Baustreit
Ärger auf der St.Galler Sonnenterrasse: Auf der Notkersegg wird ein Baustopp ignoriert

Die städtische Baubewilligungsbehörde hat an der Huebstrasse einen Baustopp verfügt. In der Umgebungsgestaltung wurden verschiedene Arbeiten ausgeführt, die nicht bewilligt waren. Doch der missachtete Baustopp ist nicht das Einzige, was an der Traumlage zu Unmut führt.

Christina Weder
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In diesem Bereich an der Huebstrasse hat die Stadt eine Baueinstellung verfügt. Trotzdem sind die Arbeiten seit kurzem abgeschlossen.

In diesem Bereich an der Huebstrasse hat die Stadt eine Baueinstellung verfügt. Trotzdem sind die Arbeiten seit kurzem abgeschlossen.

Benjamin Manser

Die Neubauten an der Huebstrasse im Quartier Notkersegg waren als Traumhäuser auf der Sonnenterrasse zum Verkauf ausgeschrieben. Doch auf der Sonnenterrasse herrscht nicht eitel Sonnenschein.

Die neuen Eigentümer mussten für ihren Wohntraum viel Geduld aufbringen. Die Bauzeit zog sich in die Länge. Nachdem der ursprünglich verantwortliche Generalunternehmer in Konkurs gegangen war, stand die Baustelle über Monate still. Nun, fünf Jahre nach Erhalt der Baubewilligung, sind die zwei Einfamilien- und drei Mehrfamilienhäuser mit dunkelgrauer Fassade endlich fertiggestellt. Sämtliche Wohneinheiten sind verkauft, die neuen Eigentümer sind im Frühling eingezogen. Und die Umgebungsarbeiten befinden sich in den letzten Zügen. Doch, auch wenn die Baumaschinen abgezogen sind, ist an der Huebstrasse, an bester Lage am Stadtrand, noch keine Ruhe eingekehrt.

Bei der Stadt gingen Klagen aus der Nachbarschaft ein

Hört man sich in der Nachbarschaft und unter den neuen Eigentümern um, ist von Planungsfehlern, Baumängeln und Chaos die Rede. Hinzu kommt nun ein Baustopp, welcher einen Teilbereich der Umgebung betrifft. Das städtische Amt für Baubewilligungen hat ihn gegenüber der Bauherrschaft, einer in Arbon ansässigen Immobilien AG, verfügt. Dazu kam es, nachdem verschiedene Klagen aus der Nachbarschaft eingegangen waren. Der Grund: Es wurden verschiedene unbewilligte Arbeiten an der Umgebung ausgeführt, wie Ivan Furlan, Leiter Amt für Baubewilligungen der Stadt, auf Anfrage sagt. Doch die Bauherrschaft setzte sich über den Baustopp hinweg.

Ruedi Schmid, Eigentümer eines Grundstücks an der Huebstrasse.

Ruedi Schmid, Eigentümer eines Grundstücks an der Huebstrasse.

Benjamin Manser

Einer, der deswegen bei der Stadt interveniert hat, ist Ruedi Schmid. Der ehemalige Anwohner besitzt ein kleines Grundstück im Bereich, der vom Baustopp betroffen ist. Er wehrt sich gegen eine winkelförmige Trockensteinmauer, die es gemäss bewilligten Plänen nicht geben dürfte. Der Gestaltungsplan Huebstrasse schreibt für Terrassenmauern eine maximale Höhe von 0,8 Metern vor. Als die Stadt den Baustopp im Sommer verfügte, war die Mauer bereits fast doppelt so hoch. Und danach seien weitere Sandsteinblöcke daraufgesetzt worden, erzählt Schmid. Zuoberst wurde eine Hecke aus kleinen Eiben gepflanzt und eine behelfsmässige Absturzsicherung angebracht. Vor kurzem wurden die Arbeiten abgeschlossen – trotz Baustopp.

«Da hat es mir den Deckel gelupft», sagt Schmid.
Zu hoch und unbewilligt: Gemäss Gestaltungsplan sind an dieser Stelle Mauern mit einer maximalen Höhe von 80 Zentimetern zulässig.

Zu hoch und unbewilligt: Gemäss Gestaltungsplan sind an dieser Stelle Mauern mit einer maximalen Höhe von 80 Zentimetern zulässig.

Benjamin Manser

Der Ärger steht ihm ins Gesicht geschrieben. Sein Verdacht: Die Bauherrschaft versuche, vollendete Tatsachen zu schaffen und diese nachträglich durch ein Korrekturgesuch legitimieren zu lassen. Für ihn ist unverständlich, warum die Stadt nicht eingeschritten ist. «Nach meinem Wissensstand müsste man die Schaufeln sofort zur Seite legen.» Schmid ist deshalb mehrfach beim Amt für Baubewilligungen vorstellig geworden. Er hat dieses schliesslich per Anwalt aufgefordert, den Baustopp durchzusetzen und eine Strafanzeige gegen die betreffende Immobilien AG einzureichen. Doch damit nicht genug. In einem Schreiben an Stadträtin Maria Pappa wirft Schmid dem Amt «eine lasche Haltung» vor.

Stündliches Kontrollieren ist nicht möglich

Ivan Furlan, Leiter Amt für Baubewilligungen der Stadt St. Gallen.

Ivan Furlan, Leiter Amt für Baubewilligungen der Stadt St. Gallen.

PD

Ivan Furlan vom städtischen Amt für Baubewilligungen kann diesen Vorwurf nicht nachvollziehen. «Wir haben unsere Aufgabe gewissenhaft wahrgenommen», sagt er. Seine Mitarbeiter hätten die Baueinstellung an der Huebstrasse überdurchschnittlich häufig kontrolliert. Zeitweise seien sie mehrmals pro Woche vor Ort gewesen. Bei rund 1000 gleichzeitig zu betreuenden Baustellen in der Stadt sei ein tägliches oder stündliches Kontrollieren hingegen nicht möglich. «Deshalb können wir nie ganz ausschliessen, dass Auflagen aus der Baubewilligung oder Baueinstellungen nicht eingehalten werden – zumal es sich in diesem Fall um Arbeiten handelte, die in ein oder zwei Tagen ausgeführt werden konnten», sagt Furlan.

In der Zwischenzeit hat die Bauherrschaft ein Korrekturgesuch nachgereicht. Gegen dieses liegen mehrere Einsprachen aus der Nachbarschaft vor. Nun muss die Baubewilligungskommission das Gesuch mit den Einsprachen beurteilen und entscheiden, ob die Umgebungsgestaltung an der Huebstrasse rückgängig gemacht werden muss oder nicht.

«Zudem prüfen wir rechtliche Schritte aufgrund der Nichteinhaltung der Baueinstellung.»

Furlan spricht von einer aussergewöhnlichen Situation. Der Aufwand für eine Baustelle dieser Grössenordnung sei unüblich hoch gewesen. Furlan ist doch etwas erstaunt darüber, wie verfahren die Situation ist. Er könne aber nachvollziehen, dass die lange Bauzeit und der damit verbundene Prozess den Beteiligten zu schaffen machen.

Anwohner ärgern sich über «hässliche Betonmauer»

Tatsächlich scheint sich in der Hueb einiges angestaut zu haben. Grundbesitzer Ruedi Schmid ist nicht der Einzige, der von einer Überschwemmung in der Tiefgarage, Schlamm auf der Baustelle, fehlenden Absturzsicherungen und schwieriger Kommunikation mit der Bauherrschaft berichtet. Der Unmut gilt längst nicht nur dem missachteten Baustopp. Andere Anwohner ärgern sich über eine «massive und hässliche Betonstützmauer», die ihnen vor die Nase gebaut wurde, obwohl der Gestaltungsplan nur Trockensteinmauern vorsieht. «Es ist mir ein Rätsel, wie diese Mauer gebaut werden konnte», sagt einer der Nachbarn.

«Wie konnte diese Betonmauer gebaut werden?», fragen sich Anwohner. Denn gemäss Gestaltungsplan müssen Mauern – abgesehen von der Stützmauer bei der Tiefgarageneinfahrt – aus Sand- oder Trockenstein gebaut werden.

«Wie konnte diese Betonmauer gebaut werden?», fragen sich Anwohner. Denn gemäss Gestaltungsplan müssen Mauern – abgesehen von der Stützmauer bei der Tiefgarageneinfahrt – aus Sand- oder Trockenstein gebaut werden.

Benjamin Manser

Auch für manche der neuen Eigentümer hat sich der Wohntraum an der Huebstrasse nicht auf Anhieb erfüllt. Einer erzählt, wie er im Frühling in eine Wohnung einzog, in der die Küche noch fehlte.

«Dabei ist mir versichert worden, die Wohnung sei bezugsbereit.»

Ein anderer berichtet von einem Planungsfehler in seinem Garten, in dem zwei Bäumchen gepflanzt werden mussten. Da dafür zu wenig Erdreich vorgesehen war, wurden kurzerhand zwei Erdhügel in der Mitte des Rasens aufgehäuft und die Bäume hineingesetzt. Zudem seien noch verschiedene Baumängel offen. Er ist nicht der Einzige, der darauf wartet, dass diese endlich behoben werden. Nach der langen Bauzeit und den vielen Verzögerungen wollen die Anwohner und Nachbarn vor allem eines: Ihr Zuhause auf der Sonnenterrasse geniessen.

Der verantwortliche Bauherr, Architekt und Inhaber der Immobilien AG aus Arbon wollte auf Anfrage keine Stellung zur Situation in der Hueb nehmen.