Ende 2018 gibt es nur noch das Scala und das Kinok. Dazu kommt das Cinedome am Stadtrand zu Abtwil. Das war nicht immer so. In der Stadt gab es einmal 13 Kinos. Wie lange die letzten Kinos überleben, bleibt ungewiss. Die Chronik des Untergangs.
St. Gallen war Textilstadt. Klar. St. Gallen war aber auch Kinostadt: Anfang Februar 1990 ging aus einem Zeitungsartikel hervor, dass auf etwa 5400 Stadtbewohner ein Kinosaal kam. Das war Spitzenwert aller Deutschschweizer Städte, wie Historiker Marcel Mayer in der «Gallusstadt» von 1992 schreibt. Mit 13 Kinos durfte sich St. Gallen also zumindest quantitativ den Titel Kinostadt für sich beanspruchen.
Von diesem Boom ist nichts mehr zu spüren. Kürzlich schloss die Kitag AG das Kino «Rex» an der Zwinglistrasse 2. Somit sind das «Scala» am Bohl und das «Kinok» in der Lokremise die letzten Zeugen eines über hundertjährigen Kapitels der Stadtgeschichte – der Cinedome an der Stadtgrenze zu Abtwil ausgenommen.
Der erste Akt der cineastischen Stadtgeschichte begann auf dem Jahrmarkt 1897. Dort zeigte beispielsweise Georges Hipleh-Walt in einem Zelt, das rund 2500 Leuten Platz bot, die ersten bewegten Bilder. Es verging aber fast ein Jahrzehnt, bis das erste Kino eröffnete.
Im «St. Galler Tagblatt» pries sich der «Pariser Kinematograph Radium» an der St. Leonhardstrasse 22 am 24. Mai 1907 als «erstes ständiges, vornehmes Unternehmen» an und versprach «nur erstklassige Vorführungen», wie Mayer in der «Gallusstadt» weiter ausführt.
Ein Jahr später entstand im «Haus zum Storchen» an der Magnihalde 7 ein zweiter Kinosaal. Die «Elektrische Lichtbühne» bekam wegen der Filmwahl schnell die Übernahmen «Loch», «Flötenbühne» oder «Revolverküche», wie Kurt Höhener im selben Buch schreibt.
Besser bekannt wurde das Kino ab 1950 unter den Namen «Storchen». Dort flimmerten bis vor rund zwei Jahren Filme über der Leinwand. Heute dient es als Kindermusicaltheater.
Zwischen 1911 und 1924 genossen Kinos immer grössere Beliebtheit. In nur wenigen Jahren entstanden über die ganze Stadt verteilt neue Säle. An der Vadianstrasse 22 eröffnete das «American Kinema» das später zum «Capitol» wurde und sich als «vornehmstes Kinematographen-Unternehmen der ganzen Schweiz» verstand. Am Unteren Graben lud das «Union Cinema» ab 1913 zu Filmabenden ein. Irgendwann in dieser Zeit flimmerten auch im Kino «Hecht» am Bohl 1 Filme auf der Leinwand.
1918 oder 1919 entstand das «Apollo» an der Grossackerstrasse 3. Obwohl es das «Apollo» in seiner Form nicht mehr gibt, lebt es in der Erinnerung weiter. Denn 1985 übernahm der damalige Verein K59 den Saal. Dieser wollte eine Alternative zum städtischen Kinomonopol von Franz Anton Brüni bieten.
Später übernahm der Verein Kinok das «Apollo» und besiegelte mit dem Umzug in die Lokremise im Jahr 2010 die Kinogeschichte des Lichtspielhauses an der Grossackerstrasse 3. Das «Apollo» wurde fürs «Theater 111» umgebaut, das 50 Plätze bietet.
Im Westen der Stadt gab es ab 1921 das Kino im «Haus zur Palme» an der Oberstrasse 175. Drei Jahre später eröffnete das «Palace» an der Zwinglistrasse 3. In den 1970er- und 1980er-Jahren als Sexkino verkannt, lief mit «Bin-Jip» am 15. Juni 2005 der letzte Film. Noch heute ziert der alte Schriftzug die Mauer des Gebäudes an der Kreuzung. Und noch heute dienen die Räumlichkeiten für kulturelle Veranstaltungen. Am 27. Oktober 2006 startete das Palace als Konzert- und Veranstaltungslokal.
Etwas länger konnte sich das «Corso» an der Brühlgasse 37 halten – bis 2012. Aber auch dieses Kino erlebte schwierige Zeiten. Bei der Gründung stand im «St. Galler Tagblatt» vom 8. Februar 1962, der Name «Corso» sei etwas gar kosmopolitisch geraten, ansonsten fügte sich der Neubau aber gut ins bestehende Baubild, wie Andreas Stock in der Gallusstadt 2015 festhält.
2013 gab das «Corso» ein temporäres Comeback. Der St. Galler Filmemacher Dennis Ledergerber hatte mit seinem Filmverleiher das leer stehende Kino für zwei Monate von den neuen Besitzern gemietet. Es war jedoch der letzte Kinoauftritt des «Corso».
Heute bleiben das «Scala», das «Kinok» und der «Cinedome». Wie die Geschichte der Kinos weitergeht, bleibt offen. Vielleicht gibt es ein cineastisches Happy End nach bester Hollywood-Manier.