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Als einzige Schweizer Stadt hat St. Gallen einen Digitalchef. In dieser Funktion gestaltet Christian Geiger die Stadt 2.0 – und kümmert sich dabei um Parkplatz-Sensoren und virtuelle Realität.
Der Chief Digital Officer kommt mit Notizblock und Stift zum Gespräch. Von seinem Büro im elften Stock des Rathauses sieht Christian Geiger auf die ganze Stadt. «An St. Gallen kann man sich nicht sattsehen», sagt er und lässt den Blick über die Häuser schweifen. Das Smartphone bleibt die ganze Zeit über in der Tasche.
Geiger ist der erste Chief Digital Officer (CDO) der Schweiz – zumindest der Erste, der bei einer Stadtverwaltung angestellt ist. Seit Oktober ist er im Amt und hat dabei viele Hüte auf. Er ist Stratege, Macher und Botschafter des Digitalen in einem. Er kümmert sich um das Grossprojekt Smart City, soziale Medien, E-Government und Open Data. «Es ist wichtig, dass wir uns als Stadt jetzt mit diesen Themen beschäftigen. Denn jetzt haben wir noch Wahlfreiheit», sagt der 35-Jährige.
Geiger ist in Ravensburg aufgewachsen, hat danach in Friedrichshafen studiert und unterrichtet. Der promovierte Politik- und Verwaltungswissenschaftler begleitete später die Stadt Ulm im digitalen Transformationsprozess – bevor er vergangenen Herbst nach St. Gallen kam. «Ich habe mich hier sofort wohlgefühlt», sagt Geiger. «Die kurzen Wege machen den Charme St. Gallens aus.» Heute wohnt er im Haggen-Quartier. Einen typischen Arbeitstag gebe es im Alltag eines CDO nicht. Zu verschieden sind die Tätigkeitsfelder und Themen, die der Digitalchef der Stadtverwaltung bearbeitet. Wie sehr soll ihn die Stadtbevölkerung spüren? «Wenn wir dank Sensoren in Unterflurbehältern die Route von Entsorgung St. Gallen optimieren, merken die Einwohner wahrscheinlich wenig davon», sagt Geiger. Wenn hingegen ein grosser E-Sport-Anlass in der Olma-Halle stattfindet oder man die Stadt wie seit kurzem neu auch mit einer Virtual-Reality-Brille besichtigen kann, schon.
Bei der Entwicklung hin zu einer intelligenten Stadt der Zukunft gehe es nicht darum, alles auf, Teufell, komm raus, zu digitalisieren. «Wir wollen uns fragen: Welche Herausforderungen könnten bald kommen? Und gibt es eine effiziente Lösung, um diese zu meistern?» So sei man auch bei den Parkplatz-Sensoren vorgegangen, die derzeit von der Stadtpolizei in einem Pilotprojekt getestet werden. Oder in der Remishueb, wo seit einiger Zeit das erste «smarte» Quartier der Stadt entsteht. «Dort haben sich Stadt und Stadtwerke mit den Bewohnern zusammengesetzt und eine gemeinsame Vision erarbeitet.» Im Zentrum stand dabei immer die Frage: «Wie soll das Quartier 2036 aussehen?» In diesem Fall habe man «digitale Stadtentwicklung» betrieben. Es sei weder das Ziel, aus der Stadt eine Datenkrake zu machen, noch über die Köpfe der Leute hinweg zu digitalisieren. «Datenschutz und Informationssicherheit sind wichtige Grundlagen für die Digitalisierung», sagt Geiger. Schliesslich verfolge die Stadt im Gegensatz zu vielen Privaten keine kommerziellen Interessen mit den Daten.
St. Gallen sei im nationalen und internationalen Vergleich für die digitale Transformation gut aufgestellt, sagt Geiger. Als Basis dafür diene das Glasfasernetz mit seiner schnellen Verbindung. «Die sucht man zum Beispiel in Deutschland vergebens.» Auch was die Sensorik betreffe, habe die Stadt bei den Parkplätzen und Unterflurbehältern bereits grosse Schritte unternommen. Potenzial sieht Geiger hingegen bei Open Government Data. Damit werden Daten bezeichnet, die von der Verwaltung zur Verfügung gestellt werden und ohne Einschränkungen von Dritten wie Start-Ups, Datenjournalisten und Programmierern genutzt werden können. Dazu gehören zum Beispiel Statistiken und Geodaten. «Zürich ist da weiter, aber sie machen es auch schon seit Jahren», sagt Geiger. Aber auch St. Gallen sei an dem Thema dran.
Die Angst, dass bald alles digitalisiert werde, hegt Geiger nicht. «Wir werden trotz Musikstreaming-Diensten auch in Zukunft Festivals besuchen.» Aber auf einer App nachschauen, wann der Bus dorthin fährt – um der Effizienz willen.