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Das Klettergerüst auf dem Spielplatz oder das Ziel der Klassenreise: Kinder sollen in der Stadt mehr mitbestimmen können.
Kinder an die Macht! So lautet die neue Devise der Stadt. Wie in Herbert Grönemeyers Lied und der Textpassage «Gebt den Kindern das Kommando» aus dem Jahr 1986 sollen Kinder mehr mitwirken und sich im Fall von St.Gallen am Stadtleben beteiligen können. Nur wie?
Der Stadtrat hat im Auftrag des Parlaments das Partizipationsreglement überarbeitet. Dieses sieht verschiedene Möglichkeiten vor, wie sich Jugendliche sowie Ausländerinnen und Ausländer beteiligen können. Kinder kamen in diesem Reglement, welches vom Stadtparlament bereits vor 14 Jahren erlassen wurde, bis dato nicht vor.
Das soll sich nun ändern: Neu sollen sie explizit und besonders prominent erwähnt werden. «Wir wollen sie als Zielgruppe hervorheben», sagt Stadtrat Markus Buschor. Denn Kinder würden Projekte anders betrachten und andere Perspektiven einbringen. Ausserdem werde es von ihnen gewünscht, mitreden zu können: «Kinder wollen das. Sie wollen einen Beitrag leisten.»
Angestrebt werden «alters- und entwicklungsgerechte Formen und Methoden von Informationen, Anhörungen, Mitwirkungen, Mitentscheidungen und Unterstützung», sagte Buschor bei der Pressekonferenz zu den Jahreszielen. Dass man Ideen einbringen kann, soll selbstverständlich werden, für jegliche Gruppen der Bevölkerung. Und zwar nicht nur bei politischen Fragen, sondern auch bei alltäglichen Sachen.
Bei Kindern konkret etwa, wenn es darum geht, was es in der Tagesbetreuung zum Mittagessen gibt. Oder an welchen Ort die Schüler in die Schulreise fahren. «In dieser Hinsicht machen wir bereits heute gute Erfahrungen.»
Eine Partizipation auf institutioneller Ebene ist beispielsweise bei Bauprojekten denkbar. «Wichtig bei städtischen Projekten ist, die jeweiligen Zielgruppen nach ihren Bedürfnissen zu fragen», sagt Buschor. Beim Bau von Schulhäusern oder Spielplätzen würde man also die Kinder nach ihren Bedürfnissen und Wünschen fragen. «Dabei sollen sie sich auch bei grundsätzlichen Fragen einbringen können», sagt Buschor.
Kinder sollen dort ihre Meinung einbringen, wo sie betroffen sind. Es gibt also kein Gumpischloss und keine Bobbycar-Parkplätze auf dem Markt- platz. Doch andernorts möglicherweise einen kunterbunten Kindergarten. Oder ein neues Klettergerüst. Oder einen Streichelzoo auf dem Schulhof? «Wichtig ist, partizipative Projekte ergebnisoffen zu starten und den Kindern die Entscheidungsabläufe zu erklären», sagt Markus Buschor. Ihnen also zu sagen, dass Fachpersonen zu einem anderen Schluss kommen können, wie sie selbst.
Bis es so weit ist, muss das überarbeitete Partizipationsreglement vom Parlament genehmigt werden. «Zuerst wollen wir die politische Diskussion führen», sagt Buschor. Erst danach wird die Stadt konkrete Massnahmen zur Umsetzung definieren. Das wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2020 der Fall sein.
Ich finde das Primarschulhaus Feldli-Schoren gut so, wie es ist. Aber auf dem Pausenplatz würde ich manchmal gerne Unihockey spielen, dafür fehlen aber die Schläger und ein Unihockey-Goal. In der Stadt vermisse ich einen Pumptrack, ich würde dort mit dem Scooter hingehen. Leider gibt es nur einen kleinen beim Schulhaus St.Leonhard.
Ich gehe in der Primarschule Hof in die dritte Klasse. Es gefällt mir dort sehr gut. Draussen könnte man das Klettergerüst erneuern und grösser machen. Es gibt leider nicht so viel, um herumklettern zu können. Aber sonst würde ich nichts ändern, auch in der Stadt nicht. Ich spiele gerne auf dem Klosterplatz oder bei der Schlange beim Theater.
Beim Schulhaus Grossacker würde ich mir draussen ein grosses Trampolin wünschen. Mehr Spezialtage in der Schule, wie der Haustiertag, an dem wir alle unsere Tiere mitbringen, wären cool. In der Stadt fehlt mir ein Laden für Eiskunstläuferinnen. Auch die Spielplätze könnte man bunter und grösser machen und Feuerstellen hinstellen.
Ich gehe in die sechste Klasse im Schulhaus Grossacker. Auf dem Spielplatz fehlt eine grössere Kletterwand und in der Schule würde ich mir einen Spind wünschen, damit nichts mehr geklaut werden kann. Und damit ich nicht jeden Tag alle Bücher heimtragen muss. Ich spiele Curling, deshalb fände ich eine Curlinghalle im Osten der Stadt toll.
Was die Stadt St.Gallen anstrebt, hat die Hauptstadt des Kantons Thurgau bereits. In Frauenfeld können sich Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren unter anderem in einem Kinderrat am Stadtleben beteiligen. Den Rat gibt es seit 2015. Auf Initiative dieses Kinderrates entstand im Jahr 2018 eine Pumptrackanlage. Als erste Gemeinde im Thurgau erhielt Frauenfeld im Jahr 2012 die Unicef-Auszeichnung «Kinderfreundliche Gemeinde».
Ist ein Kinderrat auch in St.Gallen nötig? Nicht unbedingt, sagt Johanna Brandstetter, Dozentin an der Fachhochschule St.Gallen mit Schwerpunkt Aufwachsen und Bildung. «Je nach lokalen Gegebenheiten können sehr unterschiedliche Formate wirksam umgesetzt werden.» Ein Erfolgsrezept gebe es dabei aus ihrer Sicht nicht. «Wichtig ist, dass nötige Strukturen geschaffen werden und diese mit Möglichkeiten der Mitsprache von Kindern verbunden werden», sagt sie. Dies sowohl projektbezogen, als auch in ständigen Gremien.
Die Stadt Winterthur hat für Kinder weitere Möglichkeiten entwickelt, damit sie sich einbringen können. Beim Projekt «Engage» konnten Kinder und Jugendliche ihre Anliegen über eine App direkt an Politiker adressieren. Einige dieser Anliegen wurden oder werden umgesetzt, schreibt Mireille Stauffer, Kinder und Jugendbeauftragte der Stadt Winterthur. Weiter wurden in den Stadtentwicklungsprozessen in den Quartieren Töss und Wülflingen nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder einbezogen: Mit den Kindern wurden Quartierrundgänge gemacht, um ihre Meinung, Wünsche und Bedürfnisse zu erfassen.
Auch die Stadt Luzern ist kinderfreundlich. Sie hat gar seit 1993 ein Kinderparlament und seit 1998 ein Jugendparlament. Beide Parlamente verfügen über das Auskunfts- und Postulatsrecht. Kinder können zum Beispiel bei Spielplatzgestaltungen oder der Gründung eines Jugendcafés mitarbeiten.