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Ostschweiz
St.Gallen, Gossau, Rorschach
An diesem Wochenende kann der Botanische Garten an der Stephanshornstrasse nach dem Corona-Lockdown wieder eröffnen. Dies mit neuem Vortragsraum und Jahresausstellung, aber ohne Jubelfest. Dafür gibt's am Sonntag ein Programm mit Führungen.
Der Neubau passt nicht nur optisch perfekt in den Botanischen Garten. Er ergänzt auch dessen Angebot ideal: Im grosszügig verglasten Holzwürfel neben dem Tropenhaus ist ein heller, modern ausgestatteter Vortragssaal für die rund 250 Anlässe pro Jahr untergebracht.
Wer an den früher dafür genutzten, dunklen und muffigen Raum denkt, dürfte damit einig gehen, dass die Stadt, der Förderverein und andere Geldgeber die für den Neubau nötigen 845000 Franken sinnvoll investiert haben. So sinnvoll, dass man sich vielleicht fragen kann, wieso das nicht schon viel früher geschehen ist.
Jedenfalls kann der Botanische Garten am Wochenende seinen Neubau, dem drei baufällige Anzuchthäuser weichen mussten, eröffnen. Am Samstag ist der neue Vortragsraum erstmals öffentlich zugänglich. Und am Sonntag gibt’s Führungen, auf denen Architekt Tom Munz das Konzept des Neubaus mit seinen 80 Quadratmetern Nutzfläche erläutert.
Dabei hat er viel zu erzählen. Hinter dem, was nämlich im ersten Moment wie ein einfaches Holzkistchen aussieht, steckt ein bis ins letzte Detail ausgeklügeltes Konzept. Inspirieren liessen sich die Architekten von der Bauweise von traditionellen Orangerien, wie auch eine im Botanischen Garten steht.
Diese Gebäude bestanden traditionellerweise aus einem Gerüst aus Balken. Die Wandelemente waren beweglich und konnten flexibel geöffnet oder gar entfernt werden. Der Holzwürfel mit dem Vortragsraum ist nach dem gleichen System aufgebaut: Er besteht aus einem Holzgerüst mit grosszügigen Fensterflächen.
Auf dem Flachdach soll in den nächsten Jahren eine Orchideenwiese entstehen. Rund um den sogenannten «Grünen Pavillon» sollen an achtzig schräg abgespannten Drahtseilen Winden- und Rankenpflanzen in die Höhe wachsen. Dadurch soll ein im Sommer Schatten spendender Pflanzenvorhang entstehen. In Rabatten rund ums Gebäude wachsen Pflanzen von Trockenstandorten. Insgesamt kommen so 65 zusätzliche Arten in den Botanischen Garten St.Gallen.
(vre) Das ursprünglich auf Sonntag angesetzte Gartenfest zum 75-jährigen Bestehen des Botanischen Gartens St.Gallen findet nicht statt. Angeboten werden allerdings die im Rahmen des Festes vorgesehen Führungen:
Sonntag, 11.15 und 15.15 Uhr: Kurzführungen zum «Grünen Pavillon» (neuer Vortragsraum) mit Architekt Tom Munz.
Sonntag, 10.15, 13.15 und 15.15 Uhr: Führungen zur Ausstellung «Pflanzen – unsere Lebensgrundlage» mit Hanspeter Schumacher.
Informationen zum Jahresprogramm des Gartens finden sich im Internet unter www.botanischergarten.stadt.sg.ch.
Wie durchdacht der Neubau ist, zeigt sich bei den Details, die am Freitag an einer Medienorientierung mit Stadträtin Maria Pappa, Architekt Tom Munz und Gartenleiter Hanspeter Schumacher präsentiert wurden. Für den Bau wurden soweit irgend möglich einheimische Werkstoffe und regionale Betriebe berücksichtigt.
Der Pavillon besteht aus Fichten- und Tannenholz, das gemäss einem alten norwegischen Rezept eingeseift wurde, damit es möglich lange nicht vergilbt. Der Boden besteht aus einer geschliffenen Betonplatte. Auf komplexe technische Spielereien wurde ganz bewusst verzichtet: So gibt es etwa keine mechanische Lüftung für das Gebäude. Diese erfolgt über zwei raumhohe Schlitze, die sich in Wandschränken verbergen.
Eigentlich hätte der Botanische Garten St.Gallen am Sonntag sein 75-Jähriges feiern wollen. Das Fest dazu kann nun aber trotz der Lockerung der Anti-Corona-Regeln des Bundes nicht wie geplant stattfinden. Die Risiko, dabei zu einem Ort zu werden, an dem Leute erkranken könnten, war den Verantwortlichen zu gross. Und die Regeln, die dabei hätten eingehalten werden müssen, hätten wohl auch keine wirkliche Feststimmung aufkommen lassen.
Die Wurzeln des heutigen Botanischen Gartens sind allerdings erheblich älter als 75 Jahre: Die Einrichtung knüpft gemäss Gartenleiter Hanspeter Schumacher an die reiche Gartentradition des Klosters St.Gallen an.
Gegründet wurde der erste Botanische Garten 1878 im Stadtpark hinter dem heutigen Kunstmuseum. Mit dem Bau des Historischen Museums wurde er 1920 zum Hadwig-Schulhaus, der heutigen Pädagogischen Hochschule (PHSG), verschoben. Dort fiel er 1938 dem Bau eines Pausenplatzes zum Opfer.
Die Geschichte des heutigen Botanischen Gartens im Osten der Stadt beginnt 1945. Dieser Neustart im Stephanshorn jährt sich jetzt zum 75. Mal. Gebaut wurde am neuen Botanischen Garten damals zehn Jahre lang; Einweihung war 1955.
Am Aufbau beteiligt waren unzählige Schulklassen, die Tausende von Fronarbeitsstunden leisteten. Heute wachsen im Garten rund 8000 Pflanzenarten aus aller Welt. Zum Programm gehören Ausstellungen und rund 250 Anlässe pro Jahr.