris Tschirky ernsthaft bedrängen könnte. Doch sie hat es geschafft, mit ihrem Auftreten die Wähler zu überzeugen. Seit einem Jahr ist Lüthi nun Mitglied des Stadtrats. Ihre Arbeit zu beurteilen, ist nach dieser kurzen Zeit schwierig. Die Geschäfte, die sie im vergangenen Jahr vertreten musste, hat sie grösstenteils nicht selber angestossen. Ein weiterer Grund ist, dass Lüthi als erste St.Galler Stadträtin während der Amtszeit ein Kind zur Welt gebracht hat und deshalb Ende 2018 nur noch reduziert arbeitete.
Lüthi vermittelt immer noch den Eindruck, nicht ganz in die Rolle der Stadträtin hineingewachsen zu sein. Bei öffentlichen Auftritten, in Parlamentsdebatten oder bei medialen Auskünften wirkt sie noch (zu) oft unsicher und nicht ganz dossierfest. Das Erbe, das sie angetreten hat, ist jedoch wahrlich kein einfaches. Zum einen sind die Fussstapfen ihres Vorgängers Nino Cozzio, der die Direktion Soziales und Sicherheit mit viel Kompetenz und Herz führte, sehr gross. Zum anderen war die Direktion durch Cozzios langwierige Krebserkrankung und seinen Tod im Amt lange praktisch ohne richtige Führung.
Im Wahlkampf gab sich Maria Pappa betont volksnah. Und diese Volksnähe lebt sie mehr als zwei Jahre nach ihrer Wahl in den Stadtrat weiterhin. Sie ist auch privat regelmässig an Festen oder Veranstaltungen in der Stadt anzutreffen und zeigt keine Berührungsängste. Zudem ist sie authentisch und spricht oft so, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Berührungsängste kennt Pappa auch auf politischer Ebene nicht: Die Baudirektorin packt an und kann wie eine Löwin für eine Sache kämpfen, wenn sie von ihr überzeugt ist. Die Neugestaltung von Marktplatz und Bohl, an der sich ihre beiden Vorgängerinnen die Finger verbrannten, hat sie mit viel Überzeugung und Umsicht wieder aufgenommen. Auch in ihrem politischen Wirken ist Bürgernähe eine ihrer obersten Maximen, wie die Informationspolitik zeigt.
Nach nur vier Jahren politischer Erfahrung im Stadtparlament hat Maria Pappa den Aufstieg in die Exekutive mehr oder weniger problemlos gemeistert. Das liegt unter anderem an ihrer grossen Schaffenskraft. Auch in langwierigen politischen Debatten verliert die Baudirektorin so gut wie nie den Blick fürs grosse Ganze. Ihre Schwäche ist aber, dass es ihr manchmal an sprachlichem Ausdruck fehlt.
Bei der Zahl von Abstimmungen mit nordkoreanischen Werten hat Peter Jans seinen Vorgänger Fredy Brunner bereits überflügelt. Beim 65-Millionen-Projekt für den Ausbau des Fernwärmenetzes lag der Ja-Anteil über 85 Prozent, bei der Beschaffung neuer Busse für die städtischen Verkehrsbetriebe über 80 Prozent. Dies zeigt, dass Jans beim Stimmvolk viel Vertrauen geniesst, aber auch, dass er seine Vorlagen gut zu verkaufen weiss. Dabei ist er authentisch im Auftreten und sicher in seinen Geschäften.
Peter Jans ist kein Lautsprecher, sondern ein nüchterner, ja fast introvertierter Sachpolitiker, ein Chrampfer, der das Rampenlicht nicht sucht. Dabei gäbe es auch in der Direktion Technische Betriebe genügend spannende Themen, über die man die Bürger durchaus informieren dürfte – nur schon, weil es in der Klima- und Energiepolitik so viele Zusammenhänge gibt, deren Kenntnis dazu beiträgt, die in den verschiedenen Konzepten formulierten Ziele zu erreichen. So wirken viele dieser einzelnen Massnahmen nach aussen oft wie eine Pflästerlipolitik statt wie Teile einer Vision. Will Jans auch künftig Traumresultate wie bisher verzeichnen, muss er zu einem noch besseren Verkäufer werden.