Das Ereignis des Jahres war in der Stadt Gossau die Wahl des neuen Stadtpräsidenten. Wolfgang Giella hat im Juni Alex Brühwiler abgelöst. Ein neuer Gemeindepräsident wurde auch in Wittenbach gewählt.
Es war der dramatische Schlusspunkt eines Zweikampfes, der Gossau am Übergang ins Jahr 2018 in Atem gehalten hatte: Am 28. Januar stand Wolfgang Giella als Sieger der Stadtpräsidiumswahlen fest. Der Parteilose aus dem fernen Chur liess im zweiten und entscheidenden Wahlgang den alteingesessenen CVP-Kandidaten Daniel Lehmann um über 1000 Stimmen hinter sich. Giella zeigte sich am Wahltag überrascht und kündete an, «der Stadtpräsident für alle» sein zu wollen. Der Showdown dieses Duells war das Ereignis des Jahres in Gossau – und das schon im Januar.
Dem Höhepunkt vorausgegangen war ein intensiver, teils gehässiger Wahlkampf, der auch einen Graben durch Gossau aufgerissen hatte. Es ging um Stadtsymbole auf Wahlplakaten und heikle Wahlempfehlungen. Im ersten Wahlgang – noch im alten Jahr – hatte Giellas Vorsprung bereits 330 Stimmen betragen. Auf den Schild gehievt hatte Giella eine Findungskommission aus Flig, FDP, SP und SVP.
Die Amtsübergabe folgte dann im Juni. Der scheidende Stadtpräsident Alex Brühwiler verabschiedete sich nach siebzehneinhalb Jahren mit einem rauschenden Fest im Fürstenlandsaal. 600 Gäste nahmen von «König Alex» Abschied und liessen ihn auf einem Thron Platz nehmen. Brühwiler lüftete an diesem Abend auch das Geheimnis, was er nach seinem Rücktritt zu tun gedenke: Er tritt ein Fernstudium in Geschichte an. Ausserdem widmet sich der passionierte Sänger als Präsident des Organisationskomitees den Vorbereitungen für das Gesangsfest 2022.
Wolfgang Giella hat als Stadtpräsident intensive Monate hinter sich. An seinem ersten Arbeitstag verglich er sich mit einem Lehrling, der aber selber herausfinden müsse, was er zu tun habe. Wenige Wochen später zog er gegenüber dem «Tagblatt» eine erste Zwischenbilanz: «Ich könnte rund um die Uhr arbeiten.» Und: «Ich muss mich zeitlich schon gut organisieren, um überhaupt einkaufen zu können.»
Nebst dem Tagesgeschäft müsse er vieles kennen lernen: Ansprechpartner, Abläufe, Geschäfte und die Stadt als solche. «Ich hoffe, in einem Jahr habe ich das hinter mir.» Mittlerweile scheint sich der neue Stadtpräsident bereits etwas eingelebt zu haben. Im Parlament gibt er souverän Auskunft. Und die Fraktionen bringen ihm Vertrauen entgegen, was etwa an der Budgetdebatte zum Ausdruck kam.
Und Daniel Lehmann? Der hatte seinen Plan B im Wahlkampf nicht preisgeben wollen. Die Neuigkeit kam dann im Oktober aus der Ausserrhoder Staatskanzlei: Seit Mitte November leitet Lehmann das Amt für Wirtschaft und Arbeit – in einem Teilzeitpensum. Denn daneben behält Lehmann seine Mandate in diversen Verwaltungs- und Stiftungsräten, darunter als Präsident der Pallottinerstiftung Gymnasium Friedberg.
Ein Gemeindepräsident wurde 2018 auch in Wittenbach gewählt. Und auch hier setzte sich am Ende der Parteilose gegen den CVPler durch: Oliver Gröble brachte den Sieg mit über 400 Stimmen Vorsprung auf Norbert Näf in trockene Tücher. Im Gegensatz zu Gossau fiel der Entscheid hier aber erst später im Jahr, am 25. November. «Ich werde auf alle offen zugehen, auch auf jene, die mich nicht gewählt haben», versprach Gröble bei der Wahlfeier auf dem Zentrumsplatz. Damit haben die Wittenbacherinnen und Wittenbacher mit einer Tradition gebrochen: Während über 100 Jahren stellten CVP oder FDP den Gemeindepräsidenten. Nun machte Gröble das Rennen, obwohl sich selbst die FDP – genau wie alle anderen Ortsparteien – hinter Norbert Näf von der rivalisierenden CVP gestellt hatte. Der scheidende Gemeindepräsident Fredi Widmer, der morgen Freitag die Schlüssel zu seinem Büro an Oliver Gröble übergibt, hatte seinen Rücktritt im Februar angekündigt. Wenige Tage später rief die CVP zur Bildung einer überparteilichen Findungskommission auf. Diese präsentierte dann im Juni mit Näf und FDP-Kandidat Georges Gladig ihre beiden Kandidaten. Erst bei Ablauf der Frist für die Kandidatur trat dann Gröble in Erscheinung. Der 50-Jährige ist bis anhin Standortförderer beim Kanton und wohnt seit acht Jahren in Wittenbach. Er wird sein Amt im Februar – nach einer einmonatigen Auszeit – antreten. (jw)